Federweißer: Halb vergoren und halb verpackt | EAT SMARTER

Federweißer: Halb vergoren und halb verpackt

Von Nicole Oschwald

Eine Flasche Federweißer mit zwei Römergläsern vor der Moselschleife fotografiert

Offene Getränkepackungen im Supermarkt – das gibt es eigentlich nicht. Ein Spezialfall ist Federweißer. Typischerweise in Grün- oder Braunglasflaschen abgefüllt, sorgt der süß-herbe, leicht prickelnde Herbstgenuss in mancher Einkaufstüte für unliebsame Überraschungen. Denn anders als bei klassischer Supermarkt-Ware ist die Flasche nicht richtig verschlossen, sodass sich das Getränk in unbedachten Schräglagen leicht selbstständig machen kann. Diese besondere Art der Verpackung hat natürlich einen guten Grund.

Federweißer ist eine sich ständig wandelnde Zwischenstufe zwischen Traubensaft und Wein. Er ist ein Traubenmost, der sich noch im Gärprozess befindet – während des Transports vom Erzeuger zum Supermarkt, während er dort angeboten wird, und natürlich auch während der Lagerung zu Hause.

Warum Federweißer explodieren kann

Seine Flasche trägt daher keinen festen Korken, keinen richtigen Schraubverschluss, sondern einen Spezialverschluss, der Luft – und damit natürlich auch den Federweißen selbst – durchlässt. Denn während der alkoholischen Gärung entsteht Kohlendioxid, das mächtigen Druck in der Flasche erzeugen würde, wenn es durch den halboffenen Deckel nicht entweichen könnte. Federweißer sollte deshalb zu Hause im Kühlschrank auch auf keinen Fall luftdicht verschlossen werden, da sonst die Flasche platzen könnte.

Wegen seiner laufenden Gärung ist der Einkauf von Federweißen immer auch ein bisschen Glücksache. Denn sein Geschmack kann von lieblich bis herb stark variieren. Je nachdem, wie viel Zucker aus den Trauben bereits in Alkohol und Kohlensäure gespalten wurde, nehmen nämlich der Süßegrad ab und der Alkoholgehalt zu.

Mindestens ein Volumenprozent Alkohol ist für Produkte namens Federweißer gesetzlich vorgeschrieben. Typisch für den süßlich-herben Genuss sind vier bis fünf Volumenprozente. Dann enthält das weinverwandte Getränk noch immer jede Menge Zucker, die ihm neben der Kohlensäure seine charakteristische Note verleiht. Im weiteren Verlauf der Gärung verliert Federweißer seine Süße, bekommt einen zunehmend herben Geschmack und erreicht schließlich einen Alkoholgehalt von bis zu elf Volumenprozenten.

Wie Sie Federweißer lagern

Die Haltbarkeit von Federweißer hängt eng mit seinen Lagerbedingungen zusammen. Kühlung ist ein Muss. Denn das verlangsamt die Gärung. Innerhalb von zehn Tagen ist meist der gesamte Zucker vergoren und das Getränk hat praktisch nichts mehr von der typisch prickelnden Süße. Es fehlt ihm aber ebenso noch das charakteristische Aroma eines jungen Weines. Es empfiehlt sich deshalb, Federweißen innerhalb weniger Tage nach dem Einkauf zu trinken.

Seinen Namen verdankt Federweißer dem Volksmund nach seinem Aussehen: Bei der Gärung des Traubenmostes werden die darin befindlichen Hefeteilchen aufgewirbelt. Das sieht aus, als befänden sich viele kleine, weiße Federn im Glas.

Welche Getränke den Namen "Federweißer" tragen dürfen

In Deutschland darf das Getränk nur mit der Produktbezeichnung „Federweißer“ in den Handel kommen, wenn es aus einem Gebiet mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.) oder aus den bestimmten Anbaugebieten Franken oder Rheinhessen stammt. Ist dies nicht der Fall, heißen die deutschen Produkte „Süßer“, „Neuer Süßer“ oder „Bitzler“.

Je nach Region oder Herkunftsland sind aber auch noch andere Namen für teilweise gegorenen Traubenmost gebräuchlich: in Teilen Süddeutschlands, im Fränkischen und in Südtirol heißt er „Suser“ oder „Sauser“, in Hessen wird er als „Rauscher“ bezeichnet und die Österreicher schätzen ihn als „Sturm“. Namen, die mehr sagen als 1.000 Worte. Aber ganz gleich, was Sie in der Einkaufstasche nach Hause tragen, denken Sie daran: die Flasche ist offen!


Über die Autorin dieses Beitrags

Nicole Oschwald ist staatlich geprüfte-Lebensmittelchemikerin und Leiterin der Kundenbetreuung am Freiburger Standort von SGS Institut Fresenius. Das dortige Labor ist Kompetenzzentrum für die Analyse von alkoholhaltigen und alkoholfreien Getränken, Fleisch- und Wurstwaren und Tierarzneimittelrückständen. Eine weitere Spezialität des Standorts ist die Aromaanalyse, die für die Getränke- und Lebensmittelindustrie eine große Rolle spielt. Mehr über die Dienstleistungen der SGS erfahren Sie auf www.sgsgroup.de und www.sgs-institut-fresenius.de