Dr. Ingo Froböse

Sind Sie auf dem Weg zum Burnout?

Von Prof. Dr. Ingo Froböse
Aktualisiert am 27. Dez. 2018
Mann mit weißem Hemd schaut erschöpft aus dem Fenster

Die Zahlen sind alarmierend: Laut DAK-Gesundheitsreport sind fast 15 Prozent aller Krankmeldungen mittlerweile auf psychische Probleme zurückzuführen. In den meisten Fällen ist ein Burnout die Ursache. Wer die Signale rechtzeitig erkennt, kann schlimmere Schäden abwenden.

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Wann waren Sie das letzte Mal wirklich „offline“, liebe EAT SMARTER-Leser, haben bewusst das Smartphone, das Tablet und den Laptop zur Seite gelegt? Haben sich gestattet, faul zu sein und einfach nichts zu tun?

Ich beglückwünsche Sie, wenn Ihnen ohne langes Nachdenken ein solcher Moment einfällt. Denn laut dem „Stressreport Deutschland 2012“, der von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin herausgegeben wird, fühlt sich mehr als jeder Zweite in seinem Job gestresst und überfordert. Die Hauptursachen: Multitasking, gefolgt von starkem Termin- und Leistungsdruck sowie Störungen und Unterbrechungen während der Arbeit. 16 Prozent der deutschen Arbeitnehmer arbeiten mehr als 48 Stunden pro Woche – Abend- und Wochenendarbeit nicht eingerechnet ist. Gerade diese „Arbeitswütigen“ legen kaum Pausen ein, oder aber sie nutzen ihre Pausen für weitere Aufgaben.

In einem Zustand von Grundstress zu leben, ist für die meisten von uns inzwischen völlig normal. Laut einer Studie der Harvard-Universität befinden wir uns ständig in einer sogenannten »neurologischen Kontraktion«, also in einer Daueranspannung des Nervensystems. In diesem Zustand steht uns nur noch die Hälfte unserer Gehirnleistung dauerhaft zur Verfügung. Klingt nicht gesund – ist es auch nicht. Der Körper, auf den sich der Stress ebenfalls auswirkt, sendet klare Warnsignale. Einige sind Ihnen wahrscheinlich bereits begegnet:

  • Kopfschmerzen
  • Verspannungen, Muskelzucken
  • Magen-/Darmprobleme
  • Zähneknirschen
  • Gereiztheit
  • Lustlosigkeit
  • Gefühl der Überforderung
  • Allgemeine Unruhe, Antriebsarmut
  • Schlafstörungen
  • Sexuelle Probleme/Dysfunktion
  • Denkblockaden, Konzentrationsprobleme
  • Vergesslichkeit

Registrieren Sie eines oder mehrere dieser SOS-Signale häufiger, sollten Sie reagieren. Denn wenn das Stresssystem in der langfristigen Anspannung hängen bleibt, ist Erholung kaum noch möglich, und der Druck nimmt Tag für Tag unmerklich zu. Wer diesen Prozess nicht rechtzeitig bewusst unterbricht und sich Zeit für Regeneration und Pausen nimmt, bekommt früher oder später die Quittung. Denn irgendwann muss der Organismus diese Überspannung unterbrechen, um sich selbst zu schützen.

Es entsteht eine Art Kurzschluss im Nervensystem. Dann geht nichts mehr, ähnlich wie bei einem Computer, der sich „aufgehängt“ hat und erst nach dem Neustart wieder funktioniert. Im menschlichen Körper äußert sich dieser Systemausfall als Blockade im neuroendokrinen System: Die Reizleitung in den Nervenbahnen funktioniert nicht mehr, die biochemischen Botenstoffe erreichen ihr Ziel nicht. Aktiv einzugreifen ist nun nicht mehr möglich – der Körper entzieht sich unserer Kontrolle. „Burnout“ ist das, was wir nun erleben.

