Heißhunger: Warum man gierig wird | EAT SMARTER

Diätfeind Nummer 1

Heißhunger: Warum man gierig wird

Von EAT SMARTER

Endlich Hoffnung für Hungerleider! Forscher entdecken, welche Rolle der Kopf spielt, wenn der Magen vorzeitig knurrt. EAT SMARTER hilft Ihnen, mit kleinen Tricks die eigene Esslust wieder in figurfreundliche Bahnen zu lenken.

Hunger ist ein mächtiges Gefühl. Es hat Völker in den Krieg getrieben und Revolutionen angezettelt. Doch mit diesem urwüchsigen Trieb haben wir es längst nicht mehr zu tun. Heute quält uns eine neuzeitliche Variante: Heißhunger. Es ist das bohrende Verlangen immer weiter zu essen, obwohl der Magen voll ist und die Vorräte in den Fettzellen überquellen. Wer davon betroffen ist, weiß selbst nicht, warum er bis zum Gehtnichtmehr alles in sich hineinschaufelt.

Heißhunger: mangelnde Disziplin als Ursache?

Bis vor Kurzem waren sich Ernährungsexperten einig, dass die Betroffenen einfach "keine Disziplin" besitzen und somit an ihren Pfunden "selber schuld" seien. Oft wurde die Neigung zu Heißhunger auch als Negativfolge extremer Schlankheitskuren angesehen. Doch eine Zeit, in der Übergewicht weltweit zur Krankheit gerät und Hunderte von Millionen Menschen mehr essen, als ihnen guttut, erfordert bessere Erklärungen. Fortschrittliche Wissenschaftler vermuteten die Ursache für die haltlose Esslust und für Heißhunger schon lange im Gehirn und zwar in den Regionen, die für unsere Gefühle zuständig sind. Wenn wir etwas besonders Leckeres essen – mag es ein kross gebratenes Würstchen sein oder ein Stück Sahnetorte – empfinden wir wohlige Befriedigung, manchmal sogar Momente echter Glückseligkeit. Mit solch angenehmen Gefühlen belohnt uns das Gehirn für das lebenserhaltende Heranschaffen von Kalorien. Wie sehr man etwas genießt, hängt jedoch von der "Glücksdroge" Dopamin ab. Dieser Nervenbotenstoff löst pures Vergnügen aus - und nach diesem Kick sind wir alle ein bisschen süchtig.

Heißhunger beginnt im Kopf

Unser Kopf ist dabei viel schlauer als wir noch vor ein paar Jahren glauben wollten. Forscher vom Universitätsspital Lausanne konnten 2008 anhand von Gehirnströmen feststellen, dass unser Gehirn den Nährwert von Speisen blitzschnell einschätzt. Der Vorgang dauert weniger als 200 Millisekunden. Dabei reagiert es auf gehaltvolle, fettige Sachen anders als auf "gesunde", magere Nahrung. Pizza löste im Kopf Heißhunger und wahre Freudenfeuer aus, Spinat ließ die grauen Zellen dagegen eher kalt. Es gibt nur wenige Lebensmittel, die das Gehirn so sehr entzücken wie Schokolade. Deshalb ist die zartschmelzende Süßigkeit für Forscher ein ideales Mittel, die Belohnungssysteme des Gehirns zu studieren. Eric Stice, Psychologieprofessor am US-amerikanischen Oregon Research Institute, entwickelte zusammen mit Kollegen und Hirnspezialisten der Yale Universität eine besonders raffinierte Methode, unseren grauen Zellen auf die Schliche zu kommen. Die Forscher gaben jungen Frauen Trinkschokolade mit einem Strohhalm und beobachteten per Hightech-Scanner, was im Gehirn der Testpersonen passiert. Einige Frauen waren schlank, andere übergewichtig – und ein kleiner Teil von ihnen trug ein Gen in sich, das die Gehirnzellen gegen Dopamin unempfindlich macht.

Heißhunger: Vorfreude ist die schönste Freude?

Was passierte? Das Belohnungszentrum von stark übergewichtigen Frauen wurde bereits bei der Ankündigung des Schokodrinks hoch aktiv. Es reagierte nach dem Motto: "Vorfreude ist die schönste Freude", stärker als das der Normalgewichtigen. Später beim Trinken blieb die Reaktion ihres Belohnungszentrums jedoch weit hinter dem von schlanken Frauen zurück. Die Testpersonen mit der für Dopamin unempfindlichen Genvariante genossen ihren Drink am wenigsten. Das heißt: Übergewichtige erfreuen sich am Essen offenbar nicht mehr, sondern weniger als schlanke Menschen. Ihr Belohnungssystem ist von der täglichen Überflutung mit hochkalorischer Kost abgestumpft und die beflügelnde Wirkung des Dopamins kommt kaum zum Tragen. Die Folgen sind dramatisch: Der Gegensatz von großer Vorfreude und geringer Befriedigung - so die Forscher - bringt die Betroffenen dazu, immer mehr zu essen, um überhaupt etwas zu spüren. "Es ist die erste Studie, die dies nachweist", sagt Eric Stice und empfiehlt als Therapie den totalen Entzug. Wer also auf Schokolade oder Schweinebraten steht, sollte nicht versuchen, den Konsum einzuschränken, sondern lieber für eine Zeit ganz verzichten. Nach einer Weile der Abstinenz wird das Belohnungssystem wieder empfindsamer und der Kopf reagiert mit großer Freude auf kleine Sünden.