Vegan for Omnivores | EAT SMARTER

Vegan for Omnivores

Von EAT SMARTER

Veganes kann sehr lecker sein! © snyfer - Fotolia.com Veganes kann sehr lecker sein! © snyfer - Fotolia.com

Food-Trendexpertin Hanni Rützler erklärt in ihrem Blog-Beitrag, wie Fleischliebhaber vom Trend zur fleischlosen Ernährung profitieren.

Kaum ein anderer Food-Trend der letzten Jahre hat so viele Emotionen ausgelöst wie der vegane. Vor allem im Internet – auf Blogs und einschlägigen Websites sowie in den Online-Foren diverser Tages- und Wochenzeitungen – werden zwischen veganen und nicht-veganen Essern regelrechte Glaubenskriege ausgefochten: Anhänger und Gegner der tierlosen Ernährungsweise schlagen dabei nicht selten weit unter der Gürtellinie – verbal – aufeinander ein. Dass man sich dabei manchmal an Religionskriege aus längst vergangenen Zeiten erinnert fühlt, ist nicht wirklich überraschend. Versuche, die jeweilige Gegenseite durch die Kraft der Argumente redlich zu überzeugen, sind wie bei einem Streit über Regionen oder auch politische Ideologien fast immer zum Scheitern verurteilt. Das sagt uns schon der berühmte Lehrsatz der klassischen Logik, wonach man mit jemanden, der bereits die Prinzipien des Gegenübers bestreitet, nicht diskutieren könne.

Am Höhepunkt der Hugenottenkriege in Frankreich, in denen sich im 16. Jahrhundert Katholiken und Protestanten im Streit um den richtigen Glauben dahingemetzelt haben, hat der Staatsrechtsgelehrte Jean Bodin mit einem fingierten, vom Geist der Toleranz und gegenseitiger Achtung getragenen Gespräch einen Lutheraner, einen Katholiken, einen Muslim, einen Juden und drei andere Religionsvertreter antreten lassen, die jeweils anderen von der Richtigkeit ihres religiösen Standpunkts zu überzeugen. Es ist – wie zu erwarten – keinem gelungen. Bodins Buch aber, das den schönen Titel „Siebenergespräch über die verborgenen Geheimnisse der erhabenen Dinge“ trägt, endet mit der optimistischen Botschaft: „Danach lebten sie in bewundernswertem Frieden miteinander. (…) Aber man sprach nie wieder von der Religion, und jeder blieb fest bei der seinen.“

Je mehr Restaurants auch vegane Gerichte auf ihren Speisenkarten haben – und dafür zeichnet sich zumindest in den Großstädten ein immer deutlicherer Trend ab –, desto leichter sollte das heute auch Fleischliebhabern und überzeugten Veganistas fallen. Die Gourmets unter den Omnivoren, den „Allesessern“, profitieren sogar vom Vegan-Trend, der – in seiner radikalen Ausprägung – eigentlich auch gegen sie gerichtet ist: Er erweitert ihr kulinarisches Angebot um genussvolle Gerichte aus Getreide, Obst und Gemüse. Vorausgesetzt natürlich, die veganen Köche und Köchinnen legen es nicht nur auf fleischlos an, sondern auch auf gut. So wie zum Beispiel Katharina Seiser mit ihrem neuen Kochbuch „Immer schon vegan“ (Brandstätter-Verlag, Wien 2015), das eine hervorragende Sammlung traditioneller veganer Rezepte jenseits gehypter „veganer Industrieprodukte“ bietet.

Rezepte, die vor allem aus den Küchen des Mittelmeerraums stammen, die im Unterschied zu zentral- und nordeuropäischen Küchen eine viel größere und auch kulinarisch überzeugendere Vielfalt an fleischlosen Gerichten aufweisen. Denn um das Fleisch auf unseren Tellern zu kompensieren, reicht es nicht, nur die Kartoffel- und Nudelmenge zu erhöhen oder kulinarisch weitgehend unbefriedigende Fleischersatzprodukte zu konsumieren. Dazu braucht es vor allem inspirierter Köche, die vegetabile Ausgangsprodukte in abwechslungsreiche Gaumensensationen verwandeln. Der Vegan-Trend kann unsere Gastronomie in diese Richtung befeuern – nicht nur zur Freude der Tierschützer, sondern auch aller genießender Allesesser.

Ihre Hanni Rützler