Interview

Rückenschmerzen? So bleiben Sie fit im Büro!

Von EAT SMARTER
Aktualisiert am 23. Okt. 2024
Rückenschmerzen kann man vorbeugen. © von Lieres
Rückenschmerzen kann man vorbeugen. © von Lieres

Millionen Deutsche leiden unter Rückenschmerzen. Häufig sind die Probleme eine Folge fehlerhafter Belastungen. Der Experte Kay Bartrow erklärt, wie man Beschwerden vermeiden und seine Rückengesundheit aktiv fördern kann.

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Studien besagen, dass uns langes Sitzen krank macht und Lebenszeit raubt. Stimmt das?

Kay Bartrow: Ich halte diese These für überspitzt formuliert. Natürlich ist langes einseitiges Sitzen nicht förderlich für die Gesundheit. Es kann Rückenprobleme und andere körperliche Beschwerden auslösen. Aber in der Regel ist das Sitzen im Hinblick auf bestimmte Erkrankungen nur eine Komponente von vielen. Auch Ernährung, Stress und der allgemeine Lebensstil wirken sich auf unsere Gesundheit aus.

Was kann man beim Sitzen falsch machen?

Bartrow: Vieles. Erst einmal muss man sagen: Wie bei jeder Körperhaltung ist unser Organismus auch beim Sitzen bestrebt, Gewicht zu verteilen. Wer lange einseitig sitzt, etwa bei der Arbeit im Büro oder bei langen Autofahrten, belastet dadurch automatisch seinen Körper. Auf Dauer kann dies Arthrose, also Gelenkverschleiß, verursachen, die Muskulatur verändern, und auch die Bandscheiben können in Mitleidenschaft gezogen werden. All das lässt sich jedoch vermeiden, wenn man Fehlbelastungen vermeidet und ein paar Übungen in seinen Alltag integriert.

An welche Maßnahmen denken Sie konkret?

Bartrow: In der Rückenschule wurde einst gepredigt, man solle in einer aufrechten Haltung sitzen, stets den Rücken gerade halten. Aber das hält auf Dauer kein Mensch durch! Dafür ist unsere Muskulatur viel zu schwach. Heute heißt das Zauberwort: Variabilität. Man darf durchaus mal gebeugt sitzen, sich in seinen Schreibtischstuhl lümmeln. Ich rate sogar dazu, hin und wieder die Beine auf den Tisch zu legen, wenn man beispielsweise ein längeres Schriftstück lesen muss. Das entspannt und entlastet den Körper. Sie sollten diese Position natürlich nicht einnehmen, wenn Sie Besuch erwarten. Aber ansonsten heißt es: keine falsche Scham! Die Haltung hat nichts damit zu tun, ob man seinen Job vernünftig macht. Nutzen Sie die Armlehnen Ihres Bürostuhls, und stützen Sie sich darauf ab. Dadurch wird ein Teil des Gewichts aufgenommen, sodass der Körper entlastet wird. Lehnen Sie sich auch einmal bewusst hinten an Ihren Stuhl an, oder sitzen Sie eine Zeit lang vorne an der Kante. Sinnvoll ist es zudem, sein Gewicht von Zeit zu Zeit für 30 bis 40 Sekunden auf die eine und dann auf die andere Gesäßhälfte zu verlagern. Das fördert Muskulatur und Gleichgewicht. Und stehen Sie ab und zu auf. Gehen Sie beim Telefonat ein paar Meter durch das Büro. Selbst das unterstützt die Gesundheit.

Ist es tatsächlich besser zustehen als zu sitzen?

Bartrow: Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich habe viele Patienten, die im Einzelhandel tätig sind und den ganzen Tag über stehen – auch sie kämpfen mit Rückenproblemen. Fakt ist: Langes einseitiges Stehen kann – ebenso wie einseitiges Sitzen – Beschwerden verursachen. Studien haben gezeigt, dass der Unterschied zwischen diesen beiden Körperhaltungen im Hinblick auf die Gesundheit gar nicht so groß ist, wie man allgemein annimmt. Einzig die Folgen einer dauerhaft falschen Belastung unterscheiden sich: Während Menschen, die lange einseitig stehen, meist unter Bandscheibenproblemen leiden, klagen jene, die vor dem Computer sitzen, primär über Schmerzen im Nacken- und Lendenwirbelbereich.

Wie lange am Stück sollte man maximal sitzen?

Bartrow: Diese Frage muss jeder individuell beantworten, denn wie lange man beschwerdefrei sitzen kann, hängt unter anderem von der Tagesform und der allgemeinen Konstitution ab. Ich rate meinen Patienten allerdings, spätestens alle drei Stunden aufzustehen und ein wenig umherzugehen. Bewegung kommt bei einem Bürojob meist viel zu kurz. In der Physiotherapieschule, in der ich unterrichte, dürfen die Schüler genau das: durch den Raum wandern, sich bewegen – natürlich ohne dabei laut zu werden. Das funktioniert wunderbar. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Aufmerksamkeit darunter nicht leidet. Im Gegenteil: Bewegung erhöht unsere Konzentrationsfähigkeit. Angesichts dessen plädiere ich dafür, auch in der Arbeitswelt umzudenken und ab und zu ein Meeting stehend oder in Bewegung zu absolvieren. Wir drohen, zu einer Sitzgesellschaft zu werden. Im Hinblick auf unsere Rückengesundheit sollten wir etwas dagegen tun.

Was kann man noch tun, um seinen Rücken zu entlasten?

Bartrow: Es gibt viele Trainingsaccessoires, die man auf den Schreibtischstuhl legen kann und auf denen man eine Zeit lang sitzen kann – der sogenannte Igel- oder Tennisball gehören dazu. Eine Alternative ist der Gymnastikball, der ebenfalls Abwechslung beim Sitzen bringt. Außerdem ist es wichtig, in seiner Freizeit Sport zu machen und auch hier die Routine zu durchbrechen. Bewegung darf nicht zum Pflichtprogramm werden: Spaß gehört dazu!

Interview: Janina Darm

DER EXPERTE

Kay Bartrow ist Physiotherapeut mit den Schwerpunkten Kiefer- und Trainingstherapie, arbeitet in einer Praxis in Balingen und veröffentlichte jüngst das Buch „Schwachstelle Rücken“ (Trias Verlag), in dem er unter anderem Bewegungs- und Nerventests sowie diverse Rückenübungen vorstellt.


Mehr Infos: www.physiotherapie4u.de

 

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