April 2019: Baptist University, Hong Kong, China u. a.

Führt Stress in der Kindheit zu Darmproblemen?

Von Cornelia Brammen
Aktualisiert am 26. Nov. 2024

Die frühe Kindheit ist eine kritische Phase bei der weiteren Entwicklung aller körperlichen und seelischen Funktionssysteme. Stress im frühen Kindesalter könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, ob und in welcher Schwere Magen-Darm-Erkrankungen im Erwachsenenalter, einschließlich des Reizdarmsyndroms, ausbrechen.

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Worum ging es bei dieser Studie?

  • Der Zusammenhang zwischen Stress im Kleinkindalter und Reizdarm beim Erwachsenen war bisher nur eine Hypothese, also eine Forschungsannahme.
  • Aus der Tierwelt war es bekannt, dass die Trennung von der Mutter – nach Armut der gravierendste Stress für Kleinkinder – bei Nagetieren Symptome auslöst, die denen des Reizdarms ähneln. Nicht klar war, welche Mechanismen dafür zuständig sind.
  • Die Studie konzentriert sich auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, kurz auf die Stressachse des Körpers. Sie reguliert hormonelle Reaktionen auf Stress, die sich bei der Verdauung, im Immunsystem und im Gefühlsleben zeigen.
  • Besonderes Augenmerk richteten die Forscher auf den Nervenwachstumsfaktor (NGF), ein Protein, das eben genau das tut, wofür der Name steht: Nervenwachstum anregen.  

Wie lautet die zentrale Forschungsfrage?

  • Welcher Mechanismus löst Darmkrankheiten wie Reizdarm bei Menschen aus, die als Kleinkinder Stress (zum Beispiel ausgelöst durch die Trennung von der Mutter) ausgesetzt waren?

Welche Database wurde untersucht?

  • Es handelt sich um kontrollierte Studie mit Ratten. Die Anzahl der Tiere ist nicht bekannt.

Welche Methode wurde angewandt?

  • Eine Rattengruppe wurde von Tag drei bis Tag 14 jeweils für drei Stunden täglich von den Müttern getrennt und nach zwei Monaten für die Analyse getötet. Ein Teil von ihnen wurde mit dem NGF-Antagonisten TrkA behandelt.
  • Eine zweite Gruppe wurde nur mit NDF (Nervenwachstumsfaktor) behandelt.
  • Eine Kontrollgruppe wurde weder getrennt noch behandelt.

Hier finden Sie Reizdarm-Rezepte von EAT SMARTER.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

  • Bei Ratten, denen nach der Geburt NGF gespritzt wurde, traten signifikant stärker Darmerkrankungen, darunter auch Reizdarm, auf.
  • Bei Ratten, die mit einem NGF-Antagonisten behandelt wurden, war die Darmschleimhaut stabiler und sie hatten weniger Erkrankungen.
  • Die Forscher entdeckten erstmals die Rolle von Stammzellen im Darm für die Aufrechterhaltung einer stabilen Darmflora: Sowohl bei Ratten, die von der Mutter getrennt wurden, als auch bei Tieren, die mit dem Nervenwachstumsfaktor behandelt wurden, waren mehr Stammzellen im Darm zu finden als bei der Kontrollgruppe.
  • Stress in der frühen Kindheit kurbelt die Aktivität des Nervenwachstumsfaktors an, was mittelbar den Ausstoß von Serotonin im Verdauungstrakt anregt, was wiederum zu einer Hypersensibilität im Darm führt.
  • Die Studie zeigt erstmals neue Wege für die Therapie von Reizdarm mithilfe von NGF-Antagonisten auf.

Wer hat die Studie finanziert und durchgeführt?

  • Die Studie wurde mit Forschungsmitteln der Nationalen Wissenschaftsstiftung in China finanziert.

Wo ist die Original-Studie zu finden?


BEGRIFFE: Was ist/sind eigentlich...?


Wie bewertet EAT SMARTER diese Studie?

  • Rein schulmedizinischer Ansatz: Die Studie aus Hong Kong ist ein enormer Schritt nach vorn bei der Erforschung von Darmerkrankungen und ihrer Entstehung. Der Fokus liegt auf der Therapie – in diesem Fall der Entwicklung einer medikamentösen Therapie. Und obwohl der Zusammenhang zwischen Stress in der frühen Kindheit und Reizdarm im Erwachsenenalter nun auf der Zellebene so klar dargelegt ist, verlieren die Forscher kein Wort darüber, wie zum Beispiel eine psychosomatische Behandlung von Reizdarm helfen könnte, obwohl es auch dazu viele Studien gibt.  
  • Interessant für nicht-medikamentöse Therapien: Die Studie liefert aber dennoch wertvolle Anregungen für eine nicht-medikamentöse Behandlung von Reizdarm: Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, gezielte Sportprogramme. So gibt es bereits Studien, welche die positive Wirkung von Yoga auf Reizdarm belegen. Bis es ein NGF-basiertes Medikament auf dem Markt gibt, vergehen ohnehin noch Jahre. Es macht also Sinn, den Darm durch bewusstes Atmen und Ernährungsumstellung zu unterstützen.   
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