Dr. Ingo Froböse

Intuitiv Essen: Abnehmen mit dem Bauchgefühl

Von Prof. Dr. Ingo Froböse
Aktualisiert am 27. Dez. 2018
Intuitiv essen: gesellige Tafel

Es klingt verlockend: Alles essen können, zu keiner Zeit Hunger leiden und dennoch das Idealgewicht halten. Intuitiv essen soll die Lösung für Abnehmwillige sein. Doch wie funktioniert es? Fitness-Doc Ingo Froböse hat sich das Konzept angesehen.

share Teilen
print
bookmark_border URL kopieren

Kennen Sie auch einen dieser beneidenswerten Menschen, die mit Genuss und ohne schlechtes Gewissen ein Stück Kuchen mit Sahne verputzen und dennoch gertenschlank bleiben? Auf den ersten Blick ganz schön ungerecht, wenn man selber sich diszipliniert ernährt und dennoch schnell ein paar Kilos zu viel auf den Rippen hat.

Doch halt – zu einer schlanken Linie gehören viel mehr Faktoren: Zum einen ist es genetisch bedingt, wie leicht sich Pfunde an unseren Hüften anlagern, Zum anderen bestimmt der individuelle Grundumsatz, wie viele Kalorien wir zu uns nehmen dürfen. Dieser bemisst sich unter anderem durch unsere Alltagsaktivität. Wenn – um beim Beispiel der „Kuchengenießer“ zu bleiben – diese beispielsweise jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit fahren und im Job viel umherlaufen müssen, ist der Kalorienverbrauch automatisch höher, als wenn der Weg zur Arbeit mit dem Auto zurückgelegt wird und Sie dort weitestgehend einer sitzenden Tätigkeit nachgehen. Sie sehen, viele Faktoren sind dafür verantwortlich, wie sehr das Stück Kuchen Auswirkungen auf unser Körpergewicht hat.

Was die unbeschwerten Kuchen-Genießer vielen von uns voraushaben, ist außerdem der bewusste Umgang mit dem Essen. Das heißt: Wenn sie sich nachmittags ein Stück Kuchen gönnen, dann bleibt es auch dabei! Kekse, Gummitiere und Schokolade, wie sie viele von uns nebenbei essen, werden einfach links liegen gelassen. Für dieses natürliche Essverhalten ohne Verbote kursiert seit knapp zwei Jahren ein neuer Begriff: „Intuitiv Essen“.

Was bedeutet „Intuitiv essen“?

Jeder von uns kommt mit einem intuitiven Essverhalten auf die Welt: Babys schreien, wenn sie Hunger haben, und hören auf zu trinken, wenn sie satt sind. Doch bereits im Kleinkindalter verwischt sich dieser natürliche Zugang zum eigenen Sättigungsgefühl. Zum Beispiel, wenn das Kind alles aufessen muss, was auf seinem Teller liegt. Oder wenn Eis, Schokolade und Co. als Belohnung eingesetzt werden. Die blühende Industrie der Kinderlebensmittel mit lustiger Bärchenwurst, viel zu süßen Joghurts und Tees weckt mit ihren Werbebotschaft bei den Kleinen Begehrlichkeiten, und leider lassen sich immer noch viele Eltern von Versprechen wie „mit einer Extraportion Calcium“ blenden.

Im Jugend-, spätestens aber im Erwachsenenalter schlägt der unbekümmerte Umgang mit zu süßen oder zu fetten Lebensmitteln oft ins Gegenteil um: Auf einmal sind Brot und Nudeln wegen ihres hohen Kohlenhydratanteils tabu, Schokolade, Eis und Kuchen sowieso. Während wir abends an unseren Gemüsesticks knabbern, werden in der Fernsehwerbung ausgerechnet die ungesündesten Essen so verlockend inszeniert, dass wir den vielen selbst auferlegten Verboten irgendwann nicht mehr standhalten und uns mit Heißhunger auf den ersehnten Schokoriegel stürzen. Dann bleibt es häufig nicht bei einem Stück, sondern wir naschen so lange, bis uns schlecht ist.

Genau hier beginnt der Ansatz des intuitiven Essens: Was passiert eigentlich, wenn wir uns aller Verbote klassischer Diäten entledigen und essen, worauf wir Appetit haben? Also nicht zum Apfel greifen, wenn wir eigentlich einen Schokoriegel wollen?

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Intuitiv essen ist keinesfalls eine Einladung dazu, nur noch Junk Food zu essen. Viel mehr setzt diese Ernährungsform stark auf das eigene Sättigungsgefühl: Man isst, wenn man Hunger hat, und hört auf, wenn man satt ist. Wieder zu lernen, auf den eigenen Körper zu hören, ist der Kern des intuitiven Essens. Denn wer in sich hineinhört, der weiß instinktiv, was der Körper braucht – und das werden auf lange Sicht keine hochkalorischen Lebensmittel sein, deren Sättigungseffekt schnell verpufft, sondern Lebensmittel, die unserem Körper die wichtigen Nährstoffe sowie langanhaltende Energie zuführen.

Intuitiv essen: Die wichtigsten Regeln

1. Keine Fertigprodukte

Tütensuppen und Salatsaucen aus der Flasche sind praktisch, keine Frage. Doch leider sind sie für unseren Körper schlecht. Das hat zwei Gründe: Zum einen enthalten Fertigprodukte oft unnötig viel Zucker, Salz und Fett. Zum anderen sind sie häufig mit Geschmacksverstärkern versetzt, die das Sättigungsgefühl beeinflussen können. Dies trifftt übrigens auch für Produkte zu, die mit den Labeln „Bio“, „natürlich“ oder „Superfood“ werben.

