Ernährungsberatung ist nicht verschreibungsfähig
In dieser Woche muss ich an dieser Stelle mal meinem Unmut Luft machen. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat vor einigen Monaten der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA – das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland) beschlossen, dass die ambulante Ernährungsberatung nicht als Heilmittel in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird.
Keine qualifizierte Ernährungstherapie
Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Patienten mit Zöliakie, Schwangerschaftsdiabetes, Typ-2-Diabetes, Nahrungsmittelallergien, Adipositas oder auch Bluthochdruck kein Anrecht darauf haben, dass ihre Krankenkasse die Kosten für eine qualifizierte (und notwendige!) Ernährungstherapie übernimmt. Die stimmberechtigten Vertreter im G-BA sehen es nicht als ausreichend bewiesen an, dass eine alleinige Ernährungstherapie diesen Patienten nachhaltig nützt.
Deshalb entscheiden weiterhin die Krankenkassen jeweils im Einzelfall ob und wie viel an Ernährungsberatung sie einem Patienten zugestehen und bezahlen. Ich finde (und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da): Das ist ein ganz schönes Ding! Die oben genannten Krankheiten gelten allesamt als international anerkannt und wissenschaftlich unbestritten als ernährungsabhängige oder ernährungsmitbedingte Erkrankungen.
Bedeutung der Ernährungsumstellung
Sämtliche Fachgesellschaften, die die Behandlungskonzepte für diese Krankheiten entwickeln, nennen in ihren Leitlinien diätetische Maßnahmen als primäre Therapie – in der Regel verknüpft mit einer Steigerung der Bewegungszeit. Nach Angaben der WHO (Weltgesundheitsorganisation) könnten bis zu ¾ an Schlaganfällen, Herzinfarkten und Diabetes durch einen gesunden Lebensstil vermieden werden. Wieso kommt der G-BA zu einer anderen Einschätzung?
Wenn ich das richtig sehe, wird hier eine gute, effektive und zudem kostengünstige Therapieform Opfer rechtlicher Spitzfindigkeiten. Der G-BA war gerichtlich aufgefordert worden über den Nutzen einer alleinigen Diättherapie bei besagten Krankheitsbildern zu befinden. Dies ist praktisch jedoch gar nicht möglich. Studien, in denen zum Beispiel Adipöse nur mit einer Ernährungstherapie behandelt werden, gibt es nämlich nicht (bzw. in zu geringer Zahl), weil sie nach heutigem Verständnis ethisch nicht vertretbar wären.
Es besteht international in sämtlichen Expertengremien Einigkeit, dass im Fall des Krankheitsbildes Adipositas stets eine Kombinationstherapie aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensmodifikation anzuwenden ist. Was nicht heißt, dass eine Ernährungstherapie alleine nichts bewirken würde – sondern nur, dass die bestmöglichen Aussichten auf Erfolg durch eine sogenannte „multimodale“ Therapie zu erzielen sind.
Ein anderes Beispiel: Zöliakie, eine schwere Unverträglichkeit gegen das Getreideeiweiß Gluten. Es gibt kein Medikament gegen diese Krankheit. Die einzige Chance für die Patienten besteht in der konsequenten Vermeidung bestimmter Getreidesorten in der Ernährung. Theoretisch kann man darüber natürlich eine Menge im Internet nachlesen... Praktisch ist es für einen Laien jedoch völlig unmöglich die eigene Grundversorgung mit Nährstoffen sicherzustellen, Mangelerscheinungen sowie einer Abmagerung vorzubeugen, wenn diverse Getreide in der Ernährung nicht vorkommen dürfen.
Dafür bedarf es der Anleitung durch Diätassistenten/innen oder Ernährungsberater/innen. Alles in allem eine absolut vertane Chance in unserem Gesundheitssystem. Insbesondere, da Ernährungstherapie im Vergleich zu medikamentösen Therapien kostengünstig ist und der Nutzen ein etwaiges Risiko bei weitem überwiegt. Aber wir leben in Deutschland – und hier sind bekanntermaßen so manche bürokratischen und juristischen Hürden sehr hoch.
Ihre Alexa Iwan (Dipl. Ökotrophologin)
Siehe auch: Positionspapier von DGEM, DAG, DDG, DGVS, DGK, DAEM, BDEM, Deutscher Allianz für nichtübertragbare Krankheiten und VDOE anlässlich des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesauschusses vom 9. Februar 2015: http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/daten/Artikel_Praev_Ges_2016.pdf
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