Ist eSport richtiger Sport?
Macht faul und aggressiv, sagen die einen. Schult Koordination und Auffassungsgabe, sagen die anderen. Doch wie ist "eSport", wie er zuletzt groß auf der Messe Gamescom in Köln Thema war, wirklich einzuschätzen? Fitness-Doc Ingo Froböse wirft einen unvoreingenommenen Blick auf das "Zocken" und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
(Foto: Gamescom) Wer wie ich im „analogen“ Zeitalter groß geworden ist, für den sind die Bilder von Messen wie der Gamescom oft etwas befremdlich, liebe EAT SMARTER-Leser: Jugendliche und Erwachsene hocken in langen Reihen dicht nebeneinander, tragen Kopfhörer und starren gebannt auf große Bildschirme. Die Hände bearbeiten einen Controller oder eine bunt leuchtende Tastatur.
„Gaming“ – so das neudeutsche Wort für Computer- oder Videospiele – ist ein Freizeittrend, der viele Deutsche fasziniert. 350.000 Besucher kamen dieses Jahr zur Gamescom in Köln, laut Veranstalter ein neuer Besucherrekord. Immer häufiger hört man für Computerspiele das Wort „eSport“, was zu teils heftigen Abwehrreaktionen führt. Denn das Klischee des übergewichtigen „Nerds“, der alleine in seiner Bude stundenlang am Rechner spielt und sich Pizza bestellt, passt nicht zur klassischen Idee von Sport.
Doch so einfach und so schwarz-weiß ist es nicht: Wer über die Gamescom schlenderte, der sah Jungen, Mädchen, Frauen und Männer, teils in schrägen Kostümen, teils schick, teils sportlich. Den einen Gamer-Typ, so viel steht fest, gibt es nicht! Und genau so differenziert sollten nicht nur wir Sportwissenschaftler das Thema „eSports“ betrachten.
Warum eSport richtiger Sport ist
Wer am Bildschirm spielt und an Wettbewerben teilnimmt, muss sich konzentrieren, strategisch denken, schnell sein und präzise Tastatur oder Controller bedienen. Das fordert den Geist, aber auch den Körper – nachweislich steigert E-Sport zum Beispiel die Herzfrequenz und löst die Ausschüttung gewisser Hormone aus. Ganz ähnlich also wie in „normalen“ Sportarten.
Offiziell ist der eSport vom Deutschen Olympischen Sportbund DOSB noch nicht als Sportart anerkannt. Dieser Schritt wäre aus meiner Sicht aber sehr sinnvoll. Denn zum einen existiert keine eindeutige Definition von Sport, weshalb es ohnehin viele Graubereiche gibt – denken Sie zum Beispiel an Darts oder Schach. Zum anderen entwickeln sich der Sport beziehungsweise die Sportanerkennung unaufhörlich weiter.
Eine Anerkennung seitens des DOSB hätte einen großen Vorteil: „Zocken“, „Daddeln“ oder wie auch immer man das Hobby von Millionen Deutschen bezeichnen mag, würde in der Gesellschaft besser akzeptiert.
Wenn Lehrer und Eltern beispielsweise Computerspiele komplett ablehnen, nehmen sie sich einen wichtigen Einblick in die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Für diese Bevölkerungsgruppe ist es übrigens gar keine Frage mehr, ob eSport „richtiger“ Sport ist – er gehört einfach dazu.
Mittlerweile entdecken auch viele Sportverbände das Potenzial von Games. So steigen beispielsweise immer mehr Fußballclubs ein, stellen Teams aus Gamern auf und lassen sich Talente durchaus etwas kosten – wie im „normalen“ Sport. Damit wird das Potenzial und die Reichweite von eSport sichtbar.
Was genau ist dieser eSport?
Anders als der Name impliziert, gelten nicht nur Sportspiele wie Fußball, Basketball oder American Football als eSports. Auch Genres wie Strategiespiele, Ego-Shooter oder Kartenspiele fallen unter diesen Begriff. Innerhalb der verschiedenen Genres gibt es wiederum einzelne Spiele, die von unterschiedlichen Spieleherstellern entwickelt werden. Die unglaubliche Vielfalt der Spiele sorgt dafür, dass fast für jeden etwas dabei ist.
Wer hineinschnuppern möchte, kann es zum Beispiel mit diesen Spielen versuchen:
- Sportspiele: Fußball (FIFA), Basketball (NBA 2k), American Football (Madden NFL).
- Strategie: In der „Anno“-Reihe können Spieler in verschiedenen Jahrhunderten ihre eigene Stadt aufbauen – eine umfassende Wirtschaftssimulation, die Köpfchen und Planung erfordert.
