Die 10 größten Küchen-Irrtümer
Mit ihren Küchenweisheiten hatte Oma leider nicht immer recht, manche Tricks und Kniffe sind unnütz, andere sogar schlicht falsch. Der Lebensmittelexperte Dr. Ludger Fischer beschäftigt sich in seinen Büchern mit den hartnäckigsten Küchenirrtümern und räumt im Gespräch mit EAT SMARTER mit dem Aberglauben rund um den Herd auf.
Die meisten Küchenirrtümer haben eine lange Tradition und werden von Generation zu Generation weitergegeben: Schon die Großmutter hat es so gemacht, und deshalb wird es schon stimmen. "Nur leider wusste Oma nicht so viel", sagt Dr. Ludger Fischer, der als EU-Berater für Lebensmittelsicherheit in Brüssel arbeitet, im Gespräch mit EAT SMARTER: "Sie hat das Kochen für ihre Lieben vorwiegend intuitiv betrieben und ist eigentlich mit dem, wie sie ihre Lebensmittel für die gesamte Familie zubereitet hat, glücklich weggekommen – aber mehr aus Zufall."
Oma hat beispielsweise noch in Kupfertöpfen gekocht, eine gefährliche und gesundheitsschädliche Methode, wie man heute weiß. Oma hat auch viele Lebensmittel so zubereitet, dass der Nährwert fast bei Null war, sie hat Öl verschwendet, das sie ins Nudelwasser kippte und Reis, indem sie ihn in den Salzstreuer füllte. "Ich hatte es selbst nicht gedacht, wie viele dieser Traditionen unnütz oder falsch sind", sagt Ludger Fischer, der selbst täglich für seine Familie kocht. In seinem Buch "Noch mehr Küchenirrtümer" hinterfragt er Missverständnisse rund ums Kochen vorknöpft und kritisch hinterfragt. "Die meisten dieser Küchenrituale haben überhaupt keinen Effekt", erläutert Fischer, "sie sollen vor schlechten Ergebnisse schützen und schaffen eine trügerische Sicherheit".
1. Sekt bleibt frisch, wenn man einen Silberlöffel in die Flasche steckt
"Machen Sie das ruhig, Sie werden an dem schalen Tropfen wenig Freude haben", sagt Fischer: "Ein chemischer Vorgang findet dabei nämlich nicht statt". Denn der Löffel, egal aus welchem Metall, hat kaum eine Bedeutung. Er leitet zwar die Kälte des Kühlschranks etwas schneller in die Flasche und hindert so die Kohlensäure daran, sich durch den Flaschenhals zu verflüchtigen – allerdings ist der Effekt nur extrem schwach, der Sekt wird mit der Zeit schal. "Aber sagen Sie mal ehrlich: Hat Ihnen der einsam und allein getrunkene Sekt am Tag nach dem besonderen Tag jemals wirklich gut geschmeckt?"
2. Zerkratzte Teflonpfannen darf man nicht mehr verwenden
Auch wenn eine zerkratze Anti-Haft-Beschichtung nicht mehr richtig funktioniert – die abgekratzten Stückchen sind unbedenklich: Sie verlassen den Körper auf natürlichem Weg, ohne Schaden zu hinterlassen. Teflon wurde ja gerade dafür entwickelt, dass nichts daran anhaftet. "Es ist einfach zu glatt", erklärt Ludger Fischer. "Aus diesem Grund ist es aus gesundheitlicher Sicht auch völlig unbedenklich, eine zerkratzte beschichtete Pfanne zu benutzen."
3. Holzbrettchen sind unhygienisch
Das stimmt nur teilweise. In wissenschaftlichen Tests wurde herausgefunden, dass Bakterien vor allem auf Kiefernbrettchen, aber auch auf Lärchen- und Eichenholz nur kurze Zeit überlebensfähig sind. "Die im Holz enthaltene Gerbsäure, das Tannin, tötet die Bakterien", erläutert Fischer. Jeder Schnitt in ein Holzbrettchen setzt erneut Tannin frei – während Kunststoffbretter keinen antibakteriellen Effekt haben. Allerdings lässt die keimtötende Wirkung nach längerem Gebrauch nach, wenn der Wirkstoff an der Oberfläche ausgewaschen ist. Außerdem sind Brettchen und Kochlöffel aus dem offenbar besonders hygienewirksamen Kiefernholz noch nicht im Handel erhältlich.
4. Gemüse ist frisch besser, als tiefgekühlt
"Selbstverständlich hat Gemüse dann die meisten Vitamine, wenn es direkt vom Feld kommt und sofort gegessen wird", sagt der Lebensmittelexperte Fischer. Doch im Normalfall vergehen Tage zwischen Ernte und Zubereitung. Und das ist genau das Problem: Bei Raumtemperatur verlieren Lebensmittel wichtige Nährstoffe. "Was viele nicht wissen, aber beruhigen könnte: Vitamine sind Winterschläfer", sagt Fischer und fasst zusammen: "Wird Gemüse also erntefrisch schockgefroren, bleiben die Vitamine weitgehend erhalten."
