Januar 2020, University of Virginia, USA

Ist Dauersnacken gefährlicher als gedacht?

Von Cornelia Brammen
Aktualisiert am 11. Nov. 2024

Die Zahl adipöser Menschen hat sich seit den achtziger Jahren fast verdreifacht. Hinzu kommen Übergewichtige – ein Drittel der Gesellschaft ist betroffen. Ein Grund: Essen ist immer verfügbar und oftmals hochkalorisch. Unser Gehirn „belohnt" den Verzehr solcher Lebensmittel mit der Ausschüttung von Dopamin. Das ist weniger positiv als es klingt.

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Worum ging es bei dieser Studie?

  • Mittels der Studie sollten Belege dafür erbracht werden, dass und wie Dauersnacken zu Überwicht führt.
  • Unser evolutionäres Programm ist auf wenig Essen mit langen Fastenpausen bei viel Bewegung eingestellt. Seit Jahrzehnten haben sich die Lebensbedingungen komplett umgedreht: viel Essen, wenig Bewegung, keine Pausen.
  • Eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit Gewichtszu- und abnahme spielen das Belohnungszentrum im Gehirn und unsere innere Uhr (Chronobiologie). Das Gehirn lechzt nach Lebensmitteln mit viel Energie – wegen des alten Programms. Unsere innere Uhr stellt sich auf Essenszeiten ein und löst dementsprechend Verdauungsprozesse aus.
  • Experten empfehlen schon lange, zwischen den Mahlzeiten mindestens vier Stunden gar nichts zu essen. Intervallfasten mit 16 Stunden Zwischenfasten ist eine bewährte Methode, um fit und schlank zu bleiben. Nach 20 Uhr sollte der Körper nicht mehr verdauuen müssen, um raparieren und regenerieren zu können. Tatsächlich snacken viele Menschen den ganzen Tag über und nachts ohne Ernährungspausen.

Wie lautet die zentrale Forschungsfrage?

  • Wie hängen Übergewicht, unsere innere Uhr (also chronobiologische Muster) und die Aufnahme hochkalorischer Lebensmittel zusammen?

Welche Database wurde untersucht?

  • Die Studie wurde im Tierversuch mit Mäusen durchgeführt. Seit 2002 ist bekannt, als das Mausgenom entschlüsselt wurde, dass die Gene der Maus zu 98 Prozent mit denen des Menschen übereinstimmen. Mäuse können zum Beispiel an Krebs und Diabetes erkranken. 

Welche Methode wurde angewandt?

  • Es handelt sich um einen Tierversuch an drei Gruppen von Mäusen: Gruppe eins erhielt eine „wild diet“ – Steinzeitdiät – mit wenig Kalorien und Fett. Gruppe zwei konnte soviel hochkalorische Nahrung zu sich nehmen, wann immer sie wollte. Gruppe drei erhielt das gleiche Nahrungsangebot wie Gruppe zwei, allerdings wurde die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn der Mäuse unterbrochen.

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Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

  • Bahnbrechend ist die Erkenntnis, dass unsere Chronobiologie, also unsere innere Uhr, eng mit dem Belohnungszentrum im Gehirn gekoppelt ist und dass hochkalorische Lebensmittel unsere chronobiologisch fein austarierten Ernährungsrhythmen durcheinanderbringen. Das Ergebnis: nicht zu stillende Nahrungsgier.
  • Im Mäuseversuch zeigte sich, dass die Verfügbarkeit hochkalorischer Lebensmittel 24/7, also rund um die Uhr, in Übergewicht und Folgekrankheiten mündet.
  • Mäuse, die sich steinzeitlich mit wenig Kalorien und Fett ernährten, machten Pausen und hielten ihr Gewicht.
  • Mäuse, denen 24/7 hochkalorische Nahrung zur Verfügung stand, begannen, ständig zu snacken und wurden übergewichtig.
  • Mäuse, bei denen die Dopamin-Ausschüttung gekappt war, fraßen normal mit Ernährungspausen und nahmen nicht zu, obwohl das hochkalorische Angebot da war.
  • Die Studie zeigt, dass Dopamin die Schlüsselrolle bei der Entwicklung eines ungünstigen Essverhaltens mit Übergewicht als Folge spielt. Essen mit hoher Energiedichte, also viele Kalorien und viel Fett, fördert die Dopamin-Ausschütttung im Gehirn und heizen die Gier nach mehr an.

Wer hat die Studie finanziert und durchgeführt?

  • Das National Institute of General Medical Sciences and University of Virginia Brain Institute.

Wo ist die Original-Studie zu finden?


Begriffe: Was ist/sind eigentlich...?


Wie bewertet EAT SMARTER diese Studie?

  • Ständiges Essen macht dick: Man könnte sagen: Das wussten wir bereits. Jeder, der eine Zeit lang streng Ernährungspausen eingehalten hat, konnte feststellen, dass sich der Organismus darauf einstellt und weniger Essen verlangt. Intervallfastende bestätigen den Effekt. Die Studie hat nun im Tierversuch nachgewiesen, welche Rolle der Neurotransmitter Dopamin in diesem Zusammenhang spielt. Je fetter und kalorienreicher das Essen ist, das wir zu uns nehmen, desto höher ist die Dopamin-Ausschüttung. Das Gehirn „belohnt“ den Körper mit dem Streichelhormon, aber dieses setzt die innere Uhr außer Kraft. Damit startet eine gesundheitsschädliche Entwicklung, die in Übergewicht mündet.
  • Nicht ohne Nebenwirkungen: Als die ersten Magenbänder eingesetzt und Magenverkleinerungen durchgeführt wurden, klang das bereits gruselig. Nun wurde die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn von Mäusen unterbrochen – mit großem Erfolg. Der Gedanke, