Essen wir die Meere leer? – Faktencheck Fisch
Zwischen Schlagzeilen, Social-Media-Posts und Halbwahrheiten wird es immer schwieriger, Fakten von Meinungen zu trennen. Besonders deutlich zeigt sich das beim Thema Ernährung – vor allem auch beim Thema Fischkonsum. Wir nehmen die gängigsten Mythen rund um Fisch, Meeresfrüchte, Fischerei und Aquakultur unter die Lupe und liefern wissenschaftlich fundierte Antworten.
Inhaltsverzeichnis
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Check deinen Fisch – wir checken die Mythen!
- Mythos 1: Nachhaltige Fischerei und Aquakultur sind gar nicht möglich
- Mythos 2: Fischkonsum ist grundsätzlich klimaschädlich
- Mythos 3: Ohne Fischerei und Aquakultur wären die Meere besser dran
- Mythos 4: 90 Prozent der Fischbestände sind überfischt
- Mythos 5: Zuchtfisch ist voll mit Antibiotika
- Mythos 6: In Norddeutschland kommt der Fisch meist direkt vom Kutter
- Mythos 7: Siegel sind nur Greenwashing
- Fazit
- Unser Cook & Talk
Wir leben in einer Zeit, in der Informationen jederzeit und überall verfügbar sind. Doch in dieser Flut an News, Schlagzeilen und Social-Media-Posts fällt es zunehmend schwer, den Überblick zu behalten. Häufig bleiben Halbwahrheiten oder zugespitzte Behauptungen hängen – vor allem dann, wenn sie unser Weltbild bestätigen. Ob sie stimmen, wird dabei selten geprüft.
Ein Thema, das besonders emotional diskutiert wird, ist die „richtige“ Ernährung. Was ist gesund? Was ist nachhaltig? Was ist moralisch vertretbar? Entsprechend hitzig wird über Lebensmittel gestritten – insbesondere auch über Fisch. Kaum ein anderes Thema ist so stark geprägt von persönlichen Überzeugungen, Ängsten und Widersprüchen wie der Fischkonsum. Längst von Fakten überholt, halten sich viele Mythen hartnäckig.
Aber vorweg: Ja, die Meere sind in einer Krise. Sie stehen unter großem Druck und brauchen dringend Schutz. Doch die Situation ist komplex und einfache Wahrheiten gibt es selten. Alarmismus hilft nicht weiter. Denn eines ist klar: Die globale Lebensmittelproduktion ist einer der größten Umweltfaktoren überhaupt. Rund 37 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus dem Ernährungssystem, das ist mehr als ein Drittel. Gleichzeitig wächst die Weltpopulation weiterhin stark an und mit ihr der Bedarf nach noch mehr Lebensmitteln.
Die gute Nachricht: Wir können etwas daran ändern. Was wir essen – und wie es produziert wurde – beeinflusst Klima und Umwelt direkt. Beim Thema Fischkonsum heißt das: Wer sich für Fisch mit dem MSC-Siegel (nachhaltige Fischerei) oder dem ASC-Siegel (verantwortungsvolle Aquakultur) entscheidet, kann mit jeder Mahlzeit einen Beitrag leisten – für sich selbst und unseren Planeten.
Check deinen Fisch – wir checken die Mythen!
Die Kampagne „Check deinen Fisch!“ der gemeinnützigen Organisationen ASC und MSC macht sich für nachhaltigen Fischkonsum stark. Sie ruft dazu auf, beim Einkauf gezielt auf die ASC- und MSC-Siegel zu achten, als verlässliche Orientierung für Fisch aus verantwortungsvoller Zucht oder nachhaltiger Fischerei. Im September ist die Kampagne über Social Media, Außenwerbung, Radiospots sowie durch zahlreiche Partner im Lebensmitteleinzelhandel und bei Food Brands präsent.

Noch mehr Infos findest du hier: Check deinen Fisch!
Mythos 1: Nachhaltige Fischerei und Aquakultur sind gar nicht möglich
Doch, sie sind möglich. Und notwendig. Und alternativlos.
Klar ist: Jede Form der Nahrungsmittelproduktion greift in Ökosysteme ein. Auch Fischerei und Aquakultur. Die Idee, den weltweiten Bedarf an Fisch allein durch kleine Boote und Angelruten zu decken, ist romantisch, aber nicht realistisch. Wie bei der Landwirtschaft gilt auch in der Aquakultur und der Fischerei das Ziel, die Auswirkungen auf Umwelt und Artenvielfalt so gering wie möglich zu halten. Genau das ist eines der Hauptziele der Standards von MSC (für nachhaltige Fischerei) und ASC (für verantwortungsvolle Aquakultur). Sie definieren klare Anforderungen an eine nachhaltige Produktion und Fang von Fisch und Meeresfrüchten. So werden Fischerei und Aquakultur nicht zum Problem, sondern zum Teil der Lösung.
Erfahre hier, was nachhaltige Fischerei nach MSC-Standard konkret bedeutet: Kriterien für nachhaltige Fischerei des MSC
Erfahre hier, was verantwortungsvolle Aquakultur nach ASC-Standard konkret bedeutet: Kriterien für verantwortungsvolle Aquakultur des ASC

