Gymnastikball als Bürostuhl: Gesund oder ungesund? | EAT SMARTER

Gymnastikball als Bürostuhl: Gesund oder ungesund?

Von EAT SMARTER mit Expertenrat von Prof. Dr. Ingo Froböse

Gymnastikball

Hochmotiviert legen sich viele Leute einen Gymnastikball als Bürostuhl zu, doch häufig landet dieser ungenutzt in der Ecke. Denn als vollwertiger Stuhl taugen die Bälle nicht. Warum der Gymnastik- oder Pezziball dennoch ein gutes Sportgerät ist, erklärt Fitness-Doc Ingo Froböse.

Inhaltsverzeichnis

  1. Warum der Gymnastikball kein guter Bürostuhl ist
  2. Sitzen auf dem Gymnastikball: Das ist zu beachten
  3. 5 effektive Übungen mit dem Gymnastikball
    1. Knien auf dem Gymnastikball
    2. Knie anziehen
    3. Liegestütze auf dem Gymnastikball
    4. Russian Twist auf dem Gymnastikball
    5. Beckenlift auf dem Gymnastikball

Rückenschmerzen durch langes Sitzen? Lange wurden für Menschen mit Bandscheibenproblemen, Hexenschuss oder generell muskulären Verspannungen im Rücken der Gymnastikball (auch Pezziball genannt) als Sitzgelegenheit empfohlen, liebe EAT SMARTER-Leser. Denn die permanente leichte Bewegung, so die Annahme, würde die Muskeln stärken, Schmerzen vorbeugen und für eine gerade Wirbelsäule.

Ganz so leicht ist es aber nicht. Ich rate ganz klar davon ab, den Gymnastikball permanent als Bürostuhl zu nutzen – gleich mehrere Gründe sprechen dagegen.

Warum der Gymnastikball kein guter Bürostuhl ist

Um zu verstehen, warum der Gymnastikball als Bürostuhl nur bedingt taugt, ist es wichtig zu wissen, was einen guten Bürostuhl ausmacht: Dieser sollte sich möglichst gut an die individuelle Körpergröße und -form anpassen lassen und die Wirbelsäule durch Rücken- und Armlehnen unterstützen.

Hier hat der Gymnastikball den ersten Nachteil. Denn zwar gibt es auch ihn im Handel in verschiedenen Größen, doch optimal an den Schreibtisch anpassen lässt er sich nicht.

Bei untrainierten Personen mit wenig ausgeprägtem Körpergefühl kann ein Sitzball außerdem die Sturzgefahr erhöhen, da er keine Lehne hat und schnell wegrollen kann.

Auch die viel gepriesene „gerade Haltung“ auf dem Gymnastikball kann sich schnell ins Gegenteil verkehren. Denn die kleinen Muskeln, die die Wirbelkörper immer in einer optimalen Position halten, werden beim permanenten Sitzen auf einem Gymnastikball irgendwann überlastet. Dann kehrt sich der Effekt um, und man nimmt aufgrund der Überbelastung der Muskeln eine ungesunde Haltung ein.

Abgesehen von diesen Faktoren lässt sich auch wissenschaftlich nicht nachweisen, dass der Sitz- oder Pezziball einen nennenswerten Einfluss auf die Aktivität der großen Rückenmuskeln beim Sitzen hat: Forscher der Universität Waterloo in Kanada und der Freien Universität in Amsterdam konnten im Vergleich zwischen Sitzball und Bürostuhl keinen wesentlichen Unterschied feststellen.

Meine Empfehlung lautet daher: Gestalten Sie Ihren Arbeitstag dynamisch. Das bedeutet: Mindestens einmal pro Stunde aufstehen und ein paar Schritte gehen, sich dehnen, tief durchatmen... Mit einem verstellbaren Tisch haben Sie zudem die Möglichkeit, im Stehen zu arbeiten. Wer regelmäßig seine Position verändert und für Abwechslung und Bewegung sorgt, der benötigt keinen Gymnastikball am Arbeitsplatz.

Investieren Sie in einen richtig guten, individuell einstellbaren Arbeitsplatz. Dazu gehören ein guter Bürostuhl ebenso wie ein verstellbarer Tisch und ein Monitor auf korrekter Höhe.

Sitzen auf dem Gymnastikball: Das ist zu beachten

Natürlich ist es nicht grundsätzlich schlecht, auf einem Gymnastikball zu sitzen – es kommt auf die richtige Dosis an! Länger als 30 Minuten am Stück sollten Sie nicht auf dem Ball sitzen, um die tiefer liegenden kleinen Muskeln an den Wirbelkörpern nicht zu überlasten.

Um Stürzen vorzubeugen, sollten die Füße beim Sitzen auf dem Ball sicher auf dem Boden positioniert sein. Kaufen Sie sich einen Ball, der zu Ihrer Körpergröße passt. Als Faustregel gilt: Die optimale Sitzhöhe ist erreicht, wenn der Kniewinkel circa 100 Grad beträgt. So fällt es leicht, eine aufrechte Sitzhaltung einzunehmen.

Achten Sie beim Sitzen auf dem Gymnastikball zudem auf einen festen Oberkörper: Der Rumpf sollte permanent angespannt sein, um die unebene Sitzfläche auszugleichen und die Wirbelsäule aufrecht zu halten.