5. Hamburger kommt vom Englischen "Ham"
Der Hamburger ist in aller Munde – und doch weiß offenbar niemand so recht, woher er seinen Namen hat. Dass der Hamburger tatsächlich aus Hamburg stammt, ist eher unwahrscheinlich, genau wie etwa zwanzig weitere angeblich zu hundert Prozent sichere Herkunftsableitungen, wie Ludger Fischer aufklärt: "Wenn Ihnen ein Besserwisser erzählen will, dass der Name dieser Köstlichkeit etwas mit dem englischen Wort 'Ham' für Hinterschinken zu tun haben soll, fragen Sie einfach noch besserwisserischer zurück, wo denn da Hinterschinken zu finden sei."
6. Fleisch muss man heiß anbraten, damit sich die "Poren schließen"
Seit Ewigkeiten hört man den Rat, Fleisch am Anfang besonders heftig zu erhitzen, damit es zart und saftig bleibt. Denn immer noch glauben viele Menschen, Fleisch habe Poren, die man durch Braten schließen kann. "Das ist natürlich ein Quatsch", sagt dagegen Ludger Fischer: "Man kann die Fleischoberfläche nicht schließen – außer mit Lack vielleicht". Dagegen kann man Fleisch bei niedrigen Temperaturen viel exakter und genau so saftig anbraten, wie bei großer Hitze.
7. Nudelwasser muss sprudeln
"Man weiß, dass Nudeln schon bei 75 Grad vollkommen gar werden", klärt Fischer den alten Aberglauben des sprudelnden Nudelwassers auf – und hat damit schon den Zorn einiger italienischer Mamas erregt: Im Mutterland der Nudel muss Pasta in offenen Töpfen möglichst heiß gekocht werden. Doch während man am Mittelmeer meist bei offenem Küchenfenster kocht, verdampft das Wasser in nordeuropäischen Küchen oft ohne Extralüftung und schlägt sich als Feuchtigkeit in der gesamten Küche nieder – mit der Gefahr von Schimmelbildung. "Ich will mit dem Deckel auf meinem Nudeltopf nicht Energie sparen", rechtfertigt Fischer seinen Traditionsbruch: "Ich will die Feuchtigkeit in der Küchenluft vermeiden."
8. Eier lassen sich leichter pellen, wenn sie kalt abgeschreckt werden
Ein weiterer Küchenmythos, der sich als falsch erwiesen hat: Ob sich ein Ei gut oder schlecht pellen lässt, hat nichts mit dem Abschrecken zu tun. Im Gegenteil, kann das Abschrecken von hart gekochten Eiern dazu führen, dass die Lebensmittel im Anschluss kürzer haltbar sind: Durch das Abschrecken können Bakterien durch die Schale ins Innere des Eis gelangen und sich dort vermehren. Fischers Resümee: "Nur bei weich gekochten Eiern wäre ein Abschrecken damit zu begründen, dass man so ein Nachgaren verhindert."
9. Alkohol verdunstet beim Kochen
Zugegeben: Wein oder Bier geben manchen Gerichten erst das richtige Aroma. Allerdings verdunstet der Alkohol keineswegs als erstes durch das Kochen, wie oft behauptet wird: "In Weinsoßen bleiben noch bis zu 85 Prozent des Weins erhalten, nach einer Stunde noch bis zu 35 Prozent", sagt Ludger Fischer und warnt: "Mit alkoholischen Zutaten muss man vorsichtig sein, vor allem, wenn Kinder und Alkoholkranke mit am Tisch sitzen."
10. Reis im Salzstreuer verhindert das Festklumpen
Den "Trick" mit dem Reis im Salzstreuer kann man auch heute noch in vielen Esszimmern und Traditionsgasthäusern beobachten: Der Reis entzieht dem Salz angeblich die Feuchtigkeit und soll so verhindern, dass es zusammenklumpt. Und tatsächlich: Meistens rieselt es ohne Probleme aus dem Salzstreuer. Doch wenn der Reis tatsächlich so viel Feuchtigkeit aufnehmen würde, müsste man ihn ja ständig austauschen. Ludger Fischer fragt zu recht: "Hat schon einmal jemand seinen Salzstreuer von feuchten, aufgequollenen Reiskörnern befreit?". Tatsächlich sorgen heutzutage dem Salz beigemischte Trennmittel dafür, dass es ohne große Probleme rieselt – auch ohne Reis.
Bücher zum Thema:
Ludger Fischer: Noch mehr Küchenirrtümer, 224 Seiten, Eichborn Verlag
Ludger Fischer: Kleines Lexikon der Küchenirrtümer, 240 Seiten, Eichborn Verlag
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