Mythos 2: Fischkonsum ist grundsätzlich klimaschädlich
Stimmt so nicht. Fisch ist nicht nur gesund – Fisch kann auch ökologisch sinnvoller sein als andere tierische Eiweißquellen.
Ein Beispiel: Für 1 kg essbares Fleisch benötigt Zuchtlachs nur etwa 1,2 kg Futter – beim Rind sind es rund 8 kg. Wildfisch kommt ganz ohne Futter aus. Auch beim Energieverbrauch, den Treibhausgasemissionen, dem Wasserbedarf und der Flächennutzung schneidet Fisch häufig deutlich besser ab als Fleisch von Landtieren. Einige Meeresprodukte – etwa Schwarmfische oder Muscheln – erreichen sogar Umweltwerte, die mit pflanzlichen Lebensmitteln vergleichbar sind.
Doch es geht nicht nur um Umweltbilanzen. Es geht auch um Ernährungssicherheit: Für viele Menschen im globalen Norden ist Fischkonsum eine Frage des persönlichen Lebensstils. Sie können sich wahlweise auch vegetarisch oder vegan ernähren. In anderen Teilen der Welt ist das nicht möglich. Für Millionen Menschen, vor allem im globalen Süden, ist Fisch die wichtigste – oft einzige – Quelle für Eiweiß. In einer Welt mit wachsender Bevölkerung und steigendem Bedarf an gesunder, nährstoffreicher Nahrung können Fisch und Meeresfrüchte also einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie nachhaltig produziert werden.
Fazit: Fisch kann eine ressourcen- und klimaschonende Alternative zu Fleisch sein. Aber: Nicht jeder Fisch ist automatisch nachhaltig. Deshalb ist es entscheidend, beim Einkauf auf die Herkunft zu achten: Setze auf Fisch aus zertifiziert nachhaltiger Fischerei (MSC) oder verantwortungsvoller Aquakultur (ASC) – für deine Gesundheit und die des Planeten.

Erfahre hier mehr über die Bedeutung von Blue Food für die Ernährungssicherheit und den Umweltschutz: Blue Food | Marine Stewardship Council
Mythos 3: Ohne Fischerei und Aquakultur wären die Meere besser dran
Was wäre, wenn wir einfach aufhören würden, Fisch zu fangen oder zu züchten?
Derzeit stammen jährlich etwa 186 Millionen Tonnen Fisch und Meeresfrüchte aus Wildfang und Aquakultur. Ohne diese Menge müsste der Bedarf an tierischem Eiweiß vollständig an Land gedeckt werden und das bei weiter wachsender Weltbevölkerung. Die Folgen wären gravierend: mehr Tierhaltung, mehr Futtermittel, mehr Gülle. Nährstoffeinträge und Umweltverschmutzung würden die Meere langfristig belasten. Verantwortungsvoll betriebene Fischerei und Aquakultur können also nicht nur zur Ernährungssicherung beitragen, sondern auch helfen, sensible Ökosysteme an Land und in Küstenregionen zu entlasten.
Mythos 4: 90 Prozent der Fischbestände sind überfischt
Diese Zahl ist so nicht korrekt.
Die Überfischung der Meere ist eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit der Ozeane. Überfischung gefährdet nicht nur die Fischbestände, sondern auch die komplexen Nahrungsnetze, die in den Meeren existieren, was zur Instabilität des gesamten Ökosystems führen kann. Die offiziellen Zahlen der Welternährungsorganisation besagen: 37,7% der weltweiten Fischbestände sind überfischt, 50,5 % sind maximal genutzt und 11,8 % sind unternutzt. Dass heute mehr als ein Drittel der weltweiten Fischbestände überfischt sind, ist schlimm genug, doch in der öffentlichen Debatte wird häufig zusätzlich dramatisiert: Maximal genutzte Bestände werden fälschlich den überfischten zugerechnet, sodass der Eindruck entsteht, 90 % der Fischbestände seien bereits im kritischen Bereich. Diese Darstellung verzerrt die Realität und erschwert eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Problem. Maximal genutzte Bestände sind genau das Ziel, das angestrebt wird: möglichst viel wertvolles Protein für die menschliche Ernährung aus dem Meer zu holen, ohne die Produktivität der Fischbestände zu reduzieren. Fischbestände sind produktiv und die Meere haben grundsätzlich das Potenzial, Milliarden von Menschen zu ernähren – vorausgesetzt, wir gehen verantwortungsvoll mit ihnen um.
Weniger Überfischung - mehr zu essen. Mehr Fisch bis 2050? Mehr erfährst du hier: Würde weniger gefischt, gäbe es mehr zu essen | Marine Stewardship Council
Mythos 5: Zuchtfisch ist voll mit Antibiotika