Oft wissen wir gar nicht mehr, wie ein Lebensmittel schmeckt, wenn wir es „pur“ zubereiten. Ein gutes Beispiel ist Erdbeerjoghurt: Wenn Sie Naturjoghurt mit geschnittenen Erdbeeren mischen, dann schmeckt das eher sauer als süß. Probieren Sie ruhig mal aus, wie viel Zucker Sie zusetzen müssen, um eine „Geschmacksexplosion“ wie bei einem fertig gekauften Erdbeerjoghurt zu haben. Da vergeht der Appetit von ganz allein...

Setzen Sie beim intuitiven Essen also auf den puren Geschmack guter, unverarbeiteter Lebensmittel.

2. Regelmäßige Esszeiten

Unser Körper tickt in einem bestimmten Biorhythmus. Je nachdem, was Sie gerade tun und welche Tageszeit herrscht, werden manche Nährstoffe mehr und manche weniger benötigt. Verweigern wir dem Körper morgens, mittags oder abends die Nahrung, kommt es schnell zu Heißhungerattacken, bei denen unser Körper nach schneller Energie in Form von Süßem und Fetten verlangt. Regelmäßige Mahlzeiten halten den Blutzuckerspiegel auf einem konstanten Level..

3. Snacks weglassen

Nicht jeder Arbeitstag ist schön und abwechslungsreich; oft genug herrschen leider Frust, Langeweile oder zu viel Stress. Stehen dann eine Packung Kekse, eine Snackbox oder ähnliche Verlockungen herum, so greifen wir – oft unbewusst – zu. Hunger ist nicht der Grund für dieses Snackverhalten, vielmehr haben wir über die Jahre gelernt, uns mit Essen zu trösten.

Hören Sie in sich hinein, bevor Sie das nächste Mal die Schokopackung aufreißen: Ist Süßes wirklich das, was Sie jetzt brauchen? Oder wünschen Sie sich eher eine Pause, ein kleines Schwätzchen mit einem netten Kollegen, einen kurzen Anruf beim Partner? Manchmal ist es auch schlicht Durst, was wir mit Hunger verwechseln: Trinken Sie ein großes Glas Wasser und warten Sie eine Viertelstunde. Oft ist dann der Heißhunger schon verflogen.

Zwischen den Mahlzeiten sollten vier bis fünf Stunden Pause liegen. Der Grund: Viele kleine Portionen am Tag führen dazu, dass der Körper kaum Pausen in seiner Verdauungsarbeit bekommt und dafür Energie benötigt, die ihm an anderer Stelle fehlt. Außerdem wird ständig Insulin ausgeschüttet, das verhindert, dass der Organismus seine Fettdepots anzapft.

4. Essen ohne Ablenkung

Intuitiv zu essen bedeutet, mit Genuss zu essen. Das bedeutet: Setzen Sie sich an den Tisch, legen Sie Ihr Handy weg, schalten Sie den Fernseher aus und konzentrieren Sie sich auf das, was vor Ihnen auf dem Teller liegt. Wie sieht Ihr Essen aus, wie schmeckt es, wie riecht es? Kauen Sie jeden Bissen mit Bedacht, essen Sie langsam; so hat das Sättigungsgefühl eine Chance, rechtzeitig „Stopp“ zu signalisieren, bevor Sie zu viel gegessen haben.

Wichtig: Füllen Sie sich eher kleine Portionen auf. Denn auch die Portionsgröße spielt unserem Gehirn gerne Streiche. In Versuchen aßen Testpersonen automatisch mehr, wenn die Portion auf Ihrem Teller größer war.

Viele Menschen kochen schlicht zu viel und essen, um nichts wegwerfen zu müssen, tapfer alles auf. Zu Zeiten großer Lebensmittelknappheit mag dieses Verhalten einen Sinn gehabt haben, heutzutage ist es schlicht ungesund. Versuchen Sie, wirklich nur so viel zu kochen, wie Sie auch essen – die gute alte Küchenwaage leistet hier gute Dienste. Alternativ können Sie die Reste am Folgetag mit zur Arbeit nehmen. So sparen Sie sich die Vorbereitungszeit und haben gleich ein gesundes, leckeres Mittagessen.

Im Großen und Ganzen ist das Intuitive Essen also eine Einladung, mit Genuss und ganz bewusst zu essen, ohne nebenher zu mümmeln, und sich für gute Lebensmittel zu entscheiden. Verbote gibt es nicht – und das ist auch gut so, damit ungesunde Lebensmittel ihren Reiz verlieren. Intuitiv essen heißt für mich, gesund und bewusst zu essen. Spezielle Programme, wie sie mittlerweile auch verkauft werden, braucht es dafür nicht! Allerdings brauchen Sie zu Beginn etwas Geduld: Denn der Körper hat sich an die kalorische Überversorgung durch Snacks und Fast Food gewöhnt. Um aus diesem Essverhalten heraus- und in das intuitive Essverhalten hinein zu kommen, sind Zeit und Disziplin notwendig. Doch die Investition lohnt sich – ich kann Sie also nur ermutigen, auf Ihren Körper zu hören und bewusst zu essen! 

Ihr Ingo Froböse

Schreiben Sie einen Kommentar