Müdigkeit: Ein Warnsignal unseres Körpers
Mit dem Nachmittagstief haben wir alle regelmäßig zu kämpfen. Doch was, wenn die Müdigkeit zum ständigen Begleiter wird? Fitness-Doc Ingo Froböse erklärt, warum Sie die Warnzeichen Ihres Körpers ernst nehmen sollten, bevor Sie in einen chronischen Erschöpfungszustand (Chronic Fatigue Syndrome) abrutschen.
Abgeschlagen, müde oder erschöpft? Diese Zustände sind Ihnen sicherlich vertraut, liebe EAT SMARTER-Leser. Das macht zunächst gar nichts, sofern sie rasch wieder verschwunden sind. Vielleicht sind Sie zu spät ins Bett gegangen oder zu früh aufgestanden, haben schlecht geschlafen oder einen besonders anstrengenden Tag gehabt. Wenn Sie sich gut ausschlafen, lässt sich der Schlafmangel normalerweise leicht ausgleichen – meist schon nach ein oder zwei Nächten, spätestens aber übers Wochenende.
Doch auch wer morgens ausgeruht in den Tag startet, erlebt spätestens am Nachmittag oder frühen Abend müde Phasen. Dann überkommt uns ein „bleiernes“ Gefühl, das die Augenlider schwer werden lässt. Das Denken und selbst die Bewegungen werden ein wenig langsamer, denn der Organismus möchte jetzt eine Ruhephase.
Zeichen des Körpers beachten
Die Müdigkeit überkommt uns zwar alle irgendwann, weil der Organismus damit im Tagesrhythmus Pausen einfordert. Sie betrifft jedoch viel stärker jene, die sich lange und intensiv ohne Pause belasten oder durcharbeiten. Doch auch Unterforderung – wenn Sie zum Beispiel ein Wochenende nur faul auf dem Sofa verbringen – ist eine »Überlastung« des Körpers. Das liegt daran, dass bei mangelnder Aktivität die Körperzellen schlechter mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.
Müdigkeit ist also ein Hinweis darauf, dass uns irgendetwas fehlt. Das können Schlaf, Ruhephasen und Pausen, Sauerstoff, Nährstoffe, Flüssigkeit oder Bewegung sein. Auch einen drohenden Infekt bemerken wir am ehesten durch eine latente Müdigkeit. Erst danach beginnt die Nase zu jucken und zu laufen.
So kann Müdigkeit sich äußern
Schon bevor Ihnen die Augen zufallen, gibt es sichere Anzeichen für Müdigkeit:
- Reduzierte Konzentrationsfähigkeit und verminderte mentale Leistungsfähigkeit
- Eingeschränkte körperliche Belastbarkeit und Leistung
- Beeinträchtigung der Wahrnehmung / Aufmerksamkeit
- Generelles Unwohlsein und Antriebsschwäche
- Meist erhöhte Reizbarkeit und Nervosität
- Eventuelle Störungen der Temperaturregulation, besonders mit Frösteln und Frieren
- Bei länger andauerndem Schlafmangel sogar Halluzinationen
So können Sie Müdigkeit vorbeugen
Es gibt zahlreiche Ursachen, die für Ihre Müdigkeit verantwortlich sein können. Schlafmangel ist der Hauptgrund für Müdigkeit, denn viele Menschen schlafen einfach viel zu wenig. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht optimal.
Übergewicht ist nicht nur auf der Waage ein Problem, sondern es verstärkt die Schlafprobleme zusätzlich durch Atemstillstände im Schlaf, sogenannte Schlafapnoe, und lässt die Müdigkeit durch Begleiterscheinungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Stoffwechsel- und Hormonprobleme intensiver ansteigen.
Gerade eine einseitige Ernährung und Fastfood führen nicht selten zu einem Mangel an Nähr- und Vitalstoffen. Fehlen zum Beispiel Magnesium oder Vitamin B, dann schwindet die Leistungsfähigkeit; Muskeln und Nerven können nicht mehr normal agieren.
