Mit Bakterien gesund durch die nasskalte Jahreszeit
Herbstzeit ist Erkältungszeit. Wenn es draußen regnet und stürmt, sollen probiotische Joghurtdrinks die Abwehrkräfte ankurbeln. Regelmäßig ein Becher davon und das Immunsystem sei für die nass-kalte Jahreszeit gerüstet – heißt es. Aber ist das wissenschaftlich erwiesen? Und was bedeutet überhaupt probiotisch?
Probiotika sind Lebensmittel, die spezielle Mikroorganismen enthalten. Diese Bakterienstämme sind besonders widerstandsfähig gegen die Verdauungssäfte in unserem Körper. Dadurch gelangen sie lebend in unseren Darm. Dort angekommen beeinflussen sie die Darmflora und erzielen gesundheitsfördernde Effekte, so die Annahme.
Probiotische Getränke sind zum Beispiel Trinkjoghurts, Kefir, Brottrunk oder Sauerkrautsaft. Es gibt aber auch spezielle Nahrungsergänzungsmittel. Im Labor können wir nachweisen, ob und in welchen Mengen die erwünschten, probiotischen Keime tatsächlich in solchen Produkten enthalten sind. Wir suchen dann beispielsweise nach Mikroorganismen wie dem Bifidobakterium, Lactobacillus und Lactococcus.
Für Lebensmittelproduzenten ist das Wissen über den Keimgehalt von großer Bedeutung. Um Effekte zu erzielen, müssten auf ein Gramm Lebensmittel mindestens eine Million lebende Bakterien kommen. Und das nicht nur unmittelbar nach der Abfüllung, sondern auch bis zum Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums.
Gesunde Keime
Den probiotischen Bakterien werden eine ganze Reihe an positiven Wirkungen zugesprochen. Sie sollen bei Verstopfungen helfen, Durchfallerkrankungen vermeiden, den Cholesterinspiegel senken und eben – das Immunsystem stärken. Für viele dieser angeblichen Gesundheitseffekte gibt es zwar erste Hinweise. Doch sind sie aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht ausreichend belegt.
Für Lebensmittelhersteller, die für ihre Produkte einen gesundheitlichen Zusatznutzen versprechen wollen, sind die fehlenden wissenschaftlichen Beweise ein Problem. Grund ist die europäische Health-Claims-Verordnung. Demnach muss jede gesundheitsbezogene Angabe, mit denen ein Lebensmittel beworben wird, vorab genehmigt werden. Alle bislang von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit überprüften Aussagen zu Probiotika wurden jedoch abgelehnt. Häufig reichten die in den Anträgen angeführten medizinischen Beweise nicht aus.
Aktiviert die Abwehrkräfte
Da Probiotika behördlich noch nicht anerkannt sind, sind Werbesprüche, wie „aktiviert die Abwehrkräfte“ verboten. Streng genommen ist sogar der Begriff „Probiotika“ rechtlich kritisch. Verbraucher könnten allein ihn als Hinweis auf eine gesundheitsfördernde Wirkung des Produkts verstehen. Das Verbot von Werbeaussagen bedeutet allerdings nicht automatisch, dass Probiotika keinen gesundheitlichen Effekt haben.
Bisher waren die Genehmigungsanträge schlicht nicht belastbar genug formuliert. Aber gerade in diesem Bereich wird aktuell viel geforscht. Es kann also durchaus sein, dass bereits bei der nächsten oder übernächsten Grippewelle probiotischer Joghurt wieder damit werben darf, das Immunsystem zu stärken.
Über den Autor dieses Beitrags
Dr. Lars Lobbedey ist beim SGS Institut Fresenius Division Manager Sales und Business Development Manager für Health Food. Als promovierter Lebensmittelchemiker ist er Spezialist für Nahrungsergänzungsmittel, Functional Food sowie diätische Lebensmittel und Novel Food. Gemeinsam mit seinem Team im Berliner Labor von SGS Institut Fresenius sorgt er dafür, dass solche Lebensmittel qualitativ sicher in den Handel kommen. Mehr über die Dienstleistungen der SGS erfahren Sie auf www.sgsgroup.de und www.sgs-institut-fresenius.de.