Hybrid Food – die Demokratisierung der Küche | EAT SMARTER

Hybrid Food – die Demokratisierung der Küche

Von EAT SMARTER

Auch Ceviche kann „Hybrid-Food“ sein. Auch Ceviche kann „Hybrid-Food“ sein.

Wenn die Temperaturen allmählich sinken, blicken die Deutschen sehnsüchtig nach Süden. Nicht nur zu den Stränden von Mallorca, Patara oder der Algarve. Sie blicken auch in die mediterranen und levantinischen Kochbücher. Und in Zukunft auch immer mehr in die (nun zum Teil auch schon auf deutsch vorliegenden) Rezeptsammlungen der „Cocina Novoandina“, der neuen lateinamerikanischen Küche.

Denn wenn die Temperaturen steigen, empfinden wir viele der klassischen Gerichte aus den Küchen nördlich der Alpen oft als zu schwer und zu üppig. Statt Eisbein greifen wir zu Tomaten-Ruccola-Salat, statt Wiener Schnitzel zu Falafel mit Humus und statt dem Hähnchen-Eintopf zur eisgekühlten Gazpacho. Und wer seine Gäste mit trendigen Rezepten verwöhnen möchte, serviert diesen Sommer Ceviche.

Ursprünglich aus Peru stammend, ist Ceviche mittlerweile ein in weiten Teilen Lateinamerikas verbreitetes Gericht mit vielen lokalen Varianten. Hauptbestandteil ist roher, in aromatisiertem Limettensaft marinierter – also kalt gegarter – Fisch, der häufig mit geröstetem Mais oder Süßkartoffeln serviert wird. Das „Sushi der Anden“ trifft auch den – von der japanischen Küche längst an rohen Fisch gewöhnten – europäischen Geschmack. Und weil die Maissorten, die man in den Anden dafür verwendet, bei uns meist (noch) nicht erhältlich sind, experimentieren Köche hierzulande auch mit ganz anderen Zutaten. Und natürlich mit anderen Fischen.

Dass dem Mixen, Mischen und Kreuzen in der Küche nicht bloß im Sommer keine Grenzen mehr gesetzt sind, ist die kulinarische Folge der Globalisierung. Und zugleich ein Ausdruck der Demokratisierung der Küchen, die lange im Regel-Korsett nationaler Hochküchen (insbesondere der französischen) erstarrt sind. Hybrid Food, so lautet der Trend der Küchenemanzipation von überholten Regeln und beschränkter Lebensmittel-, Arten- und Sortenvielfalt.

Ob Mangos aus Indien, Tonkabohnen aus Südamerika oder Thai-Basilikum, Koriander und Kafirblätter – immer mehr exotische Produkte stehen auch im Supermarkt um die Ecke allen zur Verfügung. Und seit die Küchen aus aller Welt in den Metropolen gleichberechtigt nebeneinander existieren, muss nichts mehr so gemacht werden, wie man es immer gemacht hat. Obst darf mit Gemüse kombiniert werden, Fisch mit Fleisch, Süßes mit Salzigem, Warmes mit Kaltem, asiatische Gewürze mit europäischen Spezialitäten.

Dass nun ausgerechnet die lateinamerikanischen Küchen aus dem Schatten der großen Weltküchen treten, ist eine weitere Folge des Hybrid Food-Trends. Denn in den Einwanderungsländern Südamerikas hat das „Mash Up“ in der Küche schon eine lange Tradition: Spätestens seit dem 19. Jahrhundert wurde die Andenküche nicht nur von der immensen natürlichen Vielfalt an Produkten geprägt, sondern auch von indianischen, spanischen, japanischen und chinesischen Kochtraditionen.

Noch sind viele autochthone Kartoffel-, Getreide- und Gemüsesorten, die in der „Cocina Novoandina“ eine Rolle spielen, auf dem europäischen Markt nicht zu haben. Von ihren Rezepturen und dem ihnen innewohnenden Geist kann man sich dennoch inspirieren lassen: Man mische sie – der Hybrid Food Logik entsprechend – einfach mit heimischen Produkten oder mit den „Pseudogetreide-Arten“ der peruanischen und chilenischen Küche (z.B. Amarant, Quinoa, Kaniwa), die auch bei uns schon fast überall erhältlich sind. Sie zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Nährstoffdichte aus, sondern sind auch für Menschen mit Glutenunverträglichkeit geeignet.

Das ist, so gesehen, noch ein weiterer Aspekt der „Demokratisierung“, den der Hybrid Food Trend mit sich bringt.

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Ihre Hanni Rützler