- Schleichspiel: „Thief“ – als Meisterdieb schleichen Sie lautlos durch eine Fantasie-Stadt und versuchen, den großen Coup zu landen.
- Action: Als Hexer „The Witcher“ setzen Sie Ihre übermenschlichen Fähigkeiten dazu ein, Monster zu jagen und gegen eine Verschwörung zu kämpfen. Basierend auf einer Fantasy-Reihe.
- Rennspiel: Schnelle Autos, coole Rennstrecken und Animationen, das ist „Forza“.
- Abenteuer: Schon etwas älter, aber bunt und witzig ist das Spiel „Monkey Island“, in dem der Pirat Guybrush Threepwood verschiedene Rätsel lösen muss.
Warum Sie eSport nicht verteufeln sollten
Alles, was man für eSports braucht, sind eine stabile Internetverbindung, ein PC und ein Bedienungselement in Form von Tastatur oder Controller. Theoretisch kann also an jedem Ort der Welt gespielt werden!
Für eSport-Hits wie „League of Legends“, „Dota“ oder „Counter-Strike: Global Offensive“ wird zudem kein High-End-Rechner benötigt. So kann man bereits mit relativ geringem Aufwand und Kosten im eSport aktiv werden. Ein weiteres Argument für den eSport: niemand wird wegen seines sozialen Status, seines Geschlechts oder Aussehens diskriminiert, da diese Merkmale nicht ersichtlich sind. Was letztendlich zählt, ist die Leistung im Spiel. Zudem durchbrechen Computerspiele Altersbarrieren, abgesehen von dem Mindestalter. So spielen Personen unterschiedlichster Altersgruppen zusammen oder gegeneinander und können voneinander lernen.
Eine der Eigenschaften von eSport, die man sowohl positiv als auch negativ sehen kann, sind die schnellen Erfolgserlebnisse. Egal ob es Punkte sind, die wir sammeln, Monster, die wir zur Strecke bringen oder andere Spieler, die wir besiegen – unsere Leistung wird bestätigt. Ein schönes Gefühl, das uns im Alltag oft verwehrt bleibt, und vermutlich einer der Gründe, weshalb sich so viele Menschen vom eSport angezogen fühlen.
eSport und Kinder
Wie viel Daddeln am Tag ist O.K.? Wie schütze ich mein Kind vor nicht altersgerechten Spielen? Diese Frage treibt nicht wenige Eltern um.
Klar ist: Gaming komplett zu verbannen ist wenig zielführend und stärkt den Reiz des Verbotenen. Experten raten eher dazu, sich mit den Inhalten der Spiele zu beschäftigen. Auf dem Markt gibt es tolle Spiel, aber auch viel Schrott. Je besser Eltern sich auskennen, desto eher können sie einschätzen, ob ein Spiel für ihr Kind geeignet ist, und das Interesse an eSports in gute Bahnen lenken.
Aufgeschlossenheit gegenüber Computerspielen bedeutet natürlich nicht, Kinder stundenlang vor der Spielemaschine zu „parken“! Denn körperliche Aktivität ist gerade für Kinder wichtig und hat positive Auswirkungen auf die motorische und kognitive Entwicklung.
eSport und Sucht
Bei aller Faszination der virtuellen Welten darf der Suchtfaktor von Computerspielen nicht verschwiegen werden.
Aus dem Drogen- und Suchtbericht 2016 der Bundesregierung geht hervor, dass in Deutschland unter den Neuntklässlern rund 1,2 Prozent von einem „pathologischen Spielverhalten“ betroffen sein könnten. Jungen sind dabei signifikant häufiger betroffen als Mädchen. Bei Erwachsenen wird der Anteil auf 0,8 Prozent geschätzt. „Hinzu kommt noch eine größere Zahl von Personen, die nicht ein pathologisches, aber ein riskantes Spielverhalten aufweisen“, so die Verfasser des Berichtes. Untersuchungen zufolge verhält sich das Gehirn von Computerspielabhängigen ähnlich wie bei Alkoholsüchtigen, da gleiche Gehirnregionen aktiviert werden.
Anzeichen von Suchtverhalten können Leistungseinbrüche, zum Beispiel schlechtere Schulnoten oder Schwänzen, Schlafstörungen oder psychische Erkrankungen sein.
Fazit
Computerspiele haben einen festen Platz in unserer Gesellschaft. Sie unbesehen zu verurteilen, ist falsch! Das Spielen am Computer schult Koordination und Motorik, strategische Fähigkeiten und das vernetzte Denken im Team. Niemand muss „Ballerspiele“ wie Counter Strike mögen. Aber zumindest grob zu wissen, worum es geht, schadet nicht. eSport als Bestandteil eines sportlichen, vielseitigen Lebens – warum nicht?
Ihr Ingo Froböse
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