Nicht Fisch, nicht Fleisch?
Gemüse ist das neue Fleisch! So lautet der Slogan vegetarischer Gourmets. Im Windschatten des Veggie-Hypes tut sich aber auch viel Neues jenseits von rein pflanzlicher Kost, weiß Food-Trendexpertin Hanni Rützler.
Smarte Esser, die gesunde Ernährung nicht mit generellem Fleischverzicht gleichsetzen, heißen auf Neudeutsch „Flexitarier“. Sie genießen die neue Vielfalt und Qualität vegetarischer Gerichte, die sich Hand in Hand mit dem Boom der Gemüsekochbücher und dem Paradigmenwechsel in der Top-Gastronomie auch in deutschen und österreichischen Küchen breit machen. Das heißt, sie halten ihren gesunden Speiseplan so flexibel, dass sie – wenn sie Zugang zu Früchten des Meeres, der Wälder und der Weiden in guter Qualität haben – sich auch diese munden lassen. Sie sind dabei auch das, was die Sozialforschung mit dem Begriff „Prosumenten“ bezeichnet: Kunden, die nicht nur konsumieren, was ihnen angeboten wird, sondern die die Art und Weise des persönlichen Konsums bewusst – als Teil ihres Lebensstils auch nach sozialen, ökologischen und ethnischen Kriterien – gestalten und damit auch Einfluss auf die Produktion nehmen.
Bei der Wahl tierischer Lebensmittel ist dies eine besondere Herausforderung. Aber flexible Genießer finden heute immer mehr Möglichkeiten, ihren reduzierten Konsum tierischer Produkte mit hoher Qualität zu kompensieren – und damit Gesundheit und Genuss zu steigern! Erstens beim Haushaltsbudget nach der einfachen Rechnung: Wenn ich 50% weniger Fisch und Fleisch esse, dürfen die Produkte, die ich kaufe, auch deutlich mehr kosten (und Qualitätsprodukte haben ihren Preis!). Und zweitens durch das wachsende Angebot überzeugender Alternativen.
Drei Beispiele, die wegweisend für die Zukunft der biologischen Nutztierhaltung sind, möchte ich Ihnen heute vorstellen: eines aus Österreich, eines aus Slowenien und eines aus Deutschland.
Das von „Ja! Natürlich“ (der Biomarke der österreichischen REWE-Gruppe) gemeinsam mit der Tierschutzorganistion „Vier Pfoten“ auf die Beine gestellte Projekt „Haushuhn & Gockelhahn“, bei dem Henne und Hahn aufgezogen werden: Die Hennen legen die Eier und die Gockel (die in der modernen Geflügelzucht üblicherweise nach dem Schlüpfen getötet werden) werden schonend gemästet und dienen Gourmets später als ideale Basis für einen Kücherklassiker: Coq au Vin! Voraussetzung dafür ist freilich, dass es sich bei der dafür (rück)gezüchteten Rasse um ein sogenanntes „Zweinutzungshuhn“ handelt, das nicht die Effizienz eines „eierlegender Turbohuhns“ aufweist.
Nicht auf Effizienz, sondern auf absolute Topqualität in Harmonie mit der Natur legt auch Irena Fonda bei ihrer Bio-Branzino-Zucht in der Slowenischen Adria wert. Die Fische werden nicht – wie bei intensiver Fischzucht üblich – in Betonbecken gehalten, sondern kreisen frei in den Meerwasserbecken, die statt durch Wände durch Netze begrenzt sind. Die Netze werden bloß mit der Hand und ohne Chemikalien gereinigt und Antibiotika haben in dieser Bio-Aquazucht absolut nichts verloren. Und die Fische haben Zeit. Bis zu fünf Jahren dürfen sie – bei wohldosierter Fütterung – heranwachsen.
Ein auf den ersten Blick exotisch klingendes Projekt verfolgen Falk und Andrea Selka mit ihrer Buffalo Ranch südlich von Leipzig. Die Brachflächen ehemaliger Tagebaue bieten ideale Voraussetzungen für die Zucht von Bisons, die gleichzeitig zu einer Renaturisierung der Industriebrachen führt. Die „Urrinder“, deren Fleisch sich durch einen deutliche geringeren Fettgehalt auszeichnet, werden ohne Hormone, Wachstumsstoffe, Antibiotika und Kraftfutter aufgezogen und grasen auch im Winter im Freien.
Bisonfleisch aus dem deutschen Osten, Bio-Wolfsbarsche aus der Adria und „Gockel“ aus Österreich sind natürlich – da viel zu selten und teuer – nichts für Menschen, denen täglich nach Fleisch gelüstet. Für Gourmets, die sich vorwiegend vegetarisch ernähren, aber ein Glücks- und Genussfall, um bei besonderen Gelegenheiten der Fleischeslust ohne schlechtem Gewissen zu frönen.
Ihre Hanni Rützler
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