Kann man jetzt noch Wurst essen, Herr Dr. Kurscheid? | EAT SMARTER

Kann man jetzt noch Wurst essen, Herr Dr. Kurscheid?

Von Prof. Dr. med Thomas Kurscheid

Kochschinken

Die WHO hat Schinken und Wurst vor Kurzem als krebserregend eingestuft. Verbraucher fragen sich nun, was sie eigentlich noch essen dürfen. Dr. Kurscheid liefert die wichtigen Antworten.

1. Die WHO hat Schinken und Wurst als krebserregend eingestuft, da verarbeitete Fleischerzeugnisse das Darmkrebs-Risiko erhöhen. Stimmen Sie der Einstufung zu?

Dr. Kurscheid: Ja. Schon seit längerem gab es dafür in Studien immer wieder Hinweise. Nun hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) eine Auswertung und Zusammenschau von über 800 Studien vorgestellt, die nun mit hoher Sicherheit zeigt, dass die Vermutung stimmt. Also verarbeitetes Fleisch wie Wurst, Schinken, Gepökeltes, Geräuchertes und stark Erhitztes erhöht das Darmkrebsrisiko. Für unbehandeltes rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm, Kalb, Schaf, Pferd und Ziege) konnte dieser Zusammenhang nicht mit der gleichen Sicherheit beschrieben werden. 

2. Welche Auswirkungen haben WHO-Einstufungen – gibt es dann bald Warnhinweise auf Produkten? 

Die IARC Arbeitsgruppe mit 22 Wissenschaftlern hat nun die Datenbasis geliefert, mit der die WHO und die nationalen Regierungen Empfehlungen verabschieden können. Aber schon 2002 hat die WHO empfohlen, den Konsum von verarbeitetem rotem Fleisch zu reduzieren. Ich kann mir nun vorstellen, dass es auf einigen Produkten bald Warnhinweise geben wird. Erfahrungsgemäß werden Lobbygruppen (z.B. die Wursthersteller) dies zu verhindern suchen, so dass es mit den Warnhinweisen noch etwas dauern kann. 

3. Warum sind verarbeitete Fleischerzeugnisse so ungesund? Was machen sie im Körper? 

Der genaue Mechanismus ist noch nicht für alle Substanzen geklärt. Für andere, wie die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe ist seit langem ihre krebsauslösende Wirkung bekannt. Verarbeitete Fleischerzeugnisse enthalten zudem meist viel Salz, das gerade für Patienten mit bereits bestehendem Bluthochdruck krankheitstreibend wirkt. 

4. Was macht rotes Fleisch generell im Körper? Oder gelten Schinken und Wurst in dem Sinne nicht als „rotes Fleisch“? 

Rotes Fleisch hat auch unbestritten gute Eigenschaften. Es ist ein guter Eisen- und Eiweißlieferant. Braten wir es aber scharf an, grillen es, oder verarbeiten es zu Wurst, nimmt die Gefährlichkeit zu. 

5. Wie oft sollte man maximal pro Woche verarbeitete Fleischerzeugnisse essen? Wie viel Gramm?

Man kann bislang keine Grenze angeben. Je mehr man davon isst, desto gefährlicher wird es. So ist es aber mit fast allem. Auch andere Nahrungsmittel wie Nussnougatcreme oder Zucker sollte ich nicht in grossen Mengen zu mir nehmen, sonst wird’s gefährlich. Die Dosis macht das Gift wusste schon Paracelsus. Wurst würde ich persönlich auf maximal eine Scheibe täglich reduzieren, rotes, unbehandeltes Fleisch auf höchstens 3-mal pro Woche 150 Gramm, also Handflächengröße. Die Zeit der tellergroßen Schnitzel sollte auch aus Umweltgesichtspunkten vorbei sein. 

6. Was sind die besten Alternativen zu Wurst und Fleisch?

Zum Leben braucht man Wurst und Fleisch nicht, auch wenn ich bei meinen Patienten häufig noch diese Einstellung sehe. Gute Alternativen sind Quark, Tofu – also der Quark des Soja – und Hülsenfrüchte wie Linsen und Erbsen. Auch das Ei – und sonntags auch mal zwei.