Spezielle Kindermilch: sinnvoll oder sinnlos? | EAT SMARTER

In der Kritik

Spezielle Kindermilch: sinnvoll oder sinnlos?

Von EAT SMARTER

Wie sinnvoll ist Kindermilch? © Serhiy Kobyakov - Fotolia.com Wie sinnvoll ist Kindermilch? © Serhiy Kobyakov - Fotolia.com

Mehr Vitamine und Mineralstoffe für eine gute geistige Entwicklung, weniger Eiweiß als Vorbeugung gegen späteres Übergewicht - speziell aufbereitete "Kindermilch" scheint eine tolle Sache zu sein. Doch Experten vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnen: Die scheinbaren Vorteile der Kindermilch sind eigentlich ein Nachteil.

Eins wissen wir ja alle: für ein gesundes Knochenwachstum und eine gute Entwicklung brauchen Kinder Milch, denn darin stecken reichlich Kalzium, Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe. Allerdings auch Fett, in Vollmilch immerhin 3,5 bis 3,8 Prozent. Das kann durchaus problematisch werden, wenn Kinder die von Ernährungsfachleuten empfohlene Menge Milch trinken: Das Forschungsinstitut für Kinderernährung empfiehlt pro Tag 350 bis 400 ml Milch, was etwa 12-14 g Fett entspricht. Isst das Kind weitere Milchprodukte wie Joghurt, Quark und Käse, kommen schnell große Fettmengen zusammen.

Ist Kindermilch ein passender Ersatz?

Da scheint es eine gute Idee zu sein, speziell für Kinder aufbereitete Kindermilch anzubieten: Alles, was gut für Kinder ist, wird der Kindermilch in hohen Dosen zugesetzt; was eher unerwünscht ist, wird der Kindermilch entzogen. Klingt erstmal vernünftig und sinnvoll – da zahlen wir doch gerne bis zu 244 Euro mehr pro Jahr. So viel kommt nämlich je nach Produkt an Mehrkosten im Vergleich zu Bio-Kuhmilch durchschnittlich zusammen, wie ein Vergleich der Verbraucherzentrale Hamburg unter dem Titel „Kostenfalle Kindermilch“ verrät.

Kindermilch ist nicht notwendig

Doch wer glaubt, seinem Kind mit der Kindermilch Gutes zu tun, liegt leider falsch. „Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind diese besonderen Kleinkindermilchgetränke nicht notwendig“, sagte Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bereits vor einem Jahr. Mehr noch: Kindermilch kann  im Gegenteil sogar Risiken mit sich bringen. Wie das BfR erklärt, kann der Zusatz von bestimmten Nährstoffen wie zum Beispiel Eisen und Zink zu einer Überversorgung führen, deren Folgen möglicherweise auf lange Sicht sogar schädlich sein könnten. Dafür liegt der Gehalt an wichtigen Nährstoffen wie zum Beispiel Kalzium und Vitamin B2 im Vergleich zu Kuhmilch meist niedriger. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit beanstandete gar 15 Kindermilchgetränke, weil "sie hinsichtlich der Zusammensetzung nicht an die Ernährungsbedürfnisse von Kleinkindern angepasst" seien.

Angepriesene Vorteile der Kindermilch sind nicht bewiesen

Auch eines der Hauptargumente der Hersteller von Kindermilch entkräften die Experten. Für die Behauptung, dass zu viele Proteine in der frühen Kindheit später zu Übergewicht führen und darum der reduzierte Eiweißgehalt in Kindermilch günstig sei, gibt es bislang keinen wissenschaftlichen Beweis. Und was ist mit dem Fettgehalt? Schließlich sind sich in diesem Punkt alle Experten einig: Zu viel Fett schadet Kindern und ist ein Risikofaktor für späteres Übergewicht. Doch ausgerechnet da hapert es bei den speziellen Kindermilchprodukten: Der Fettgehalt liegt in etwa bei dem von Vollmilch und in jedem Fall höher als bei fettreduzierter Milch. Das Fazit des BfR: Nichts spricht für spezielle Kindermilchprodukte, alles spricht hingegen für fettarme Kuhmilch mit 1,5 %. Sie enthält wie Vollmilch alle Nährstoffe, die dem Wachstum und der geistigen Entwicklung von Kindern nützen, aber rund 2 % Fett weniger. Und billiger ist sie sowieso.

Kindermilch: 15 Produkte werden beanstandet

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP beanstandet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit derzeit 15 Kindermilchprodukte. Die Produkte seien laut eines Prüfungsberichtes zwar sicher, sie seien aber "hinsichtlich der Zusammensetzung nicht an die Ernährungsbedürfnisse von Kleinkindern angepasst", meldete die Agentur am vergangenen Freitag. Die Hersteller müssen die Produkte nun entweder vom Markt nehmen oder sie dürfen die Kindermilch nicht mehr als Getränke für Kleinkinder vermarkten. Nach Angaben des Amtes sollen die Firmen die Anhörungs- bzw. Untersagungsbescheide in den nächsten Tagen zugestellt bekommen. (Koe)