Ist Milch schädlich? | EAT SMARTER

Ist Milch schädlich?

Von Prof. Dr. med Thomas Kurscheid

Die Bildzeitung titelte vor ein paar Tagen: „Drei Gläser Milch am Tag können tödlich sein“. Stimmt das? Ist die Aufregung berechtigt? Milch ist doch angeblich gut für unsere Knochen und Muskeln, denn sie enthält wertvolles Calcium und Eiweiß.

Zur Vorbeugung von Osteoporose (Knochenentkalkung) wird daher empfohlen, reichlich Milchprodukte zu konsumieren. Diese Leitlinienempfehlung wird durch eine Beobachtungsstudie aus Schweden nun teilweise infrage gestellt: Mit steigendem Milchkonsum hatten Männer nicht weniger Knochenbrüche, Frauen erlitten diese sogar häufiger. Ausserdem erhöhte sich bei beiden Geschlechtern auch noch die Sterblichkeit mit der Milchmenge. Fermentierte Milchprodukte (d.h. durch z.B. Milchsäurebakterien veränderte) wie Joghurt, Käse und Quark waren jedoch mit niedrigeren Fraktur- und Sterberaten assoziiert.

Die Studie (Quelle unten) beruht auf den vor und während der Untersuchung erhobenen Daten von 61.433 Frauen im Alter von 39 bis 74 (Swedish Mammography Cohort) und 45.339 Männern von 45 bis 79 Jahren (Cohort of Swedish Men). Sie hatten ihre Ernährungsgewohnheiten in Fragebögen dokumentiert und waren über 22 bzw. 13 Jahre nachverfolgt worden.

Vermehrt Knochenbrüche bei Frauen

Bei Frauen zeigte sich, dass die Sterbe- als auch mit der Frakturrate mit dem Milchkonsum stieg: Mit jedem Glas Milch mehr auf dem täglichen Speiseplan erhöhte sich die Sterberate insgesamt um 15% und die Sterblichkeit durch herzkreislaufbedingte Ursachen bzw. Krebs um 15% bzw. 7%. Bei Frauen, die täglich mindestens drei Gläser Milch leerten, lag die Sterblichkeit im Beobachtungszeitraum um 93% höher als bei Frauen, die es auf weniger als ein Glas am Tag brachten. Fakturen traten bei dem hohen Milchkonsum um 16% und Hüftfrakturen um 60% häufiger auf.

Bei Männern, die viel Milch tranken, war ebenfalls ein Anstieg der Sterblichkeit zu erkennen, allerdings in geringerem Maß als bei Frauen: Mit mindestens drei Gläsern Milch am Tag war die Mortalität um 10% höher als bei weniger als einem Glas. Frakturen generell und Hüftfrakturen im Speziellen wurden bei Männern durch den Milchkonsum nicht beeinflusst.

Woran könnte dieser Milcheffekt liegen?

Im Gegensatz zu Milch beobachtete man bei anderen fermentierten Milchprodukten wie Joghurt, Quark und Käse ein reduziertes Sterbe- und Frakturrisiko. Die Risikosenkung war allerdings bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern.

Für den beobachteten schädlichen Effekt von Milch im Gegensatz zu fermentierten Milchprodukten machen die Studienautoren um Karl Michaëlsson von der Universität in Uppsala das Molekül D-Galactose verantwortlich. Milch ist die Hauptquelle für diesen Zucker, der chemischer Bestandteil des Milchzuckers ist. Die Konzentration in Joghurt und Käse ist durch den Stoffwechselprozess der darin enthaltenen (guten) Bakterien erheblich geringer. D-Galactose beschleunigt im Tierversuch die Alterung, da es zu Schwächung der Immunabwehr und chronischen Entzündungen kommt. Dementsprechend konnten in der Schwedischen Studie auch erhöhte Entzündungsparameter bei Milchkonsum nachgewiesen werden.

Was heißt das für den Milchliebhaber?

Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, lässt sich nicht belegen, dass der Milchkonsum tatsächlich die Ursache für den Anstieg von Mortalität und Frakturen ist. Sogar ein umgekehrter Zusammenhang kann nicht ausgeschlossen werden – dass Menschen viel Milch tranken, weil bei ihnen ein zuvor erhöhtes Osteoporoserisiko erkannt wurde, sie also mit dem Michkonsum erst begannen, als die Osteoporose schon da war. Allerdings würde das der Beobachtung der Studie widersprechen, dass der Verzehr von fermentierten Milchprodukten mit einer geringeren Frakturrate einherging. Ich rate dennoch zur Vorsicht bei der Interpretation der Studienergebnisse. Denn wissenschaftlich bewiesen ist es erst, wenn sich die gleichen Ergebnisse in einer experimentellen Studie erneut zeigen.

Wenn Sie bis dahin lieber vorsichtshalber mal auf eine Alternative setzen wollen, dann können Sie auf Ziegen-, Schafs- oder Sojamilch ausweichen, die allerdings etwas teurer sind.

Ihr Dr. Kurscheid

basierend auf: Michaëlsson K et al. Milk intake and risk of mortality and fractures in women and men: cohort studies. BMJ 2014; 349: g6015; doi: 10.1136/bmj.g6015