September 2019, Universität von São Paulo, Brasilien

Darum sollten Eltern unbedingt kochen lernen

Von Cornelia Brammen
Aktualisiert am 27. Okt. 2021

Je mehr Eltern mit frischen, unbearbeiteten Lebensmitteln kochen, desto gesünder ernähren sich auch ihre Kinder. Wichtig ist das Vertrauen der Eltern in ihre Kochfähigkeiten. Nimmt es ab oder ist es gar nicht erst vorhanden, steigt der Fast-Food-Anteil bei den gemeinsamen Mahlzeiten.

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Worum ging es bei dieser Studie?

  • Essen spielt eine wichtige Rolle bei der Identitätsfindung. Es spiegelt kulturelle Eigenheiten von Gesellschaften wider und ist eng verbunden mit Gesundheit oder dem Entstehen von Krankheiten
  • Seit vielen Jahren schon nimmt der Anteil an hochverarbeiteten Nahrungsbestandteilen kontinuierlich zu. Convenience-Food ist industriell hergestellt, haltbar verpackt und muss höchstens noch warm gemacht werden. Sind hochverarbeitete Nahrungsmittel Hauptbestandteil der täglichen Energieaufnahme, führt das zu Übergewicht und chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Arteriosklerose und bei Kindern unter anderem zu Konzentrationsproblemen.
  • Dass immer weniger Menschen wirklich kochen können, wurde inzwischen von der Politik als gesellschaftliches Problem erkannt. Die Rolle der Eltern spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie Ihren Kindern gesunde Ernährung beibringen sollten. Bisher gab es dazu nur Studien in Ländern mit einem hohen Bruttosozialprodukt. Diese Studie aus São Paulo nimmt Brasilien, einem Land mit enormen wirtschaftlichen Problemen, genauer unter die Lupe. 

Wie lautet die zentrale Forschungsfrage?

  • Essen Kinder von Eltern, die ein großes Vertrauen in ihre eigenen Kochfähigkeiten haben, weniger Fast Food als Kinder von Eltern mit wenig Vetrauen? 

Wie viele Probanden nahmen teil?

  • Untersucht wurden 654 Eltern-Kind-Paare. Die sechs- bis neunjährigen Kinder besuchen eine von neun Privatschulen in und um São Paulo.

Welche Methode wurde angewandt?

  • Es handelt sich um eine Querschnittsstudie.
  • Alle Eltern-Kind-Paare der neun Privatschulen (Klassenstufen 1 bis 4) wurden aufgefordert, an der Studie teilzunehmen. Familien, in denen die Eltern die Ernährung des Kindes an eine Haushälterin oder Nanny abgegeben haben, wurden ausgeschlossen.
  • Die Forscher ließen jeweils zwei Telefoninterviews mit dem versorgenden Elternteil durchführen. Im ersten ging es um soziodemografische Angaben, im zweiten um Angaben zum Vertrauen in die Kochfähigkeiten der Eltern. Basis für diesen zweiten Teil war der Cooking-Skill-Index nach Monteiro, Cannon, Levy, der das Vertrauen in zehn Fähigkeiten mit einer Skala von 0 bis 3 abfragt. Ein Beispiel: Wie groß ist Ihr Vertrauen in die Fähigkeit, eine Tomatensauce nur aus natürlichen Zutaten zu kochen? Antwortmöglichkeiten: 0 – Ich habe kein Vertrauen, 1 – Wenig Vertrauen, 2 – Vertrauen und 3 – Viel Vertrauen.
  • Um Daten über die Nahrungsaufnahme der Kinder zu erhalten, füllten die Eltern zwei Ernährungsprotokolle aus, die auf dem NOVA-Food-Klassifikationssystem beruhten. Zentrale Frage in diesem Cluster: Wurde das Essen für Ihr Kind bei Ihnen daheim gekocht oder wurde es fertig geliefert?
  • Das NOVA-System unterteilt Nahrung in vier Gruppen: 1. Unbearbeitete oder nur minimal bearbeitete Lebensmittel wie Reis, Bohnen, Fleisch, Früchte, Gemüse. 2. Bearbeitete Kochzutaten wie Öle, Zucker, Honig. 3. Bearbeitete Lebensmittel wie Käse, Dosengemüse, Hülsenfrüchte und Fisch mit Salz, Öl, Zucker, gesalzenes und geräuchertes Fleisch. 4. Hochverarbeitete Nahrung wie Pizza, Soft-Drinks, Würstchen, Instant-Nudeln, Gebäck, Cornflakes, Eis, Bonbons, Pudding.   