5 effektive Übungen mit dem Gymnastikball

Wer sich einen Gymnastikball als Bürostuhl angeschafft hat, muss diesen jedoch nicht entsorgen: Der federnde Ball ist ein hervorragendes Trainingsgerät, um die Rumpfmuskeln zu stabilisieren. Durch seine Instabilität erhöht der Gymnastikball die Intensität vieler Übungen, da vor allem kleine, tiefer liegende Muskeln in Rumpf und Rücken stärker arbeiten müssen als bei der Ausführung der gleichen Übung am Boden.

Also: Stauben Sie Ihren Gymnastikball ab und stärken Sie mit ein paar knackigen Einheiten Ihre Rumpf- und Rückenmuskeln! Fünf gute Übungen habe ich für Sie zusammengestellt

1. Knien auf dem Gymnastikball

Diese Übung stabilisiert die Rückenmuskulatur, was sie zu einer guten Einheit für „Schreibtischtäter“ macht. Führen Sie die Übung zunächst mit Hilfe eines Partners oder an einer Wand durch, sodass der Ball nicht wegrollen kann. Mit zunehmender Übung können Sie auch ohne Hilfe auf dem Ball knien, denn auch die Balance wird geschult.

Ausführung: Nehmen Sie eine kniende Haltung auf dem Ball ein und halten Sie diese so lange wie möglich.

2. Knie anziehen

Bei dieser Übung ist der ganze Körper gefordert, der Fokus liegt auf der Stärkung der Rumpfmuskulatur.

Ausführung:

  • Legen Sie sich in Bauchlage auf den Gymnastikball.
  • Rollen Sie so weit nach vorne, bis nur noch die Schienbeine Kontakt mit dem Ball haben. Die Arme wandern mit nach vorne und bleiben durchgestreckt. Die Schultern befinden sich senkrecht über den Armen.
  • Spannen Sie Ihren Körper an, sodass dieser eine gerade Linie bildet – keinesfalls sollte der Körper durchhängen (wie bei einer Liegestütze).
  • Achten Sie darauf, dass Bauch- und Gesäßmuskulatur angespannt sind.
  • Rollen Sie nun den Ball zu sich heran, indem Sie Ihr Knie- und Hüftgelenk beugen.
  • Führen Sie den Pezziball soweit wie möglich zu den Händen heran und halten Sie diese Position einige Sekunden.
  • Strecken Sie anschließend die Beine wieder und nehmen Sie erneut die Ausgangsposition ein.
  • Führen Sie diese Übung sechs- bis achtmal durch.

3. Liegestütze auf dem Gymnastikball

„Normale“ Liegestütze gehören bereits zu den effektivsten Übungen. Durch den instabilen Ball steigert sich die Trainingsintensität noch – probieren Sie es aus! Zu Beginn sollten Sie den Ball an eine Wand legen, damit er nicht wegrollen kann.

Ausführung:

  • Nehmen Sie mit den Händen auf dem Gymnastikball die Liegestützposition ein. Rumpf und Beine bilden dabei eine gerade Linie und hängen nicht durch.
  • Beugen Sie die Arme, bis das Brustbein sich dem Ball nähert, und gehen Sie zurück in die Ausgangsposition.
  • Wiederholen Sie diese Bewegung, bis Ihre Muskeln beginnen zu brennen.

4. Russian Twist auf dem Gymnastikball

Diese Übung stärkt die schrägen Bauchmuskeln ebenso wie die gesamte Rumpfmuskulatur. Die Beine sorgen für Stabilität und werden entsprechend ebenfalls gefordert.

Ausführung:

  • Legen Sie sich mit den Schulterblättern auf den Ball.
  • Stellen Sie die Füße etwas mehr als schulterbreit auf den Boden und beugen Sie die Knie im rechten Winkel. Halten Sie dabei Spannung im Oberkörper, sodass dieser nicht durchhängt. Führen Sie die Arme so hinter den Kopf, dass die Fingerspitzen die Ohren berühren.
  • Nun drehen Sie den Oberkörper zur linken Seite, Beine und Becken liegen stabil.
  • Führen Sie den Oberkörper kontrolliert in die Ausgangsposition zurück und machen die gleiche Bewegung nach rechts.
  • Führen Sie die Übung so lange durch, bis Ihre Muskeln beginnen zu brennen.

5. Beckenlift auf dem Gymnastikball

Wer seine Po- und Oberschenkelmuskulatur trainieren möchte, liegt mit dieser Übung genau richtig! Sie brauchen für den Beckenlift eine polsternde Unterlage, zum Beispiel einen Teppich oder eine Yogamatte. Auch diese Übung können Sie zunächst an einer Wand durchführen, um den Ball zu stabilisieren.

Ausführung:

  • Legen Sie sich in Rückenlage auf den Boden und legen Sie die gestreckten Beine auf die höchste Stelle des Balls. Die Arme liegen locker neben dem Körper.
  • Nun heben Sie mit durch das Anspannen der Gesäßmuskulatur das Becken so weit vom Boden ab, bis nur noch die hinteren Schultern, Kopf und Arme den Boden berühren.
  • Senken Sie den Rücken und das Becken kontrolliert Wirbel für Wirbel ab.
  • Führen Sie die Übung mit 6 bis 8 Wiederholungen durch.