Gesund leben: Das rät der Ernährungspsychologe
Der Hamburger Ernährungspsychologe Prof. Dr. Joachim Westenhöfer plädiert für mehr Ruhe und Gelassenheit in unserem Alltag. Essen, sagt er, sei vor allem Genuss und Freude. EAT SMARTER hat Westenhöfer seine 10 besten Tipps für ein gesundes Leben verraten.
Das menschliche Essverhalten zwischen Ernährungswissenschaft, Psychologie, Pädagogik und Medizin ist Gegenstand des Fachbereichs Ernährungspsychologie. Die Frage, warum wir essen, wie wir essen, wird hier ebenso thematisiert wie das Ziel, Menschen für eine gesunde Lebensweise zu begeistern und ihnen dabei zu helfen, abzunehmen bzw. ihr Gewicht zu halten. Worauf also kommt es an, wenn man sich gesund und ausgewogen ernähren möchte? Wir haben bei Prof. Joachim Westenhöfer von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg nachgefragt. Der Ernährungspsychologe gibt 10 Tipps.
1. Nehmen Sie sich Zeit und Ruhe für den Genuss
Gesundheit geht damit los, dass man sich Zeit nimmt und Ruhe gönnt – vor allem bei den Mahlzeiten. Der Tag hat 24 Stunden. Das gilt für jeden Menschen. Wer vorgibt, aufgrund von Stress und Arbeit keine Zeit für ein ausführliches Essen zu haben, setzt seine Prioritäten schlichtweg anders als jemand, der seine Mahlzeiten ganz in Ruhe zu sich nimmt und die Speisen genießt. Es ist also eine sehr individuelle Frage, ob man die Empfehlung für mehr Zeit beim Essen beherzigt – oder aber bewusst umgeht. Für die Gesundheit, so viel steht fest, sind Ruhe und Genuss auf jeden Fall förderlicher, als wenn man im Vorbeigehen ein Brötchen oder einen Burger verschlingt.
2. Fernsehen oder andere Aktivitäten während einer Mahlzeit sind tabu
Essen ist etwas Sinnliches. Etwas, das Freude bereiten soll und eine zentrale Bedeutung in unserem Leben einnimmt. Ohne Nahrung können wir nicht existieren. Deshalb sollten wir darauf achten, dass wir bewusst essen und genießen. Nebenbeschäftigungen wie Fernsehen oder Zeitunglesen während einer Mahlzeit sollten wir dringend vermeiden. Wer sich nicht auf das Essen konzentriert, läuft Gefahr, die Übersicht darüber zu verlieren, wie viel er eigentlich zu sich genommen hat. Außerdem isst man schneller, wenn man durch Medien oder andere Dinge abgelenkt wird. Gesund ist das ganz sicher nicht.
3. Finden Sie den Mahlzeiten-Rhythmus, der zu Ihrem Leben passt
Ein klarer Rhythmus bei den Mahlzeiten fördert die Gesundheit und hilft dem Körper bei der Verarbeitung der Nährstoffe. Das bedeutet nicht, dass Sie morgens um 8 Uhr, mittags um 12 Uhr und abends um 18 Uhr essen müssen: Wichtig ist nur, dass Sie einen eigenen Rhythmus finden und feste Rituale in Ihren Lebensalltag integrieren, die Ihnen Halt und eine Orientierung bei der Ernährung geben.
4. Integrieren Sie Bewegung in Ihren Alltag
Bewegung ist wichtig für die Gesundheit. Deshalb sollten Sie darauf achten, eine Sportart, die Ihnen Freude bereitet, in den Alltag zu integrieren. Sollte Ihnen die Motivation dazu fehlen, rate ich Ihnen: Verabreden Sie sich mit einem Freund oder einer Freundin zum Laufen, Schwimmen oder Tennisspielen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sie das Training tatsächlich in die Tat umsetzen.
5. Finger weg von Mood-Food und anderen Versprechen
Mood-Food – schon einmal gehört? Bestimmte Lebensmittel sollen glücklich machen. Schokolade ist eines von ihnen. Doch von solchen Versprechungen sollte man sich nicht täuschen lassen. Fakt ist nämlich: Jedes Essen kann glücklich machen, wenn man es nicht zu häufig zu sich nimmt.
6. Verzichten Sie auf Ernährungsverbote
Keine Süßigkeiten mehr, kein Abendessen nach 18 Uhr – diese und andere Ernährungsverbote sollten Sie schleunigst aus Ihrem Kopf verbannen. Durch derartige Regeln steigert sich nämlich das Verlangen nach dem Verbotenen, und die Gier wächst und wächst und lässt uns letztlich häufig schwach werden. Vor allem bei Diäten sind Ernährungsverbote äußerst kontraproduktiv. Seien Sie also nicht zu streng mit sich, und gönnen Sie sich auch mal ein Stück Kuchen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich insgesamt gesund und ausgewogen ernähren.
7. Essen Sie süße Speisen am besten zum Nachtisch
Vieles im Leben basiert auf Gewohnheiten. Deshalb ist es für eine gesunde Lebensweise entscheidend, dass man schlechte Gewohnheiten und Rituale aktiv verändert und durch neue, positive ersetzt. Eine schlechte Gewohnheit, mit der sich viele Leute herumplagen, ist das Naschen zwischendurch. Ein Stück Schokolade hier, ein paar Gummibärchen dort – gerade in Stresssituationen verfallen Menschen in Gewohnheiten, die alles andere als gesund sind. Mein Rat lautet deshalb: Essen Sie Süßes als Nachtisch, und machen Sie dies zu einer Art Ritual. So können Sie Ihre ursprüngliche Süßigkeiten-Gewohnheit leichter ablegen und eine neue, kontrollierbare etablieren.
8. Suchen Sie sich eine Aktivität, bei der Sie abschalten und entspannen können
Viele Leute setzen sich vor den Fernseher, um sich zu entspannen. Ich sage: Suchen Sie sich lieber eine aktive Form der Bewegung, die Sie zur Ruhe kommen lässt und einen Ausgleich zum stressigen Alltag schafft. Malen Sie Bilder oder spielen Sie ein Instrument. Suchen Sie sich etwas, das Freude bereitet. Sport ist davon übrigens ausgenommen, weil er eher aktivierend als entspannend wirkt.
9. Setzen Sie sich grundsätzlich realistische Ziele
Erfolgserlebnisse motivieren uns, sie sorgen dafür, dass wir zufrieden sind. Jegliche Ziele im Leben sollten allerdings realistisch und umsetzbar sein. Ist dies nicht der Fall, führt das häufig zu Frust und Verdrossenheit. Wer beispielsweise abnehmen möchte, sollte nicht davon ausgehen, dass binnen eines Monats zehn Kilo verschwunden sind. In der Ruhe liegt die Kraft!
10. Suchen Sie sich etwas Sinnerfüllendes im Leben
Um ein glückliches und gesundes Leben führen zu können, sollten Sie sich etwas Sinnerfüllendes suchen – egal ob im Bereich des Jobs oder aber privat. Genau dies beschert uns nämlich eine positive Lebenseinstellung, die entscheidend für ein langes und gesundes Leben ist.
Interview: Janina Darm
Teil 1 der Serie: „Gesund leben“: Das rät die Ernährungswissenschaftlerin