Essen ist immer und überall
Ob in der Kantine, auf der Straße oder in der U-Bahn: Gutes Essen zu bekommen war noch nie so einfach wie heute. Hanni Rützler erklärt, warum der Trend zu Street Food und Pop up-Restaurants die deutsche Restaurant- und Fast Food-Szene revolutionieren könnte.
(Foto: Ulrich Schaarschmidt) Gut zu essen ist heute längst nicht mehr eine Domäne klassischer Restaurants. Seit Street Food und Foodtrucks auch in Europa Furore machen, traditionelle Märkte sich in „Gourmetmeilen“ verwandeln, seit sich im Fast Food-Segment mehr und mehr Premium-Anbieter etablieren, Marken-Unternehmen ihre Betriebskantinen upgraden und Pop-Up-Restaurants – von Top-Profis betrieben – ihr Underground-Image abstreifen, seit selbst Non-Food-Shops nicht mehr auf gastronomische Angebote dauerhaft verzichten können, ist grenzen- und ortloses, überall und jederzeit mögliches Genießen zum durchschlagenden Trend geworden.
Ganz zu schweigen vom steigenden Angebot an Home Delivery Services abseits der Pizza-Boten-Welt, und davon, dass man nun bald sogar in Autohäusern, Museen und Nobelboutiquen richtig gut essen kann – wie es Pionierprojekte in Tokio, Kapstadt und New York vorzeigen. Wenn Essen immer und überall ist, dann geht das natürlich auch auf Kosten klassischer Food-Anbieter, die – wie McDonald’s – lange Zeit das Geschäftsfeld „Fast-Überall-Und-Immer-Essen“ dominiert haben.
Und das heißt: Im Food-Bereich passiert derzeit das, was der Tonträgerindustrie am Ende des 20. Jahrhunderts widerfahren ist: Eine Krise der klassischer Vertriebskanäle, die auch kleineren Produzenten viel mehr Möglichkeiten und Spielräume eröffnet und das Tauschen, Sharen und Selbermachen zur allgemeinen Praxis macht: Mehr Street Food, mehr Weinbars, mehr (gute) Bäcker, noch mehr guten Kaffee und viel Craft Beer, Sandwiches, Cup-Cakes und so weiter und so fort. Kurz: Jeder ist heute ein Gastronom.
Die Schattenseite der dynamisch wachsenden Vielfalt, an der sich auch immer mehr Quereinsteiger beteiligen: Nicht jeder kann es so gut wie ein gelernter Gastronom. Und so kann man in der Vielzahl neuer Gourmet-Start Ups, Food-Trucks und Suppenküchen nicht nur wunderbare kulinarische Entdeckungen machen, sondern auch das eine oder andere sensorische Waterloo erleben. Wer nicht in erster Linie das Street Food-Feeling sucht, sondern einfach unkompliziert, aber gut essen möchte, ist da mitunter bei einem der neuen High-End-Zustelldienste besser aufgehoben. Sie liefern je nach Gusto Gerichte aus verschiedenen Restaurants ins Büro oder nach Hause. Wer keine Zeit oder keine Lust auf einen Restaurantbesuch hat, weder selber kochen noch sich mit Pizza in Pappschachteln zufrieden geben möchte, muss auf gutes Essen nicht mehr verzichten. Ob Caviar in den USA, Bloomsburys in England, Frankreich und Deutschland oder Heimschmecker in Österreich – sie alle liefern Gourmet-Gerichte aus guten Restaurants ins Büro oder nach Hause.