Schlechte Ernährung rächt sich noch bei den Enkeln | EAT SMARTER

Schlechte Ernährung rächt sich noch bei den Enkeln

Von Lina Nagel

Stapel von weißem Toastbrot

Wer zu wenig Ballaststoffe zu sich nimmt, beeinflusst damit nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern auch die seiner Kinder und Enkel: Die Zahl der Darmbakterien reduziert sich von Generation zu Generation.

Dass man für eine gute Verdauung schön viele Ballaststoffe essen soll, weiß jeder, der sich auch nur ansatzweise mit guter Ernährung beschäftigt.

Denn Ballaststoffe, also unverdauliche Nahrungsanteile, machen nicht nur länger satt, sondern halten die Darmflora gesund. Eine intakte Darmflora mit einer großen Vielfalt an Bakterienstämmen wiederum schützt den menschlichen Körper vor Krankheiten und hilft, wichtige Nährstoffe aufzunehmen.

Vor allem in westlichen Ländern essen die meisten Menschen zu viel Fleisch und Weißmehlprodukte und zu wenig Obst, Gemüse und Vollkornprodukte, die wertvolle Ballaststoffe enthalten. So weit, so bekannt.

Welche dramatischen Folgen es aber haben kann, wenn die Nahrung weitgehend aus Nudeln, Toast, Salamipizza und anderen ernährungsphysiologisch bedenklichen Lebensmitteln besteht, haben nun amerikanische Forscher der Universität Stanford in einem Labor-Experiment herausgefunden:

Die Gruppe um das Forscherpaar Erica und Justin Sonnenburg setzte eine Gruppe Mäuse mit einer vermenschlichten Darmflora zunächst sechs Wochen auf eine ballaststoffarme Diät. Analysen des Mäusekotes ergaben, dass sich nach dieser Zeit die Vielfalt der Darmbakterien deutlich verringert hatte. Wieder auf ballaststoffreiche Kost umgestellt, erholte sich die Darmflora zwar, doch es stellte sich nicht mehr die Vielfalt wie vor Beginn des Experimentes ein.

Was allerdings noch mehr überrascht: Auch an den Kinder- und Enkelgenerationen wurde dieses Experiment durchgeführt. Von Generation zu Generation nahm die Vielfalt der Darmbakterien ab. In der vierten Generation erholte sich die Darmflora nach dem Umstellen auf ballaststoffreiche Kost nur noch sehr geringfügig. Nur durch eine Stuhl-Transplantation konnte die ursprüngliche Vielfalt wieder hergestellt werden.  

Urvölker haben eine andere Darmflora als Büromenschen

Vergleiche zwischen naturnah lebenden Völkern und Menschen aus Industrieländern hätten gezeigt, dass Erstere über eine wesentlich höhere Zahl und Vielfalt an Darmbakterien verfügten, sagte Forscher Justin Sonnenburg dem US-amerikanischen Magazin Nature. Die Frage sei nun, wie bedeutend der Verlust von Darmbakterien für die westliche Zivilisation sei und wie sehr aktuelle Phänomene wie Allergien und Unverträglichkeiten damit zusammenhingen. Die Ernährung sei eine wesentliche Stellschraube für die Darmflora, so Sonnenburg weiter; „Ballaststoffe sind sozusagen der Treibstoff für eine funktionierende Darmflora.“

Einige Bakterienstämme, ergänzt seine Frau Erica, seien in der westlichen Welt bereits ausgestorben. Es bleibe noch zu untersuchen, ob das Fehlen dieser „Ur-Stämme“ sich auf die Gesundheit der westlichen Welt auswirke und ob sich das Aussterben tatsächlich auf die ballaststoffarme Ernährung zurückführen lasse.

Aufgabe der Forschung sei es nun, Strategien zu entwickeln, um die Vielfalt der westlichen Darmvielfalt wieder zu erhöhen. Dazu sollen sowohl der Einfluss der Ballaststoffe als auch der Einfluss der in der westlichen Welt ausgestorbenen Bakterienstämme näher untersucht werden.

Auch wenn noch einiges an Forschung von Nöten ist, eine Sache steht fest. Sich ballaststoffreich zu ernähren, ist auf jeden Fall positiv für die Gesundheit. 

Doch was genau sind Ballaststoffe, und in welchen Lebensmitteln sind sie zu finden?

Das kleine ABC der Ballaststoffe

Bei Ballaststoffen handelt es sich um Gerüst- und Stützsubstanzen beziehungsweise unverdauliche Fasern aus pflanzlichen Lebensmitteln, die der Körper nicht zur Energiegewinnung nutzen kann.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen zwei Arten von Ballaststoffen: Lösliche Ballaststoffe stecken vor allem in Getreide und Hülsenfrüchten. Sie binden Flüssigkeit, quellen auf und vergrößern so ihr Volumen im Körper. Unlösliche Ballaststoffe sind besonders in Obst und Gemüse enthalten (dazu zählen zum Beispiel das Pektin in Äpfeln oder das Inulin aus bestimmten Gemüsen wie Topinambur.

Wichtig zu wissen: In tierischen Nahrungsmitteln kommen keine Ballaststoffe vor! Genau das ist ein wesentlicher Grund, warum Experten immer wieder betonen, dass wir möglichst reichlich Obst, Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte essen sollten. Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) lautet: 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag. Zum Vergleich: Ein Apfel enthält zum Beispiel 2,5 g Ballaststoffe. 

Als kleiner Anstoß, wie es gelingen kann, mehr Gemüse in den Speiseplan zu integrieren, sei der Artikel „Esst! Mehr! Gemüse!“ unserer Bloggerin Alexa Iwan empfohlen.

"Ballaststoff-Fahrplan" nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Empfehlung der DGE für Ballaststoffe

(Bildquelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung) 

(lin)