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Übergewicht: Braunes Fettgewebe aktivieren

Von EAT SMARTER

Braunes Fettgewebe gegen Übergewicht Braunes Fettgewebe gegen Übergewicht

Übergewicht fördert Diabetes Typ 2 und Herzkreislauferkrankungen – es sind die modernen Volksleiden. 2009 entdeckten Wissenschaftler braunes Fettgewebe als Verbündeten im Kampf gegen die Kilos. Neue Behandlungsmöglichkeiten brachten diese Erkenntnisse bislang aber nicht. Doch jetzt haben Forscher aus der Schweiz möglicherweise einen Ansatz gefunden, das braune Fettgewebe zu aktivieren und damit die Pfunde schmelzen zu lassen.

Für Diäthaltende ist es der Todfeind schlechthin – das Fett! Es wird konsequent vom Ernährungsplan gestrichen und im Fitnessstudio dagegen angekämpft. Doch Fett tritt im Körper nicht nur in Form von Speicherfett auf, sondern auch als braunes Fettgewebe. Im Gegensatz zu weißem Speicherfett hat braunes Fettgewebe die Aufgabe, Wärme zu produzieren und verbrennt dabei Kalorien. Lange Zeit glaubte man, dass nur Neugeborene eine bedeutsame Menge braunes Fettgewebe besitzen. Es schützt sie vor Unterkühlung, da sie sich noch nicht wie Erwachsene durch Bibbern warm halten können. Doch neueren medizinischen Erkenntnissen zu Folge, besitzen auch viele Erwachsene braunes Fettgewebe.

Was ist braunes Fettgewebe?

Für Babys sowie für Tiere im Winterschlaf ist braunes Fettgewebe überlebenswichtig. Es übernimmt die gesamte Wärmeregulation des Körpers. Während des Erwachsenwerdens, wird es immer weniger, bis nur noch Reste im Nacken- und Schulterbereich vorhanden sind. Verschiedene Studien kamen zu dem Schluss, dass ein Erwachsener etwa 50 g dieser Fettsorte behält. Frauen besitzen im Durchschnitt mehr als Männer und Dicke weniger als Dünne. Bei stark Übergewichtigen kann zum Teil kein braunes Fettgewebe mehr ausgemacht werden.

Die Besonderheit brauner Fettzellen ist die Vielzahl an Mitochondrien, die sie besitzen. Diese sind die Kraftwerke der Zellen. Durch sie werden Einfachzucker (Glukose) und Fettsäuren abgebaut und daraus Wärme produziert – ähnlich einer Heizung. 50 Gramm braunes Fettgewebe sollen bis zu 20 Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien verbrennen können. Auf ein Jahr gesehen könnte man somit bis zu acht Kilo verlieren. Inaktives weißes Fettgewebe hingegen entsteht durch zuviel Essen und zu wenig Sport und setzt sich lediglich als lästiges Fettpolster ab.

Molekül verhindert Bildung von braunem Fettgewebe

Eine Forschergruppe um Professor Markus Stoffel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat jetzt entdeckt, dass ein Molekül mit dem Namen miRNA-133 eine entscheidende Rolle bei der Regulierung der braunen Fettzellen spielt: Es verhindert nämlich die Bildung dieser Zellen!

INFO-KASTEN: miRNA-Therapie

Eine miRNA-Therapie basiert auf der Verwendung von Micro-Ribonukleinsäure-Molekülen (miRNA). Diese Moleküle sind Bestandteile der Ribonukleinsäure, die unterschiedliche Aufgaben bei der Umsetzung genetischer Informationen im Körper übernimmt. Die spezielle Aufgabe von Micro-RNA ist die Regulierung zellulärer Prozesse. Es gibt verschiedene miRNAs mit dementsprechend unterschiedlichen Aufgaben. Im Fall der miRNA-133 ist diese die Verhinderung der Bildung von braunen Fettzellen. Diese Art der Therapie wird zum Beispiel gegen Hepatitis C bereits am Patienten getestet.

Doch die Forscher fanden in Experimenten mit Mäusen auch heraus, dass miRNA-133 unter Kälteeinwirkung abgebaut wird. Das wiederum führt dazu, dass neues, braunes Fettgewebe entsteht und dadurch mehr Fett verbrannt werden kann. Um diesen Vorgang künstlich in Gang zu setzen, entwickelten die Wissenschaftler ein Molekül, welches das miRNA-133 blockieren soll – ein sogenanntes Antimir. Durch die Verabreichung des Antimirs soll die gleiche Wirkung wie durch Kälte erzielt werden.

Braunes Fettgewebe gegen Übergewicht?

Professor Stoffel kann sich vorstellen, blockierende Antimir bei Übergewichtigen einzusetzen, um braunes Fettgewebe zu aktivieren und den Stoffwechsel anzukurbeln. Hierfür müsste das Antimir aber chemisch so verändert werden, dass es stabil ist und vom Körper nicht sofort, ohne Wirkung zu entfalten, abgebaut wird.

Doch die Wissenschaftler weisen bereits auf einen Nachteil dieser möglichen Therapie hin. Denn miRNA-133 reguliert auch das Muskelwachstum. Eine Blockade könnte daher zu einer krankhaften Vergrößerung des Herzens führen, wenn das Antimir nicht in das braune Fettgewebe injiziert wird.

Eine Utopie ist diese Art von miRNA-Therapie schon heute aber nicht mehr. Ein Antimir gegen Hepatitis C befindet sich beispielsweise derzeit in der klinischen Testung.

Bislang ist allerdings noch nicht endgültig geklärt, wie braunes Fettgewebe und der Gesamtstoffwechsel des Menschen zusammenhängen. Das wäre aber nötig, um die Vision  der Forscher, mit miRNA-Therapie gegen Übergewicht vorzugehen, zu verwirklichen.

Daher bleiben trotz der neuen Erkenntnisse eine gesunde Ernährung und viel Bewegung erst einmal das "A und O" für Abnehmwillige.

(osw)