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Diese Essstörungen sollten Sie kennen

Von Wenke Gürtler
Aktualisiert am 15. Nov. 2021
© Pexels/ Alex Green
© Pexels/ Alex Green

Magersucht, Bulimie und Binge-Eating: Wenn das Verhältnis zum Essen und zum eigenen Körper gestört ist, hat das dramatische Folgen für Körper und Seele. Erfahren Sie mehr über die einzelnen Essstörungen und wo Betroffene und Angehörige Hilfe finden.

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Inhaltsverzeichnis

  1. Was sind die Gründe für Essstörungen?
  2. Was gibt es für Essstörungen?
    1. Magersucht (Anorexia nervosa)
    2. Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)
    3. Binge-Eating-Störung
  3. Was kann man gegen eine Essstörung tun?
  4. Kann man Essstörungen vorbeugen?
  5. Wissen zum Mitnehmen

Nicht selten beginnt es mit einer harmlosen Diät; ein paar Pfunde sollen verschwinden. Kommen noch andere Umstände hinzu, kreisen am Ende die Gedanken nur noch um das Thema Ernährung, Figur und Gewicht: Die Rede ist von einer Essstörung. Sie ist eine ernst zu nehmende psychische Störung, die sich meist im Kindes- und Jugendalter entwickelt. Auch erkranken überwiegend Mädchen und junge Frauen, nur jeder zehnte Patient ist männlich. Doch was sind die Ursachen? Und welche Formen gibt es genau?

Was sind die Gründe für Essstörungen?

Warum manche Menschen an einer Essstörung erkranken und andere nicht, kann die Wissenschaft bis heute nicht vollständig beantworten. Inzwischen weiß sie zumindest, dass als Ursache mehrere Faktoren zusammentreffen: Gene, Hormone, psychische und familiäre Probleme. In vielen Fällen haben die Personen ein geringes Selbstwertgefühl und einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst, sei es in der Schule oder beim Sport. Sie sind zielstrebig, ehrgeizig und perfektionistisch. 

Auch spielt heutzutage Social Media eine immer größere Rolle. Hier werden Nutzer:innen jeden Tag mit dem schlanken Schönheitsideal konfrontiert. Das steigert insbesondere bei Heranwachsenden die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. 

Merke!
Essstörungen haben nicht nur die eine Ursache, sondern es spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle, darunter Gene, Hormone, Persönlichkeitsmerkmale, Social Media, psychische und familiäre Probleme.

Was gibt es für Essstörungen?

Eine Essstörung kann sich auf verschiedene Weise zeigen, etwa als Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating. Sie treten aber nicht immer in Reinform auf, denn Mischformen sind häufig und Übergänge fließend. Wir stellen Ihnen die drei Hauptformen vor:

1. Magersucht (Anorexia nervosa)

Oft fängt es mit einer Diät an, doch der Wunsch, das Gewicht zu kontrollieren, verselbstständigt sich und mündet in die Magersucht, auch Anorexia nervosa genannt. Charakteristisch ist ein starker Gewichtsverlust oder anhaltendes Untergewicht (BMI < 18,5). Obwohl Magersüchtige auffallend dünn sind, empfinden sie sich selbst als unförmig und haben panische Angst zuzunehmen. Damit das nicht passiert, meiden sie energiereiche Lebensmittel, zählen akribisch Kalorien und essen so wenig wie möglich. Und diese Kontrolle verschafft ihnen wiederum ein gutes Gefühl.

Zudem entwickeln viele Patient:innen Rituale, beispielsweise kauen sie jeden Bissen gründlich und langsam, schneiden ihre Nahrung in kleinste Stücke oder essen nach strikten Zeitplänen. Um das Gewicht weiter zu reduzieren, führen einige Erbrechen herbei, schlucken Medikamente oder treiben exzessiv Sport. Durch die Unterernährung werden sie immer kraftloser, frieren ständig und verlieren oft büschelweise Haare. Nicht selten leiden sie an Depressionen oder ziehen sie sich immer weiter in die soziale Isolation zurück.

Im schlimmsten Fall führt die Anorexie zum Tod, etwa wenn Herz, Nieren oder andere Organe schwer geschädigt sind. Mit 10–15 Prozent ist die Sterblichkeitsrate bei Magersucht die höchste aller psychischen Störungen. Um die dramatischen Folgen abzuwenden, ist eine optimale medizinische Betreuung unverzichtbar, am besten so früh wie möglich. Denn wird das Krankheitsbild frühzeitig erkannt und behandelt, sind die Aussichten auf eine vollständige Genesung besonders gut.

Merke!
Typisch für die Magersucht, auch Anorexia nervosa genannt, ist ein starker Gewichtsverlust oder anhaltendes Untergewicht. Obwohl Betroffene auffallend dünn sind, empfinden sie sich selbst als zu dick (Körperschemastörung).

2. Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)

In der Bevölkerung ist die Ess-Brech-Sucht, kurz Bulimie, weiter verbreitet als die Magersucht. Schätzungen gehen davon aus, dass 3 Prozent der 17–35-jährigen Frauen an einer Bulimie erkranken; bei der Anorexie sind es 0,4 Prozent. Im Gegensatz zu Magersüchtigen scheinen Bulimiker:innen oft vollkommen gesund, da sie schlank oder normalgewichtig sind. Das ist jedoch ein Trugschluss, denn sie sind einer Abwärtsspirale aus strengem Diätverhalten und unkontrollierbaren Heißhungerattacken gefangen.

Dabei stopfen sie Unmengen von Nahrung in sich hinein, etwa haufenweise Süßigkeiten und Fast Food. Sie können nicht kontrollieren, was und wie viel sie essen. Typischerweise finden solche Essanfälle heimlich statt, da Betroffene sich schämen. Da sie fürchten zuzunehmen, ergreifen sie Maßnahmen, die ihren Kontrollverlust ungeschehen machen sollen: Sie erbrechen, fasten, nehmen Medikamente ein oder treiben übermäßig viel Sport. Auch das Kompensationsverhalten bleibt meist geheim. Und das Umfeld schöpft mitunter Jahre lang keinen Verdacht. 

Äußerlich ist den Betroffenen allenfalls eine Schwellung der Speicheldrüsen anzusehen und Zahnärzt:innen bemerken häufig ausgeprägte Karies durch ständiges Erbrechen. Ebenso kann die Speiseröhre dauerhaft Schaden nehmen. Einige leiden unter depressiven Verstimmungen, Haarausfall, Konzentrationsproblemen, Verdauungs- oder Herz-Kreislauf-Störungen. Genau wie die Magersucht gehört die Bulimie in medizinische Behandlung, denn die Erkrankten kommen keinesfalls alleine aus dem Teufelskreis.

Merke!
Bei der Ess-Brech-Sucht, kurz Bulimie, kommt es zu typischen Heißhungerattacken mit Kontrollverlust. Um nicht dick zu werden, greifen Betroffene zu allerhand Gegenmaßnahmen. Aus Scham und Schuldgefühlen halten sie Anfälle und Diätverhalten geheim.

3. Binge-Eating-Disorder

In der Allgemeinbevölkerung leiden 2 Prozent an einer Binge-Eating-Disorder, wobei sie bei Frauen 1,5-mal häufiger vorkommt als bei Männern. Charakteristisch sind die wiederkehrenden Essanfälle. Dabei verlieren Erkrankte vollständig die Kontrolle über ihre Nahrungsaufnahme: Sie verschlingen besonders schnell und ohne hungrig zu sein, bevorzugt zucker- und fetthaltige Nahrungsmittel in Mengen, bis ein unangenehmes Völlegefühl eintritt. Wegen der großen Menge finden die Gelage im Verborgenen statt und Betroffene ekeln sich vor sich selbst.

Im Gegensatz zur Bulimie fehlt aber der Versuch, die aufgenommenen Kalorien durch Erbrechen, Hungern oder Sport wieder loszuwerden – und die Mehrzahl der Erkrankten ist übergewichtig oder sogar adipös. Auch fällt es vielen schwer, mit negativen Gefühlen umzugehen und sie kompensieren Ärger, Angst, Trauer oder Stress mit übermäßigem Essen. So lautet ein Betroffenen-Zitat auf der Webseite der Bundeszentrale für Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): „Mit so einem Essanfall stopfe ich das Loch in mir.“ (1) 

Die Personen wissen durchaus, dass ihr Verhalten ungesund ist und ihnen alles andere als guttut. Doch solange sie sich keine Hilfe suchen, sind sie den Heißhungerattacken regelrecht ausgeliefert. Als ersten Schritt können sich Betroffene an die Hausärztin beziehungsweise an den Hausarzt wenden oder eine Beratungsstelle aufsuchen.

Merke!
Menschen mit einer Binge-Eating-Disorder leiden unter immer wiederkehrenden Essanfällen, versuchen aber nicht, das Gewicht durch Erbrechen, Hungern oder Sport zu regulieren. Dadurch ist ein Großteil übergewichtig oder sogar adipös.

Was kann man gegen eine Essstörung tun?

Essstörungen-Tests, die an verschiedenen Stellen angeboten werden, können erste Hinweise geben, ob eine Essstörung vorliegt; die Diagnose können aber nur Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen stellen. Das erfordert zwar viel Mut, aber umso eher eine Behandlung beginnt, desto größer ist die Aussicht auf Erfolg. Weitere Informationen und Beratungsstellen finden Betroffene und deren Angehörige auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.bzga-essstoerungen.de, Stichwort "Hilfe finden".