Burnout – keine Modeerkrankung

Gerade in Branchen mit hoher Arbeitsbelastung gilt Burnout als Vorwand oder als Zeichen von Schwäche – oder als eine Mode, die schon wieder vorbei gehen wird. Burnout mag zwar ein Modewort sein und ist, anders als eine Depression, keine psychiatrisch anerkannte Diagnose; doch seine Symptome drücken die reale psychische Belastung unserer Gesellschaft aus. Dies untermauern aktuelle Zahlen der gesetzlichen Krankenkassen: In den letzten Jahren, so DAK-Gesundheitsreport, hat sich die Anzahl der Krankheitstage durch die Diagnose Burnout um mehr als 100 Prozent erhöht. Dies kann zu Fehlzeiten von im Schnitt 30 Tagen führen. Generell fühlt sich jeder dritte Arbeitnehmer gestresst und klagt über stressbedingte Symptome. Kopfschmerzen gehören mit 28 Prozent zu den am häufigsten genannten gesundheitlichen Problemen.

Wie nah sind Sie dem Burnout?

Burnout ist noch ein recht junges Syndrom, für das es noch keine anerkannte Definition gibt. Das Krankheitsbild des Burnouts ist vielfältig; es muss diesbezüglich noch viel geforscht werden. Über die wichtigsten „Meilensteine“ auf dem Weg zum Burnout ist sich die Fachwelt jedoch im Großen und Ganzen einig:

  1. Man hat das Gefühl, sich beweisen zu müssen, nicht gut genug zu sein.
  2. Daraus resultiert ein noch intensiveres Engagement.
  3. Dabei werden eigene Bedürfnisse übergangen und zurückgestellt.
  4. Eigene Konflikte und Bedürfnisse werden verdrängt.
  5. Man rechtfertigt und verleugnet seine daraus folgenden Probleme.
  6. Man zieht sich zurück aus der Kommunikation mit Freunden und der Familie und verlässt das gesellschaftliche Leben.
  7. Man wird gefühlskalt, sarkastisch und verliert zu sich selbst den Kontakt, funktioniert nur noch.
  8. Man verspürt innere Leere und depressive Verstimmungen.
  9. Burnout als völlige seelische und psychische Erschöpfung und völliger Verlust der Leistungsfähigkeit.

Gegen die Vorgänge in den Phasen 1 bis 5 kann man in der Regel bewusst angehen und mit oder ohne professionelle Unterstützung Lösungen entwickeln und in die Realität umsetzen. Ab Stufe 6 benötigt man jedoch zwingend professionelle Hilfe und in vielen Fällen auch medizinische Betreuung. Ganz sicher ist für einen gewissen Zeitraum eine Distanz zur Arbeit nötig.

In der vom Arzt verordneten „Zwangspause“ realisieren Burnout-Patienten oft das erste Mal, dass ihr Leben nur noch um die Arbeit kreist. Wie dieser Teufelskreis unterbrochen werden kann, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich: Dem einen hilft eine Verhaltenstherapie, während bei anderen Betroffenen bereits ein gutes Seminar für Zeitmanagement den größten Druck nimmt. Auch Entspannungsmethoden wie autogenes Training, Sport und Bewegung haben einen positiven Einfluss auf die Seele.

Strategie gegen den Burnout

Sich aus dem Erschöpfungstal des Burnouts wieder zurück zu kämpfen ist nicht einfach. Daher gilt es, gegen das Stress-Dauerfeuer des Alltags eine nachhaltige Strategie zu entwickeln. Dazu gehören Inseln des Nichtstuns ebenso wie knackige Sporteinheiten, die uns fordern und auf andere Gedanken bringen. Entspannungsübungen für zwischendurch wie Atemtechniken oder Muskelentspannung helfen zudem, in akuten Stresssituationen entspannt zu bleiben.

Weitere Bausteine für ein Leben mit gesunder Balance zwischen Anstrengung und Erholung möchte ich Ihnen in den kommenden Wochen vorstellen, liebe EAT SMARTER-Leser. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine schöne Woche mit genussvollen Faulenzer-Inseln!

Ihr Ingo Froböse

 

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