Gesunde Rezepte für Kinder

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

  • Die Ernährungs-Verantwortlichen in den Familien waren hauptsächlich verheiratete Frauen (93,6 Prozent) zwischen 31 und 41 Jahren mit einem mittleren Bildungsabschluss, festangestellt und mit einem mittleren Haushaltsnetto-Einkommen.    
  • Alle befragten Eltern zeigten ein hohes Niveau an Vertrauen in die eigenen Kochfähigkeiten. Sie trauten sich zu, ein einfaches Rezept nachzukochen, eine Suppe ein Ofen- und ein Bohnengericht zuzubereiten, sowie Fleisch zu grillen. Ausnahme: Das Zubereiten einer Tomatensauce trauten sich deutlich weniger Eltern zu.
  • Im Mittelpunkt der Untersuchung stand das Abendessen, in Brasilien traditionell ein warmes Gericht, das mit der Familie eingenommen wird. Die Kinder in den befragten Familien nahmen im Durchschnitt ein Drittel der Kalorien beim Abendessen aus hochverarbeiteten Nahrungsmitteln zu sich, darunter vor allem zuckerhaltige Getränke und Süßigkeiten.
  • Je höher das Vertrauen der Eltern in ihre Kochkünste, desto weniger hochverarbeitete Nahrungsmittel nahmen die Kinder beim Abendessen zu sich und somit wird den Kindern automatisch eine gesunde Ernährung beigebracht.

Wer hat die Studie finanziert und durchgeführt?

  • Geld für die Untersuchung kam von der São Paulo Studien-Stiftung für Promotions-Stipendien.
  • An der Studie beteiligt waren das Zentrum für Epidemiologische Forschung zu Ernährung und Gesundheit sowie das Institut für Ernährung und das Institut für Präventiv-Medizin der Universität von São Paulo. 

Wo ist die Original-Studie zu finden?


BEGRIFFE: Was ist/sind eigentlich...?


Wie bewertet EAT SMARTER diese Studie?

  • Spezielle Untersuchungsgruppe: Zum ersten Mal ist der Zusammenhang zwischen Fast-Food-Verzehr bei Kindern und den Kochfähigkeiten von Eltern in einem Schwellenland und nicht in einer der führenden Industrienationen durchgeführt worden. Die Ergebnisse der Studie fallen ähnlich aus wie bei analogen Studien in den USA, Großbritannien oder Kanada. Allerdings hat das brasilianische Forscherteam mit einer priviligierten Gruppe gearbeitet: Eltern, die ihre Kinder auf eine Privatschule schicken können. Die Wahrscheinlichkeit, dass in anderen Bevölkerungsgruppen das gleiche Ergebnis herauskommen würde, ist groß. Das zeigen die Untersuchungsergebnisse aus anderen Ländern.
  • Handlungsempfehlung für staatliche Programme: Noch spielt Kochen in brasilianischen Familien eine große Rolle. Frische Lebensmittel sind günstig, Fast Food ist teuer. Kochen als Kulturtechnik für einen gesunden Lebenstil zu promoten und Eltern darin zu unterstützen, ihren Kindern diesen Lifestyle zu vermitteln also eine gesunde Ernährung beizubringen, sollte aus Sicht der brasilianischen ForscherInnen Ziel von staatlichen Programmen sein. Die simple Botschaft: Gemeinsam kochen in der Familie ist gesund.
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