Lesen Sie mehr: Arztgespräche richtig führen

Nahe Angehörige wie Eltern, Geschwister, aber auch Freundinnen und Freunde sind oft die Ersten, die etwas bemerken, etwa wenn sich der betroffene Mensch zurückzieht, niedergeschlagen ist oder sich ständig mit Essen und Gewicht beschäftigt. Sprechen Sie mit der betroffenen Person und drücken Sie Ihre Sorge darüber aus. Sie können beispielsweise sagen: „Ich bin beunruhigt, weil du dich in letzter Zeit so stark zurückziehst.“ 

Bieten Sie Ihre Hilfe an, indem Sie der betroffenen Person bei der Suche nach Informationen unterstützen, ein offenes Ohr zum Reden haben oder sie zu einem Hilfsangebot begleiten. Sehen Sie aber davon ab, Ernährungsverhalten oder Figur groß zu thematisieren und stellen Sie auch keine Diagnosen.

Merke!
Bei Verdacht sollten sich Betroffene unbedingt professionelle Hilfe suchen, denn alleine lässt sich die Sucht nicht bewältigen. Anlaufstellen sind Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Beratungsstellen. Dabei sind Angehörige wichtige Stützen.

Kann man Essstörungen vorbeugen?

Insbesondere Eltern fragen, wie sie ihre Kinder vor einer Essstörung schützen können. Zwar lassen sich genetische und hormonelle Einflüsse kaum verändern, dennoch können Eltern vielfach vorbeugend Einfluss nehmen, indem sie:

  • sich nicht durch Leistung definieren und von ihren Kindern ebenfalls keine Höchstleistungen fordern,
  • selbst gute Vorbilder sind, was den Umgang mit dem eigenen Körper betrifft, 
  • ihrem Nachwuchs nahebringen, extreme Schönheitsideale und Medien im Allgemeinen kritisch zu hinterfragen, 
  • durch Lob und Zuwendung das Selbstwertgefühl stärken,
  • Raum für eigene Entscheidungen lassen,
  • nicht zum Essen zwingen oder mit Süßigkeiten belohnen, trösten oder ruhigstellen,
  • gemeinsame Mahlzeiten innerhalb der Familie etablieren – frei von Ablenkung und in einer angenehmen Atmosphäre,
  • zeigen, dass Essen Spaß und Genuss bedeutet.

Merke!
Eine Reihe von Faktoren können das Risiko für eine Essstörung reduzieren, darunter ein gestärktes Selbstwertgefühl, der kritische Umgang mit gängigen Schönheitsidealen und ein gesundes Essverhalten, das bereits im Kleinkindalter vermittelt wird.

Wissen zum Mitnehmen

Grundsätzlich lassen sich drei Essstörungen-Arten unterscheiden: Magersucht, Ess-Brech-Sucht und Bing-Eating-Disorder, wobei Mischformen häufig und die Übergänge fließend sind. Kennzeichnend für die Magersucht (Anorexia nervosa) ist das zumeist starke Untergewicht. Obwohl die Menschen auffallend dünn sind, empfinden sie sich selbst als zu dick (Körperschemastörung). Mit Kalorienzählen, Hungern, aber auch Erbrechen, Medikamentenmissbrauch oder Sport kontrollieren sie zwanghaft ihr Gewicht.

Bei der Ess-Brech-Sucht, kurz Bulimie, tauchen Heißhungerattacken auf, die Betroffene nicht kontrollieren können. Um nicht dick zu werden, führen sie ab, erbrechen, fasten oder treiben übermäßig viel Sport. Aus Scham und Schuldgefühlen halten sie Anfälle und Diätverhalten geheim. Folglich bleibt ihr Doppelleben mitunter Jahre lang unentdeckt. Personen mit einer Binge-Eating-Disorder leiden ebenfalls unter nicht kontrollierbaren Essanfällen. Im Gegensatz zur Bulimie bleiben gewichtsregulierende Gegenmaßnahmen jedoch aus. Dadurch ist ein Großteil übergewichtig oder sogar adipös. 

Es gibt eine Reihe von Umständen, die eine Essstörung begünstigen, darunter Gene, Hormone, Social Media, Persönlichkeitsmerkmale, psychische und familiäre Probleme. Es gibt aber ebenso Faktoren, die einen gewissen Schutz bieten, darunter ein gestärktes Selbstwertgefühl, der kritische Umgang mit gängigen Schönheitsidealen und ein gesundes Essverhalten, das bereits im Kleinkindalter vermittelt wird. Liegt eine Essstörung vor, verlangt sie medizinische Betreuung. Anlaufstellen sind Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Beratungsstellen. 


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