Christian Rach im Interview: So erkennen Sie ein gutes Restaurant
Christian Rach wird gerufen, wenn es fast schon zu spät ist: Im Fernsehen bewahrt der Koch seit 2005 regelmäßig Restaurantbesitzer vor dem Ruin. Im ersten Teil des großen Interviews mit EAT SMARTER berichtet Rach von seinem deprimierendsten Erlebnis bei der Arbeit im TV und verrät, woran Sie merken, ob Sie im richtigen Restaurant sitzen.
Herr Rach, im Fernsehen bewahren Sie Gastronomen vor der Pleite. Was reizt den Zuschauer am „Restauranttester“?
Es ist die Objektivität und Offenheit mit denen ich den Leuten begegne. Die Zuschauer nehmen mir ab, was ich da tue. Aber es interessiert nicht nur das Kochen. Ich bediene natürlich auch ein Stück weit das Schlüsselloch.
Sie meinen, dass der Zuschauer in die schmutzigen Küchen schauen kann?
Voyeurismus gehört auch immer ein Stück weit zum Erfolg dazu. Egal ob Sie Tatort gucken, Maybrit Illner oder Anne Will. Aber wenn man die Menschen trotzdem mit Respekt behandelt und ihnen einen möglichen Ausweg zeigt, dann kann man ihre Situation ehrbar behandeln. Und das tue ich.
Wie sehr ist den Restaurantbesitzern klar, dass Millionen Menschen zuschauen?
Ich komme nirgends ungerufen. Die Leute melden sich zu Hunderten bei mir. Ich nehme mir eine Woche Zeit und wir arbeiten zusammen. Am achten Tag wird das Restaurant wieder eröffnet. Vorher informiere ich mich über den Laden, die Inhaber, das Personal und vor allem über den Ort. Wenn ich die Fakten kenne, gehe ich hinein. Und dieses Hineingehen funktioniert nur beim ersten Mal und wird nicht wiederholt. Ich will das ungeschminkte Gesicht sehen. Der Besitzer soll vor meinem Besuch nichts verändert haben. In Ihren Sendungen sehen Sie meistens sehr schnell, woran es hapert.
Woran kann ein Besucher ein gutes Restaurant erkennen?
Leider gibt es keine allgemeinen Hinweise. Hätte ich eine Goldene Regel, wäre es natürlich ein großartiger Leitfaden.
Was ist mit der Empfehlung: Menschenleere Restaurants sollte man meiden?
Ein leeres Restaurant kann natürlich bedeuten, dass der Laden nichts taugt. Aber das sollte man nicht verallgemeinern. Es kann auch bedeuten, dass der Besitzer gerade erst geöffnet hat und sich erst einmal am Ort etablieren muss. Hinweise kann eigentlich nur die Speisekarte bieten. Ist sie querbeet mit internationalen Gerichten, kann das wirklich nicht gut sein.
Wie viele Angebote sollten maximal auf einer Karte stehen?
Bei einem Restaurant mit mehr als 80 Gerichten auf der Karte und eineinhalb Köchen in der Küche wäre ich vorsichtig. Wenn aber nur 15 Gerichte angeboten werden, weiß ich: Da hat jemand nachgedacht. Und dann kann man schauen, inwieweit die Gerichte kompatibel sind. Kombiniert der Wirt eine Nudel-Sorte zum Beispiel mit Fisch oder Fleisch, könnte das ein Hinweis für gute Küche sein. Er macht wenige Gerichte, diese dafür aber gut. Trotz Ihres Engagements gibt es immer auch Gastronomen, denen Sie nicht mehr helfen können.
Welches Erlebnis hat Sie am meisten deprimiert?
Mir ist eine Tapas-Bar in Erinnerung geblieben, in der Nähe von Halle in Westfalen. Ich werde von einem ehemaligen Diskothekenbesitzer gerufen, der in einem umgebauten Bahnhof Tapas serviert. Aber es läuft nicht. Ich komme dorthin, es klebt an den Decken, am Boden und am Kühlschrank und der Koch ist einfach nur verrückt. Wir fahren in eine Tapas-Bar in Bielefeld, ich zeige ihm, was gute Tapas sind und wir speisen fürstlich. Wir bauen den Laden um und finden sogar noch auf die Schnelle eine Spanierin als Bedienung. Dann kommt die entscheidende Frage: Kriegt der Laden am achten Tag die Kurve? Darauf kommt es ja an, nicht auf den Tag der Ausstrahlung. Und siehe da: Der Laden läuft.
Das klingt jetzt eher nach einem Erfolg.
Moment. Denn einige Zeit danach ruft mich der Typ an und schimpft fürchterlich. Er müsse ja jetzt viel mehr arbeiten. Als er noch Diskothekenbesitzer war, habe er nur hinter dem Tresen stehen und das Geld zählen müssen. Eigentlich wollte er nur 500 Euro mehr im Monat, jetzt waren es eher 5000 Euro mehr. Aber er hatte eben auch viel mehr zu tun. Wenig später macht er den Laden zu. Das war frustrierend. Es gibt immer noch Leute mit der Vorstellung, dass die gebratenen Tauben einfach durch die Luft fliegen. Man müsste nur danach greifen, ohne dafür etwas zu tun.
Der falsche Traum von einem eigenen kleinen Restaurant?
Naja, das ist ja gar nicht schlecht. Man braucht eine Idee, aus der ein Traum wächst. Doch nur mit Träumen ist man nicht erfolgreich. Man muss sich vorher über die Voraussetzungen klar sein. Leider machen das die Wenigsten. Viele sehen eine Gelegenheit, weil ein Laden zum Beispiel schon zwei Jahre leer steht. Und weil die Miete nicht mehr so hoch ist, greifen sie zu. Aber sie denken nicht darüber nach, warum der Laden schon solange leer ist. Wenn in einer Straße zum Beispiel zehn Pizzerien stehen, dann wird man als elfter Pizzabäcker sicher ein Problem haben.
Unterschätzen diese Menschen das Gastro-Business?
Arbeitszeiten von 18 Stunden am Tag sind in einem guten Lokal die Regel. Die Gewerkschaft schlägt darüber die Hände über dem Kopf zusammen. Zu Recht. Wir müssen an die Arbeitszeiten ran. Aber in Deutschland ist man nach wie vor nicht bereit, für gutes Essen zu bezahlen. Und damit meine ich nicht nur das Produkt, sondern auch die Arbeit. Das Beispiel aus Halle ist eine Ausnahme: in der Regel können Sie mit einem Restaurant, das einen hohen Anspruch hat, nicht über alle Maße leben. Das funktioniert nicht.
Je besser die Gastronomie und die Küche, desto schwerer ist es, damit Geld zu verdienen?
Umso länger die Arbeitszeiten. Das würde ich vielleicht so unterschreiben. Das volle Interview mit Christian Rach ist im März im zweiten EAT SMARTER-Magazin erschienen. In der aktuellen Ausgabe verrät TV-Koch Steffen Henssler, warum sich die Sterne-Gastronomie langsam überholt und warum die Pfanne der beste Freund des Menschen ist.
Der zweite Teil des großen Interviews mit Christian Rach auf unserem Portal erscheint nächste Woche Dienstag. Dann verrät der Koch, was er von der aktuellen Bio-Welle hält und warum er künftig selbst Lebensmittel untersuchen testen will. (Wil)