Dicke nehmen Essen anders wahr | EAT SMARTER

Hirnforschung

Dicke nehmen Essen anders wahr

Von EAT SMARTER

Wenn wir Hunger haben, kommt unsere Wahrnehmung von Lebensmitteln gehörig durcheinander: Plötzlich sind fett- und zuckerhaltige Speisen besonders appetitlich. Das gilt für Normalgewichtige genauso wie für Übergewichtige. Doch amerikanische Forscher stellten nun einen Unterschied fest: Für dicke Menschen sind diese Speisen auch dann noch attraktiv, wenn ihr Körper längst Sättigungssignale sendet.

Das Gefühl kennt wahrscheinlich jeder: Unter Hunger wirken Burger, Pommes oder Chips doppelt so appetitlich. Der Grund: Durch den niedrigen Blutzuckerspiegel werden Areale in unserem Gehirn aktiviert, die das Verlangen nach Essen steigern. Dieses Hungergefühl endet aber spätestens dann, wenn der Blutzuckerspiegel nach der Nahrungsaufnahme wieder im Gleichgewicht ist. Sind wir satt, sind auch Burger, Pommes oder Chips nicht mehr reizvoll. Der Forscher Robert Sherwin von der Yale School of Medicin fand nun aber heraus, dass dieser Mechanismus bei dicken Menschen offenbar nicht so gut funktioniert: Auch bei einem hohen Blutzuckerspiegel haben sie weiterhin Lust auf Essen.
Wie das Hungersignal bei uns ausgelöst wird
Ein wichtiger Auslöser für Hunger- oder Sättigungssignale in unserem Körper ist der Blutzuckerspiegel. Sinkt er ab, wird dies von Nervenzellen in unserem Hypothalamus bemerkt. Sie wiederum geben ein Signal an die Inselrinde und das Striatum weiter. Diese beiden Bereiche fungieren als Belohnungssystem im Gehirn und lösen bei einem fallenden Blutzuckerspiegel ein Hungersignal aus. In dieser Situation nehmen wir vor allem die Reize von fett- oder zuckerhaltigen Speisen als besonders attraktiv wahr. Die Wahrnehmung normalisiert sich erst, wenn der Blutzuckerspiegel wieder ansteigt. Zu diesem Zeitpunkt ist vor allem der präfrontale Kortex im Gehirn aktiv, der sozusagen als Ess-Bremse fungiert. Ess-Bremse bei Dicken offenbar beeinträchtigt
Allerdings ist dies bei dicken Menschen offenbar nicht der Fall. Die Wissenschaftler um Robert Sherwin stellten fest, dass dicke Menschen die Speisen auch bei einem hohen Blutzuckerspiegel noch attraktiv fanden. Dafür hatten sie die Aktivität in den Hirnbereichen gemessen. Sie zeigten den Menschen Bilder von ungesunden Speisen und stellten fest: Während die Speisen bei Normalgewichtigen keine Reize mehr auslösten, blieb das Signal der Begierde bei dicken Menschen weiterhin aktiv. Die US-Forscher kommen daher zu dem Schluss, dass die Ess-Bremse bei dicken Menschen offenbar außer Kraft gesetzt ist. Die Forscher veröffentlichten die Ergebnisse im "Journal of Clinical Investigation". Ob der Kontrollverlust aber für das Übergewicht verantwortlich ist, oder ob durch das Übergewicht die neuronale Ess-Bremse außer Kraft gesetzt wurde, ging aus der Studie nicht hervor. (wil)