Fast jedes Huhn wird gedopt | EAT SMARTER

Antibiotika in der Tiermast

Fast jedes Huhn wird gedopt

Von EAT SMARTER

Offenbar ist es völlig normal, dass Masthühner in der Tierzucht Antibiotika bekommen: Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen zeigt nun, dass fast jedes Tier in seinem Leben mehrmals mit den Medikamenten behandelt wird. In fast der Hälfte der Fälle dauerte die Behandlung nicht mehr als zwei Tage. Dies verstößt eigentlich gegen die Richtlinien.

Ein erschreckendes Ergebnis: Laut einer Untersuchung des Verbraucherschutzministeriums Nordrhein-Westfalen werden in fast jedem Mastdurchgang für Hühner Antibiotika verabreicht. "Jahrelang ist von der Geflügelwirtschaft und der Bundesregierung immer wieder versichert worden, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast nur die Ausnahme sei", sagte NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Die Grünen), "jetzt haben wir es schwarz auf weiß." Nach Angaben des Ministers lassen sich die Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen auf die bundesweite Tierzucht übertragen. Mitte der Woche gab auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) ähnliche Ergebnisse für Ställe in Niedersachsen bekannt. Bis zu acht Medikamte
Im Schnitt lebten die Tiere in den 962 untersuchten Zuchtgängen 30 bis 35 Tage. In dieser Zeit bekamen sie drei Antibiotika verabreicht. Einige Tiere erhielten sogar acht unterschiedliche Medikamente. In 53 Prozent der Fälle liefen die Behandlungen nur einen oder zwei Tage. Dies verstößt gegen die Richtlinien der Antibiotika-Vergabe „Der massive Einsatz und die Art und Weise, wie die Medikamente verabreicht wurden, lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Entweder es handelt sich um Wachstumsdoping – was seit 2006 verboten ist. Oder aber das System der Tiermast ist derart anfällig für Krankheiten, dass es ohne Antibiotika nicht mehr auskommt“, zog NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Die Grünen) Bilanz. Eine medizinische Antibiotika-Behandlung dauert in der Regel drei bis sieben Tagen. In großen Mastbetrieben werden die Tiere meistens über das Futter versorgt. Der Grund: Einzelne Tiere lassen sich schwer aus der Gruppe isolieren, daher werden vorsorglich alle Tiere behandelt. Immer mehr resistente Erreger auf Fleischprodukten
Wissenschaftler warnen bereits seit Jahren vor den Folgen des massiven Antibiotikaeinsatzes. Der Grund: Durch den falschen Einsatz können Antibiotikaresistenzen gefördert werden. Dies könne bei Menschen dazu führen, dass Antibiotika bei bestimmten Erkrankungen keine Wirksamkeit mehr haben. Erst vor kurzem meldete das Bundesinstitut für Risikobewertung, dass man in 48 Prozent der getesteten Fleischproben resistente Krankheitserreger gefunden habe. Diese können unter Umständen auf den Menschen übertragen werden.
Allerdings zeigte sich auch: In kleineren Betrieben mit weniger als 20000 Tieren wurden weniger Antibiotika verabreicht. Dazu gehörten auch Betriebe, in denen die Tiere erst nach über 45 Tagen geschlachtet wurden. In Bio-Höfen fanden sich nach Angaben des Ministeriums keine Antibiotika. Bauernverband kündigt Reaktionen an
Der Bauernverband kündigte an, die Mengen an verabreichten Antibiotika in den nächsten fünf Jahren um 30 Prozent senken zu wollen. Gleichzeitig betonten sie, dass Geflügelprodukte aber trotz der Antibiotika bedenkenlos verzehrt werden könnten. Verbraucherminister Remmel bezweifelte dagegen, ob eine Tierzucht, in der Antibiotika verabreicht werden, überhaupt noch sinnvoll sei: „Wenn es aber nicht mehr ohne Antibiotika geht, dann ist für mich klar: Diese Art von Massentierhaltung wird aus rechtlicher und ethischer Sicht keinen Bestand haben können.“ (wil)