Warum Sie beim Ölziehen kein Kokosöl benutzen sollten
Seit Tausenden von Jahren wird das Ölziehen in der ayurvedischen Heilkunst eingesetzt, nun wird es von Fans alternativer Heilmethoden wiederentdeckt. Wogegen die tägliche Kur mit Öl wirklich hilft und warum Kokosöl nicht die optimale Wahl ist, erklärt Fitness-Doc Ingo Froböse.
Es klingt zunächst befremlich, liebe EAT SMARTER-Leser: Jeden Morgen einen ordentlichen Schluck Öl in den Mund nehmen, ordentlich spülen und gurgeln stärkt Zähne, Zahnfleisch und den gesamten Organismus. "Ölziehen"; eine Praxis, die lange nur von engagierten Yogis betrieben wurde, erlebt ein Comeback. In Zeiten, wo jedes Lebensmittel mit dem Prädikat "Detox" beworben wird, klingen die Effekte des Ölziehens auch wirklich verheißungsvoll: Nicht nur schädliche Bakterien in der Mundflora, sondern auch Giftstoffe aller Art sollen durch die Öl-Wasser-Mischung aufgenommen und ausgespült werden.
So gesund ist Ölziehen
Das erste Mal schrieb ich bei EAT SMARTER im Jahr 2015 über das Ölziehen und bekam Zuschriften von Lesern, die mir bestätigten, dass diese Praktik bei ihnen deutlich Effekte über die Zahngesundheit hinaus hatte. Für die Vorteile in Sachen Mundgesundheit gibt es mittlerweile einige Belege. Eine im Journal for Contemporary Dental Practice 2016 vorgestellte Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine Mundspülung mit Kokosöl die Anzahl der Mundgeruch fördernden Bakterien Streptokokkus Mutans im Speichel genau so senkt wie eine Spülung mit Chlorhexidin. Fazit der Studienautoren: "Ölziehen ist eine sichere und effektive Alternative zu Chlorhexidin." Eine weitere Studie, die 2015 im Nigerian Medical Journal vorgestellt wurde, kam zu dem Schluss, dass Ölziehen mit Kokosöl die Bildung von Plaque und damit das Risiko einer Zahnfleischentzündung statistisch signifikant senkt.
Insgesamt ist die Studienlage zum Thema Ölziehen, vor allem bezogen auf weitergehende Gesundheitseffekte, jedoch recht dürftig. So lange kein wissenschaftlich fundiertes Urteil gefällt werden kann, gelten das individuelle Empfinden und der Satz: Die Erfahrung lehrt uns manches, das die Wissenschaft noch nicht beweisen konnte. Der Effekt von kleinen Intervention lässt sich weiterhin immer nur schwerlich nachweisen.
Was Sie wissen sollten, wenn Sie Kokosöl benutzen
Besonders beliebt für das Ölziehen ist Kokosöl. Das liegt zum einen an dem angenehmen Geschmack des Tropenöls, aber auch an seinen Gesundheitseffekten. Hintergrund: In Kokosöl ist Laurinsäure enthalten, die antibakteriell wirken soll – siehe die weiter oben zitierte Studie. Auch einen Einfluss auf das Herzkreislaufsystem sowie erhöhte Cholesterinwerte soll Laurinsäure haben. Der Forschungsbedarf ist allerdings noch groß.
Warum ich Ihnen trotzdem rate, lieber auf kalt gepresstes Sesam-, Oliven- oder Sonnenblumenöl zu setzen? Jedes Töpfchen Kokosöl – sei es auch noch so "bio" und nachhaltig" – hat einen weiten Weg hinter sich, bevor es bei uns in den Supermarktregalen steht. Zu den größten Lieferanten von Kokosnüssen zählen Indonesien, die Philippinen und Indien, denn Kokospalmen gedeihen am besten in küstennahen Regenwäldern. Von dort werden die Kokosnüsse in Kühlcontainer sehr energieintensiv nach Europa verschifft. Die Kokospalmen, auf denen die Nüsse für den Export wachsen, werden in großen industriellen Monokulturen angebaut, für die der wertvolle Regenwald abgeholzt werden muss. Zwar sind Kokospalmen-Plantagen ökologisch nicht so bedenklich wie Ölpalmen – doch einen Raubbau an den natürlichen Ökosystemen stellen auch sie dar.
Häufig müssen Kokosnüsse von Hand geerntet werden. Vor allem in Thailand, Malaysia und Indonesien werden für diesen Zweck Makaken-Affen gefangen und dressiert, weil sie geschickter sind als Menschen. Häufig wird abgestritten, dass die Dressur und Haltung dieser "Arbeits-Affen" Tierquälerei ist. Am besten schauen Sie sich das untenstehende Video an: Ich finde nicht, dass Wildtiere auf diese Art gehalten und als Arbeitskraft genutzt werden sollten.
Wer sich umweltfreundlich ernähren möchte, verzichtet auf Kokosöl und setzt auf Öle aus lokalem, biologischen Anbau. Die schmecken vielleicht erst einmal gewöhnungsbedürftig, doch sie haben einen ähnlich guten Effekt wie das Öl aus dem Urwald.
Ihr Ingo Froböse
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