Stevia: Wundermittel oder große Enttäuschung?
Als Stevia vor vier Jahren als Süßungsmittel zugelassen wurde, war die Begeisterung groß: Kuchen sollte man künftig auch ohne die Nachteile von Zucker backen können! Inzwischen ist – auch bei mir - Ernüchterung eingekehrt. Verschwinden Steviaprodukte vielleicht wieder aus den Regalen?
Es klang ja erst einmal wirklich toll. Ende 2011 wurde Stevia, das Süßkraut aus Südamerika, auch in Deutschland als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Es ist bis zu 300 Mal süßer als Zucker – und das bei kaum Kalorien; es hat weder schädliche Auswirkung auf die Zähne noch beeinflusst es den Blutzuckerspiegel und ist daher auch für Diabetiker geeignet. Ein Traum für jeden, der gerne Süßes isst, Desserts liebt und Kuchen backt, oder?
Stevia: der perfekte Zuckerersatz?
Das Süßungsmittel konnte zuvor nur „getarnt“ als Badezusatz oder ähnliches verkauft werden. Die Zulassung in der Europäischen Union (anders als z.B. in den USA) ließ deswegen so lange auf sich warten, da es Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit gab. So stand Stevia unter anderem im Verdacht, krebserregend zu sein. Die Begeisterung vonseiten der Industrie war dementsprechend groß, als sich dies änderte. Und auch viele Menschen, die sich gesünder und zuckerärmer ernähren wollen, dürften sich riesig gefreut haben. Von einer Revolution war da die Rede, von einem Wundermittel, vom perfekten Zuckerersatz. Das Potential auf dem Diätmarkt ist riesig. Inzwischen sind allerdings immer öfter auch enttäuschte Stimmen zu hören, und das von vielen Seiten.
Viele Verbraucher bleiben doch beim Zucker
Die zulässige Höchstmenge, bis zu der Risiken laut aktueller Forschung nicht zu erwarten sind, ist vergleichsweise gering. Stevia steckt in Bonbons, in zuckerfreien Schokoladen, in Marmeladen, Kaugummi, Getränken, seit kurzem auch in einer Coca-Cola-Variante. Doch wie bei letzterer sind viele Produkte nicht ausschließlich mit Stevia gesüßt, sondern beinhalten zusätzlichen Zucker, da sonst die Höchstmenge überschritten würde. Einige Produkte – seien es mit Stevia gesüßte Nahrungsmittel oder reine Stevia-Produkte – sind bereits nicht mehr im Handel. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass künftig noch mehr verschwinden. Denn viele Verbraucher scheinen sich, so wie ich, doch wieder nach anderen Süßungsmitteln umzusehen. Oder bleiben beim Zucker.
Backen mit Stevia: Achtung bei der Dosierung
Weil Stevia von einer Pflanze (auch Honigkraut genannt) stammt, klingt das Süßungsmittel erst einmal per se sehr gesund und natürlich. Dabei sind die Stevia-Produkte, die in den Supermarktregalen landen, durch chemische Verfahren (also gar nicht natürlich) gewonnen. Positiv an Stevia ist, dass man mit dem Pulver – anders als mit einigen anderen (künstlichen) Süßstoffen gut backen kann, da es hitzestabil ist. Durch die viel höhere Süßkraft als Zucker benötigt man allerdings nur eine sehr geringe Menge. Bei Teigen, in denen Zucker normal einen hohen Anteil am Gesamtvolumen ausmacht – etwa Biskuit oder Rührteig – führt Stevia also dazu, dass sich die Konsistenz und das Volumen des Gebäcks völlig verändern. Kuchen wird da gerne mal platt und hart statt locker und luftig. Daher beinhalten viele Produkte zusätzliche Süßungsmittel, Träger- oder Füllstoffe wie Maltodextrin, damit das extrem stark süßende Stevia für den Verbraucher leichter zu dosieren ist – zum Beispiel im Verhältnis 1:1 zu Zucker. Die unterschiedliche und teils schwierige Dosierung ist meiner Meinung nach aber ein weiterer Grund, der dem Erfolg von Stevia entgegensteht. Je nach Hersteller braucht man völlig unterschiedliche Mengen. Und der Geschmack ist auch jedes Mal ein bisschen anders.
Stevia: größter Krtikpunkt ist der Geschmack
Apropos Geschmack: Der ist für mich persönlich der größte Kritikpunkt. Zweimal musste ich einen mit Stevia gesüßten Kuchen schon wegwerfen (was eigentlich ein No-Go für mich ist!). Er war einfach bitter und – irgendwie seltsam. Der Stevia-Nachgeschmack erinnert ein wenig an Lakritze. Dass mir bei allem übel wird, was mit Lakritze, Fenchel oder Anis zu tun hat, war natürlich keine gute Voraussetzung.
Es gibt natürlich auch begeisterte Stevia-Fans, die den Geschmack mögen und sich über die Kalorienersparnis freuen. Es gibt Menschen, die jede Kritik an Stevia als Verschwörung der Zuckerlobby abtun. Ich denke: Jeder sollte sich mit einem Test seine eigene Meinung bilden. Und ich bin gespannt: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Stevia – sei es als Süßungsmitteln in Getränken oder als Zuckerersatz beim Backen? Ist Stevia für Sie noch ein „Traum“ – oder eher eine große Enttäuschung?
Kathrin Runge
www.backenmachtgluecklich.de
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