Untergewicht und Diäten: Zu wenig zu essen, dauerhaft oder während einer Phase des Hungerns, ist immer mit einem Verlust an körperlicher und geistiger Energie verbunden. Müdigkeit ist deswegen gerade bei Radikaldiäten eine unangenehme Begleiterscheinung. Auch bei Essstörungen gehört Müdigkeit dazu, denn sie sind sowieso immer mit massiven Mangelerscheinungen verbunden.
Flüssigkeitsmangel: Da unser Organismus zu zwei Dritteln aus Wasser besteht, benötigt er ständig Nachschub, damit sämtliche Funktionen reibungslos laufen können. Ist zu wenig Wasser im Körper, reagiert dieser mit schlechterer Durchblutung, sinkendem Blutdruck und einer geringeren Sauerstoffversorgung von Gehirn und Körper.
Dauerstress: Stress, wenn er akut und kurzfristig auftritt, ist zunächst gut und eine sinnvolle Einrichtung der Natur, um Höchstleistung überhaupt erbringen zu können. Bleibt jedoch der Stress bestehen, dann verschiebt sich die Hormonlage, bestimmte Körperfunktionen (Herzarbeit) bleiben aufgeputscht und andere werden gedrosselt (Verdauung), was langfristig immer in großer Erschöpfung mündet.
Unterforderung: Müdigkeit resultiert nicht immer aus Überforderung, sondern ist häufig die Folge einer geistigen oder körperlichen Unterforderung. Wer den ganzen Tag bewegungslos vor dem Computer sitzt oder aber am Wochenende nur vor dem Fernseher hockt, hat einen langsamen Stoffwechsel, der die Zellen schlecht mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Dann ist man abends genauso kaputt wie nach einem sportlichen Tag. Es gibt allerdings einen Unterschied, denn (besonders körperlich) „Unterforderte“ fühlen sich meist gereizt, antriebslos, dumpf müde und abgeschlagen, während die „Aktiven“ eher zufrieden müde sind.
Verbrauchte Luft: Wenn wir uns in schlecht gelüfteten Räumen aufhalten, werden wir müde, weil wir dann meist zu viel Kohlendioxid, das Endprodukt des Atemstoffwechsels, einatmen. Deshalb: Fenster auf und stoßlüften! Frischluft und Sauerstoff sind echte Muntermacher.
Trockene Luft: Zu trockene (Heizungs-) Luft verursacht nicht selten eine Abwehrschwäche unseres Immunsystems und diese lässt uns müde werden.
Fehlendes Tageslicht: Da über die Stimulation unserer Lichtrezeptoren am und im Auge das Schlafhormon Melatonin und auch unser Aktivitätshormon gesteuert werden, überwiegt bei einem Mangel an Lichtreizen dauerhaft das Melatonin. Wir werden so nie richtig wach, weil uns Tageslicht fehlt, um uns aufzuwecken.
Kaffee, Schwarztee und Energy-Drinks: Viele Menschen trinken dauerhaft Kaffee, schwarzen Tee oder Energy-Drinks für den Energiekick. Doch werden diese diese Stimulanzien dauerhaft genutzt, erhöht sich der Spiegel unseres Stresshormons Kortisol nachhaltig. Das Nervensystem wird also durch den ständigen Nachschub überreizt. Die Folge ist nicht selten eine nachhaltige Müdigkeit oder sogar das chronische Erschöpfungssyndrom.
Vorsicht bei dauerhafter Müdigkeit und Erschöpfung
Vorsicht ist geboten, wenn Müdigkeit in dauerhafte Erschöpfung umschlägt. Erschöpfung beinhaltet Müdigkeit, geht aber noch viel weiter: Man fühlt sich körperlich schwach, matt und antriebslos, ist oft nicht mehr in der Lage, manche geistigen oder körperlichen Tätigkeiten auszuführen, die sonst kein Problem sind. Ein gründliches Ausschlafen reicht nicht mehr, um sich wieder munter und lebendig zu fühlen.
