Milchersatz darf nicht Milch heißen | EAT SMARTER

Mythos Sojamilch

Milchersatz darf nicht Milch heißen

Von Nicole Oschwald

Würden Sie gerne ein Schälchen „Kaffee mit Haferschaum“ trinken, oder eine Tasse „Sojadrink-Kaffee“? Solche Bezeichnungen wecken wenig Lust auf einen milchfreien Kaffeegenuss. Sie erfüllen aber genau das, was der Gesetzgeber fordert. Denn Sojamilch gibt es nicht. Genauso wenig, wie es Hafermilch und Reismilch gibt.

Laut Gesetz sind andere Bezeichnungen als Milch zu verwenden, wenn Kuhmilch durch Getränke aus Soja, Hafer oder auch Reis ersetzt wird. Der Begriff „Milch“ ist rechtlich geschützt. Nach einer europäischen Verordnung ist damit „das Gemelk einer oder mehrerer Kühe“ gemeint. Stammt eine Milch von anderen Tierarten, etwa vom Schaf oder von der Ziege, muss das entsprechend angegeben werden. Sie heißt dann also Schaf- oder eben Ziegenmilch.


Was heute in vielen Cafés als Ersatz für Milch verwendet wird, darf – auch wenn die Praxis oft ein anderes Bild zeigt – nicht als Milch bezeichnet werden. Das bedeutet: Es gibt eigentlich gar keine „Sojamilch“, keine „Hafermilch“ und auch keine „Reismilch“. Solche Produkte, die – vereinfacht betrachtet – aus den genannten Getreidesorten beziehungsweise Sojabohnen gepresst werden, müssten vielmehr als „Drink“ bezeichnet werden. Auf den im Einzelhandel typischen Tetra Paks fallen Bezeichnungen wie „Sojadrink“ deshalb auch gar nicht weiter auf. Viele nehmen den kleinen Unterschied beim täglichen Einkauf wahrscheinlich gar nicht wahr und denken insgeheim „Sojamilch“.

In der Gastronomie allerdings irritieren Formulierungen wie „Kaffee mit Sojadrink“. Als Kennzeichnungs-Lösung in diesem Widerspruch zwischen rechtlichen Anforderungen und dem allgemeinen Sprachgebrauch, schreiben viele Gastwirte einfach „Milchkaffee (wahlweise auch mit Soja)“. Diese Bezeichnung dürfte dann auch bei der amtlichen Überwachung nicht negativ auffallen.


Die Bezeichnung „Kokosmilch“ darf übrigens für das feinvermahlene Fruchtfleisch der Kokosnuss verwendet werden, obwohl es sich hier zweifelsfrei nicht um ein Gemelk handelt. Und auch die Bezeichnung „Fischmilch“ ist erlaubt. Sie steht für den Samen bestimmter Fischarten, der frisch oder gesalzen als Lebensmittel verzehrt wird. Logisch ist das nicht. Die europäische Kommission aber will das so.

Sie listet in einem Beschluss, der im EU-Amtsblatt veröffentlicht ist, Lebensmittel auf, die – entgegen dem Bezeichnungsschutz für Milch – trotzdem als Milch bezeichnet werden dürfen. Darunter fallen Kokosmilch, Fischmilch und auch Liebfrauenmilch. Das ist ein lieblicher deutscher Qualitätswein. Die „Sojamilch“ und vergleichbare Erzeugnisse aus Hafer, Reis oder Dinkel haben es bis heute nicht in diese Liste geschafft.

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Über die Autorin dieses Beitrags

Nicole Oschwald ist staatlich geprüfte-Lebensmittelchemikerin und Leiterin der Kundenbetreuung am Freiburger Standort von SGS Institut Fresenius. Das dortige Labor ist Kompetenzzentrum für die Analyse von alkoholhaltigen und alkoholfreien Getränken, Fleisch- und Wurstwaren und Tierarzneimittelrückständen. Eine weitere Spezialität des Standorts ist die Aromaanalyse, die für die Getränke- und Lebensmittelindustrie eine große Rolle spielt. Mehr über die Dienstleistungen der SGS erfahren Sie auf www.sgsgroup.de und www.sgs-institut-fresenius.de.