Der König der fleischlosen Küche | EAT SMARTER

Spitzenkoch Christian Wrenkh im Interview

Der König der fleischlosen Küche

Von EAT SMARTER

Er war einer der ersten, der die vegetarische Küche in die gehobene Gastronomie gebracht hat. Und zwar als vollwertige Gerichte, nicht als Beilagen. Das war in den 80er-Jahren in Deutschland und Österreich eine absolute Ausnahme. Inzwischen interessiert Spitzenkoch Christian Wrenkh, den es von Wien nach Hamburg verschlagen hat, eine raffinierte, fleischlose Alltagsküche. Mit Stiftung Warentest hat er gerade ein ganz besonderes Kochbuch mit vegetarischen Tipps und Rezepten veröffentlicht. Im Exklusiv-Interview EAT SMARTER verrät er, was für ihn auch nach dreißig Jahren fleischloser Küche den Reiz von Möhren, Linsen und Steinpilzen ausmacht.

Herr Wrenkh, sind Sie damals aus Mitleid mit den Tieren zum Vegetarier geworden?
Christian Wrenkh: Bei mir war das eher eine künstlerische Herausforderung, die sich mit den reformerischen Beweggründen in den 80er-Jahren verbunden hat. Ich finde nicht, dass man eine Entweder-oder-Frage stellen sollte. Es wäre schon viel erreicht, wenn man die Gewichtung verändert: mehr Gemüse, weniger Fleisch.

Warum gibt es eigentlich immer noch relativ selten vegetarische Spitzenküche?
Es erfordert mehr Aufwand, um es gut zu machen. Fleisch ist viel einfacher zu handhaben und sogar günstiger. Aber wenn Du einen Brokkoli machst, kostet er im Einkauf manchmal mehr, dann hat man fünfzig Prozent Abfall, und dann muss es auf den Punkt zubereiten, wenn der Gast nachfragt. Das ist ein großes Hindernis, ein Stück Lachs oder Fleisch ist einfacher. Oder: Was zeichnet eine Leberpastete aus? Warum ist die Gänseleber immer noch der Höhepunkt der Kulinarik, ich verstehe es nicht. Diese Zentrierung auf Produkte, die mal vor fünfzig Jahren Luxus waren, das ist alles heute nichts mehr wert.

Was wäre die Alternative zu einer Gänseleberpastete?
Zum Beispiel eine Steinpilz-Tofu-Pastete.

Es gibt aber auch eine Trendwende?
Ja. Aber nur zum Teil. Ich erlebe in meinem Restaurant, dass es für die meisten Menschen völlig akzeptabel ist mittags vegetarisch zu essen. Es ist gut für meine Gesundheit, moralisch korrekt und es geht einem besser, wenn man wieder arbeiten geht. Aber es ist ein Riesenschritt, wenn man abends ausgeht, auch dann vegetarisch essen zu gehen. Es hat immer noch nicht das gleiche Prestige.

In letzter Zeit sind viele vegetarische Kochbücher erschienen. Was ist das Besondere an ihrem Buch?
Ich glaube, viele andere sind immer noch in der Phase, durch besonders viele exotische Zutaten vegetarische Gerichte aufwerten zu wollen. Um das Fleisch zu ersetzen. Dabei muss es simpel und einfach sein. Ich sehe mich nicht mehr in der Hochküche, mich interessiert mehr, wo man Hilfestellung für pflanzliche Küche geben kann, die tatsächlich funktioniert. Und die nicht nur zweimal im Jahr zelebriert wird.

Was meinen sie genau mit exotischen Zutaten?
Regionale Nahrungsmittel bieten alles, was man braucht. Es ist immer so gut wie alles erreichbar – jeder Supermarkt hat eine Bioecke. Man muss keine handgestreichelten Plattfische aus Neuseeland einführen. Man kann aus dem Vorhandenen alles machen.

Was halten sie von Fleischersatz?
Es kommt darauf an, wie es kombiniert wird. Diese Produkte wurden entwickelt, um eine prinzipiell eiweißarme Küche zu ergänzen. So betrachtet ist das völlig okay. Aber: Wenn ich statt eines Wiener Schnitzels jeden Tag ein paniertes Seitan-Schnitzel mache, ist es nicht so spannend. Da liegt kulinarisch keine Verbesserung vor. Seitan braucht seine eigene Art wie es eingebaut wird.

Was sind denn Ihre Lieblingsgemüse?
Meine Vorlieben wechseln. Kürbis und Bohnen im Herbst. Jetzt kommen die völlig unterschätzten Schwarzwurzeln. Etwas, was ich immer essen kann, sind gebratene Karotten mit Ingwer.

Was bietet sich jetzt gerade sonst noch an?
Im Norden gibt es den Grünkohl, er schmeckt frisch viel besser als aus der Dose. Den kann man zum Beispiel ganz einfach mit Jungzwiebeln, Kokosmilch und Ingwer und mit gebratenem Kürbis kombinieren. Das ist in 20 Minuten fertig.

Woher kommt der große Appetit auf Fleisch?
Vieles ist einfach Gewohnheit und der Geschmack verändert sich durch das Verhalten. Ich finde zum Beispiel den Geruch einer Wiener Wurst nicht lecker. Viele, die oft so etwas essen, lieben es. Über die Jahre bildet man einen Geschmack aus. Und, wenn man immer Fleisch isst, findet man es unersetzbar.

Wie kann man im Alltag vegetarisch kochen, ohne, dass es in Stress ausartet?
Das hat mit der Bevorratung und Planung zu tun. Zum Beispiel bei Gerichten mit Quinoa oder Linsen ist es sinnvoll, gleich 400 Gramm für drei Mahlzeiten vorkochen. Und dann ist man auch schnell fertig, wenn man es dann variiert.

Was gibt es für typische Anfängerfehler beim Kochen?
Nicht alles vorzubereiten. Erst die Hose, dann die Schuhe anziehen. In der Küche heißt das: Erst alles zerkleinern und bereitstellen, dann kann man kreativ werden. Wenn man noch Zwiebeln schneidet und nebenan kokelt etwas oder die Nudeln kochen und werden zu weich. So gerät man unter Stress. Je länger man kocht, desto mehr entwickelt man ein Gefühl für die Dinge. Auch bei den Kombinationen von den einzelnen Lebensmitteln. Genau dazu möchte ich die Leute bringen: nicht zu fragen „Darf ich das?“, sondern auszuprobieren und sich auf sich selbst zu verlassen.

Zur Person
Christian Wrenkh kocht in Hamburg im Wiener Kochsalon und bietet dort auch Kochseminare an. (hag)