Geliebtes Amerika
Amerika hat den Grand Canyon. Grandios! Ich war gerade dort... Amerika hat die Route 66. Sehr cool! Ich bin gerade ein Stück davon gefahren... Amerika hat den walk of fame. Famous! Ich bin gerade drüber gelaufen... Vor allem aber hat Amerika Menschen – sehr, sehr freundliche, hilfsbereite, entspannte, nette, positiv denkende und gutgelaunte Menschen. Ich habe gerade wieder einige von ihnen kennengelernt. Und ich liebe dieses Land und seine Menschen von ganzem Herzen! Soviel sei vorneweg gesagt.
Amerika hat aber noch etwas – nämlich ein großes Problem. Und das heißt Übergewicht. Bereits heute gibt es einzelne US-Bundesstaaten, in denen mehr als 30 Prozent der Bevölkerung fettleibig ist. Hochrechnungen zufolge wird im Jahr 2030 jeder zweite Amerikaner übergewichtig sein. Eine Katastrophe für die betroffenen Menschen und das Land. Die Weltgesundheitsorganisation spricht deshalb schon seit einigen Jahren von einer Adipositas-Epidemie.
In wissenschaftlichen Kreisen wird im Zusammenhang mit der Entstehung von Übergewicht und Adipositas von einem „multifaktoriellen Geschehen“ gesprochen. Das bedeutet: es gibt viele Ursachen, Gründe und Auslöser. Nachgewiesenermaßen und nachvollziehbarermaßen.
Allerdings muss man kein Wissenschaftler sein, um nach einem Gang durch einen amerikanischen Supermarkt, sagen zu können: SO kann das nicht funktionieren! Die Obst- und Gemüseabteilung mündet in der Regel direkt in die Abteilung „Backwaren“: Toast, Toast und nochmal Toast, außerdem handtellergroße Cookies, quietschbunte Cupcakes, Torten mit 50 cm Durchmesser. Wer hält sich bei so einem Anblick schon lange bei den Möhren auf...? Einmal um die Ecke findet sich dann meist das Chipsregal – so lang, dass, wenn man neben der ersten Tüte steht, man die Letzte noch nicht sehen kann. Aber wenn Chips eine völlig normale Beilage zum Essen sind, braucht man natürlich auch Auswahl... Gegenüber gibt´s Orangensaft, die kleinste Einheit sind zwei Liter. Im Sonderangebot sind allerdings stets die 5-Liter-Kanister. Sind amerikanische Familien wirklich so viel größer als europäische? Fischstäbchen gibt es jedenfalls in Packungen mit 44 Stück und die Fertig-Pizzen sind teilweise so groß wie ein Autorad. Überhaupt gibt es fast alles fertig und abgepackt -- sogar hartgekochte, gepellte Eier. Im Milchregal wird kurzfristig die „Notbremse“ gezogen: hier sucht man Vollmilch meist vergeblich, ebenso Naturjoghurt. Alles ist fettreduziert oder sogar fettfrei. Wie viele Zusatzstoffe, Füllstoffe und Zucker stattdessen drin sind, scheint niemanden zu interessieren. Und wenn man am Ende an der Kasse steht und feststellt, dass man tatsächlich die Möhren vergessen hat, dann lachen einen aus bequemster Griffhöhe frittierte Kartoffelstäbchen mit Karottengeschmack an.
Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Man kann in Amerika ganz hervorragende Lebensmittel kaufen und man kann auch ganz toll essen gehen – wenn man das nötige Kleingeld mitbringt und weiß, wo man hingehen muss. Im normalen Supermarkt ist es eher schwierig, dort ist „convenience“ die vorherrschende Macht. Hinzu kommt, dass es für jedes amerikanische Kleinkind bereits völlig normal ist, zum Abendessen in ein Fast Food-Restaurant zu gehen. Burger, Pommes, Ketchup, Coke – ich nehme an, auf den Geschmack kommen die Kleinen schon mit der Muttermilch.
Ein Volk isst sich in den Abgrund. Billige Kohlenhydrate so weit das Auge reicht, fett-triefendes Fast Food, welches mit fruktose-gesüßten Softdrinks runtergespült wird, zum Ausgleich ein fettfreier Joghurt als Nachtisch. Liebe Leute, das kann nicht gut gehen!
Gibt es eine Lösung für das Problem? I don´t know. Kann man ein ganzes Volk zum Umdenken bewegen? Ich fürchte, das ist unrealistisch. In Amerika gibt es, genau wie bei uns, unzählige Gesundheits- und Aufklärungskampagnen. Sie scheinen wenig zu fruchten. Pommes, Burger, Chips & Coke scheinen eine zu starke Gegner-Combo.
Zitat meines Mannes nach einigen Tagen auf unserer Reise: „Das Land ist toll, aber das Essen ist echt eine Herausforderung...“ Und so sehr ich dieses Land liebe und so gerne ich immer wieder hinfahre – nach der Rückkehr muss ich jedes Mal als allererstes einen richtigen Vollmilchjoghurt essen.
Mit nachdenklichen Grüßen, auch in Richtung Übersee,
Alexa Iwan
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