Stimmt so nicht. Verantwortungsvolle Aquakultur arbeitet mit Prävention – nicht mit pauschalem Medikamenteneinsatz.
Im ASC-Standard ist der Einsatz von Antibiotika streng geregelt: Er ist nur erlaubt, wenn es medizinisch notwendig ist und nur nach Verordnung durch Tierärzt:innen. Ein präventiver Einsatz ist verboten. Ebenso untersagt sind Mittel, die von der WHO als für die Humanmedizin besonders wichtig eingestuft werden. Statt auf Medikamente setzen ASC-zertifizierte Betriebe auf Vorbeugung: mit Hygiene, Impfungen, artgerechter Haltung und einem umfassenden Gesundheitsmanagement. Zudem sind sie verpflichtet, ihren Antibiotikaeinsatz kontinuierlich zu senken und dies nachzuweisen.
Dass das funktioniert, zeigt sich in der Praxis: In Norwegen etwa kommen bei Lachs-Farmen dank Impfung kaum noch Antibiotika zum Einsatz. Und bei Garnelen geht es noch weiter: Alle Garnelen mit ASC-Siegel sind garantiert frei von Antibiotika. Rund 90 Prozent der im deutschen Handel erhältlichen Garnelen tragen das ASC-Siegel – ein starkes Beispiel dafür, wie Zertifizierungen konkret wirken können.
Mythos 6: In Norddeutschland kommt der Fisch meist direkt vom Kutter

Das mag ein schönes Bild sein – aber mit der Realität hat es wenig zu tun.
Tatsächlich kommen nur etwa 10 Prozent des Fisches, den wir hier in Deutschland konsumieren, von deutschen Fischereien oder Zuchtbetrieben. Hier werden am häufigsten Nordseekrabben, Hering, Sprotte und Dorsch/Kabeljau angelandet. Die Deutschen essen aber am liebsten Lachs, Alaska-Seelachs und Thunfisch. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, importiert Deutschland seinen Fisch mehrheitlich– etwa zur Hälfte aus EU-Ländern (54%) und zur anderen Hälfte aus Nicht-EU-Ländern. Das macht deutlich, wie wichtig eine klare und vertrauenswürdige Kennzeichnung der Produkte ist, die uns als Verbraucher aber auch dem Handel, Informationen über die Herkunft und Nachhaltigkeit des Produktes gibt. Als wissenschaftliche, weltweit anerkannte Zertifizierungsprogramme dienen der MSC und der ASC hier als wichtige und klare Orientierungshilfe.
Mythos 7: Siegel sind nur Greenwashing
ASC und MSC leisten einen wichtigen Beitrag für effizientere und nachhaltige Ressourcennutzung, denn sie bringen Kontrolle, Standard, Vergleich- und Transparenz in Lieferketten.
Sie können aber nicht im Alleingang die Naturzerstörung unseres Planeten aufhalten. Das ist auch nicht ihr Anspruch. Dafür braucht es ein Konzert an Maßnahmen, zu denen auch strengere staatliche Kontrollen zählen können. Viele Umweltsiegel wurden entwickelt, um rasch effektive Lösungen für drängende Probleme zu finden, denn politische Entscheidungsfindungen, zumal auf globaler Ebene, können oft langsam und schwerfällig sein. Fälschlicherweise werden Umweltsiegel oftmals verallgemeinert und als „Greenwashing“ abgetan. Tatsächlich gibt es aber große Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Siegeln bezüglich Standard-Entwicklung, Transparenz, Unabhängigkeit, Kontrolle und der Strenge der Zertifizierungskriterien. Im Bereich der Fischerei und Aquakultur gelten der MSC-Standard und der ASC-Standard als strengste und ambitionierteste Standards. Beide enthalten eine Vielzahl an Anforderungen, die zertifizierte Betriebe erfüllen müssen, und werden von unabhängigen Stellen überprüft. Ihre Arbeit ist weltweit anerkannt, transparent und wissenschaftsbasiert.
Erfahre hier, warum du dem MSC-Siegel vertrauen kannst – und hier, warum du dem ASC-Siegel vertrauen kannst.
Fazit
Die gemeinnützigen Organisationen ASC und MSC setzen sich dafür ein, dass die weltweite Fischzucht und Fischerei nachhaltiger werden. Mit der Wahl von Produkten mit ASC- oder MSC-Siegel kann jeder dazu beitragen, die Meere, Seen und Flüsse zu schützen. Check deinen Fisch!
Unser Cook & Talk
Wie wichtig ist Fisch für unsere Ernährung? Worauf sollte man beim Einkauf achten? Und wie ist nachhaltiger Fischfang möglich? Diese und noch viele andere Fragen haben EAT SMARTER-Chefredakteurin Iris Lange-Fricke und Vanessa Starck vom ASC sowie Gerlinde Geltinger vom MSC in unserem Cook & Talk beantwortet – und dabei ein köstliches Lachsrezept zubereitet. Du hast den Talk verpasst? Hier kannst du ihn anschauen.
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