Wieso soll Gemüse aussehen wie Fleisch? | EAT SMARTER

Wieso soll Gemüse aussehen wie Fleisch?

Von Lina Nagel

Burger mit vegetarischem Pattie

Warum Fleischersatzprodukte für Vegetarier und Veganer weder besonders gesund noch ökologisch sind.

Gestern Mittag aß ich mit meinen Kollegen in einem dieser Szene-Restaurants, auf deren Karte Spätzle, Knödel und Burger stehen. Ich bestellte einen vegetarischen Burger und bekam ein Brötchen mit einem vor Fett triefenden Pattie aus Seitan, das dennoch fad schmeckte. 

Viel schöner, gesünder und weniger fettig wäre es gewesen, einige Portobello-Pilze, gegrillte Zucchini- oder Auberginenscheiben auf den Burger zu legen. Doch leider hat vegetarische und vegane Kost oft den Anspruch, Fleischgerichten sowohl in der Form als auch geschmacklich nachzueifern. Das trifft anscheinend den Geschmack der Menschen, die sich entschlossen haben, auf Fleisch oder komplett auf tierische Produkte zu verzichten. 

Ein befreundetes Pärchen, das vegan lebt, bestellt sich jedes Jahr zu Weihnachten einen veganen Braten, "der genau so schmeckt wie echter Braten". Sie bestellen diesen veganen Braten in den USA, denn dort gäbe es die besten Produkte. Ich frage mich, ob der ökologische Fußabdruck nicht geringer wäre, wenn sie ein Stück ökologisch erzeugtes Fleisch aus der Region kauften, anstatt ein Stück Ersatz-Fleisch von einem Kontinent auf den anderen zu schaffen, nur um die seit Kindesbeinen antrainierte Vorliebe "Weihnachten = Deftiges" zu befriedigen. 

Zugegeben, dieses Beispiel ist krass, und nicht jedes vegetarische oder vegane Ersatzprodukt hat einen so weiten Weg hinter sich wie der Weihnachtsbraten aus den USA. Doch dass Fleischersatzprodukte ökologischer und gesünder sind als ihr "reales" Pendant, ist ein Trugschluss: Sie sind hoch verarbeitet und verbrauchen in der Herstellung viel Energie. Bleiben wir bei dem Beispiel des Weihnachtsbratens: In einem exemplarisch herausgegriffenen Produkt stecken laut Liste der Inhaltsstoffe "Wasser, Weizeneiweiß (29%), Kokosfett, Zwiebeln, Sonnenblumenöl, Hefeextrakt, Salz, Reismehl, Erbseneiweiß, Maisstärke, Verdickungsmittel: Guarkernmehl und Johannisbrotkernmehl, Aromen, Gewürze, Verdickungsmittel Xanthan, Paprika, Weizenstärke, Farbstoff: Eisenoxid, natürlicher Buchenholzrauch". Puh, ganz schön viele Inhaltsstoffe, dank derer der Kloß aus Weizeneiweiß und Verdickungsmitteln schmeckt wie einst Omas Sonntagsbraten. 

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bewundere den Einfallsreichtum, mit dem Köche und Food-Blogger klassische Rezepte veganisieren und zum Beispiel aus Cashewnüssen einen Frischkäse-ähnlichen Brotaufstrich herstellen. Oder Würstchen, die schmecken wie Wienerle. Da unsere kulinarischen Vorlieben in der Kindheit geprägt werden, ist es nur natürlich, dass auch Vegetarier und Veganer den Geschmack von bestimmten Gerichten mit Fleisch oder tierischen Produkten saulecker finden. Und natürlich ist es in Ordnung, diesen Appetit nach einem ganz bestimmten Geschmack mit Ersatzprodukten zu stillen. 

Doch auch Vegetarier und Veganer sollten auf möglichst unverarbeitete Lebensmittel setzen. Das ist besser für die Umwelt und für den Körper. Ein Lebensmittel, das vegetarisch oder vegan ist, ist nicht automatisch besser. 

Es gibt so viele tolle Obst- und Gemüsesorten, eine Fülle von Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten – wieso toben wir uns nicht an dieser Vielfalt aus, anstatt Omas Schweinebraten oder eben die Burger-Bulette zu imitieren?