Ungewohnt hartnäckige Müdigkeit oder gar Erschöpfung müssen wir ernst nehmen. Denn sie könnte ein Zeichen dafür sein, dass etwas im Körper oder in unserer geistig-selischen Verfassung nicht stimmt. Die Müdigkeit wird dann zu einem „echten“ Symptom. Auf emotionaler Ebene kommt es oft zu Unlust, Traurigkeit sowie besonders belastenden Motivations- und Antriebsproblemen. Kognitive Leistungseinbußen wie verminderte geistige Leistungsfähigkeit und starke Konzentrationsprobleme können sich ebenso zeigen wie körperliche Beeinträchtigungen mit intensivem Leistungsabfall, muskulären Schwächen sowie einer auffälligen Schwächung des Immunsystems. Von hier ist es nicht mehr weit zum Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS).
Chronisches Erschöpfungssyndrom
Fühlen Sie sich dauerhaft "angeschlagen", sind müde, kaputt und sehnen sich danach, endlich mal zur Ruhe zu kommen? Auch wenn Sie mal länger ausgeschlafen haben, bringt das fast gar nichts? Spätestens jetzt gilt es, aufmerksam zu werden. Manchmal steckt dahinter eine Grunderkrankung wie eine Depression oder Angststörung, die meist mit Erschöpfungszuständen einhergehen. Viel häufiger ist aber ein Phänomen dafür verantwortlich, das die Medizin chronisches Erschöpfungssyndrom nennen, auch bekannt unter Chronic Fatigue Syndrome oder CFS.
Das CFS wurde 1988 zum ersten Mal von Experten beschrieben. Heute gehen wir davon aus, dass in Deutschland etwa 300.000 Menschen betroffen sind. Oft wird das Syndrom aber nicht erkannt und fälschlicherweise eine Depression diagnostiziert.
CFS hat massive soziale Konsequenzen wie Rückzug aus dem alltäglichen Leben und Isolation; dementsprechend geht man von viel höheren Zahlen an Betroffenen aus. Die Therapieempfehlungen sind bisher wenig fundiert und ausgereift. Eine medikamentöse Behandlung zieht oft keinen positiven Effekt nach sich. Anders scheint es bei einer Verhaltenstherapie sowie einem gezielten Sportprogramm zu sein: Das Training brachte bei mehr als 60 Prozent der Betroffenen eine deutliche Verminderung der Müdigkeit und eine Verbesserung aller körperlichen Funktionen.
Der Weg aus einer tiefen Erschöpfung oder gar dem Chronic Fatigue Syndrom zurück in ein gesundes, zufriedenes Leben kann lang sein. Kein Job, kein Lebensstil ist so erstrebenswert, dass wir uns dafür derartig „verbrennen“. Treten Sie lieber rechtzeitig auf die Bremse! Versuchen Sie, auf Ihren Körper zu hören und seine Signale richtig zu deuten. Schon kleine Verhaltensänderungen können viel bewirken: Gönnen Sie sich lieber genug Schlaf, anstatt sich tagsüber von einem Kaffee zum anderen zu hangeln. Gestalten Sie Ihre Erholung aktiv, powern Sie sich aus und genießen diese „zufriedene“ Müdigkeit. Und: Machen Sie öfter mal eine Pause!
Ihr Ingo Froböse
Mehr lesen im neuen Buch!
Mehr darüber, wie wichtig Pausen sowohl im Sport als auch in Job und Freizeit sind, lesen Sie in Prof. Dr. Ingo Froböses neuem Buch "Power durch Pause". Im großen Praxisteil dieses Ratgebers wird gezeigt, wie man in vier komplexen Phasen – im Tagesverlauf, nach getaner Arbeit, am Wochenende sowie im Urlaub, auf Reisen – den Schalter zunächst auf Pause und dann erfolgreich wieder auf Power umlegen kann.