Halal für Christen | EAT SMARTER

Halal für Christen

Von EAT SMARTER

Logo mit Halal Food

Ein nicht geringer Teil der Deutschen und Österreicher lebt halal, also nach den muslimischen Speisevorschriften. Dennoch gibt es in den wenigsten Restaurants halal-Gerichte – unverständlich, meint Food-Bloggerin Hanni Rützler. In ihren Augen sind die kulinarischen Einflüsse aus muslimischen Ländern eine Bereicherung für unsere Küche – und ein nicht zu vernachlässigender Wirtschaftsfaktor.

Nicht erst die aktuelle Flüchtlingskrise hat uns in Deutschland und Österreich wieder vor Augen geführt, wie stark religiöse Speisevorschriften unser aller Essgewohnheiten prägen. Auf den Wiener und Münchner Bahnhöfen, wo viele Flüchtlinge aus dem Nahen Osten von freiwilligen Helfern betreut wurden, ging es auch darum, bei der Versorgung mit halal-Essen auf diese Vorschriften und Gewohnheiten Rücksicht zu nehmen.

Das hat auch meine Sensibilität für dieses Thema noch mehr geschärft. Schon in meinem aktuellen „Foodreport 2016“ habe ich mich darüber gewundert, dass sich zwar die christliche Tradition des fleischfreien Freitags zumindest noch auf den Menükarten vieler Restaurants und Betriebskantinen widerspiegelt, auf die muslimische Speisetradition aber kaum eingegangen wird. Immer noch sehen sich Muslime hierzulande gezwungen, Lebensmittel in türkischen Supermärkten und Fleischereien einzukaufen und beim Essen außer Haus auf anatolische, syrische, pakistanische oder indonesische Ethnolokale auszuweichen, um sicher zu gehen, dass die Speisen der religiösen Halal-Norm entsprechen. 

Es gibt mehr Muslime als Veganer

Schon allein die Integrationsgedanken – also die immer wieder geäußerte Forderung, dass Migranten sich doch an unsere Kultur anpassen sollten – würde es doch nahelegen, dass Muslime auch in Restaurants mit deutscher oder österreichischer Küche halal-konforme Speisen bekommen; so wie es in vielen Gaststätten schon üblich ist, vegane Gerichte anzubieten, obwohl in Deutschland mehr Muslime als Veganer leben.

Denn viele hier ansässige Anhänger des islamischen Glaubensbekenntnisses wollen längst nicht mehr nur traditionelle Gerichte aus ihren Herkunftsländern essen, sondern auch die reiche Vielfalt der europäischen Küche genießen: Königsberger Klopse (ohne Schweinehack), Wiener Schnitzel (klassisch vom Kalb) oder Coq au Vin (das man auch mit alkoholfreiem Wein zubereiten kann). Und insbesondere die besser Gebildeten sind es leid, dass sie, wenn sie halal essen wollen, fast nur in einfache Kebablokale gehen können, während ihre Arbeitskollegen es sich in Gourmet-Restaurants gut gehen lassen können.

Andere Länder sind weiter

In England und den USA ist die Gastro-Szene da schon einen deutlichen Schritt weiter: Mehr und mehr englische Restaurants bieten auch Speisen an, die nach den muslimischen Speisevorschriften entsprechend zubereitet werden (eine eigene Website gibt dazu entsprechende Restaurant-Tipps). Ein anderes Unternehmen bietet klassische englische Gerichte als Kühl-Kost mit Halal-Zertifizierung an.

Und in New York und San Francisco erfreuen sich Halal-Restaurants und Food Trucks auch bei nicht-muslimischen Gästen einer wachsenden Beliebtheit: Nicht nur, weil da häufig gut gekocht wird, sondern weil Konsumenten „halal“ auch als Qualitätsausweis verstehen: Fleisch, das nicht aus Betrieben der Fleischindustrie stammt. Und zumindest für die Lämmer aus der Willowbrook Farm trifft dies voll zu: Englands erster Bio-Bauer mit Halal-Zertifikat.

Neue kulinarische Perspektiven durch halal

So gesehen kann die aktuelle Flüchtlingskrise auch in Deutschland und Österreich neue kulinarische Perspektiven eröffnen. 

Ein Großteil der vielen Flüchtlinge aus Syrien stammt aus der Mittel- und Oberschicht. Wenn sie einmal hier Fuß gefasst haben, ihren Jobs als Arzt, Bankkaufmann und Anwalt nachgehen können, wollen sie – wie einst in ihrer alten Heimat – auch wieder gut essen. Oder sie eröffnen selbst Restaurants, in die auch wir gerne einkehren. Als Christen oder Atheisten dürfen wir uns ja auch Halal-Speisen schmecken lassen.

Hanni Rützler 


Was bedeutet "halal"?

Unter dem Begriff Halal-Food (erlaubtes Lebensmittel) versteht man Lebensmittel, die nach islamischen Speiseregeln hergestellt werden. Welche Speisen nach muslimischem Glauben erlaubt oder verboten („haram“) sind, bestimmt der Koran: Generell tabu sind Aas, Blut, Schweinefleisch und Berauschendes wie Alkohol. Als „halal“ gelten grundsätzlich alle pflanzlichen Lebensmittel, ausgenommen solche, welche berauschend oder toxisch sind.

Ein wichtiger Bestandteil von "halal" ist die Art, wie das Tier geschlachtet wird: Das Tier wird durch einen einzigen tiefen Schnitt durch die Halsschlagader, die Luft- und Speiseröhre getötet, wodurch es ausblutet. Diese Art der Schlachtung nennt man auch schächten. Nach muslimischer Tradition müssen sowohl der Schlachter als auch das Tier in Richtung Mekka gerichtet sein. Vor dem Schächten bittet der Schlachter Gott um Erlaubnis, in seinem Namen schlachten zu dürfen.

In Deutschland verbietet das Tierschutzgesetz das rituelle Schächten. „Ein warmblütiges Tier darf nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs zum Zweck des Schlachtens betäubt worden ist“, heißt es in Paragraf 4 des Gesetzes.

Als Kompromiss zwischen konventioneller und ritueller Schlachtung hat sich eine Kurzzeit-Betäubung mit anschließendem Ausbluten etabliert. Wie dies vonstatten geht, lässt sich beispielsweise im ausführlichen halal-Zertifikat des norddeutschen Landschlachthofes "Hof am Meer" nachlesen. 

Eine spannende Reportage über einen norddeutschen Betrieb, der halal schlachtet, haben die Kollegen der NWZ geschrieben. 

(mit Informationen des aid)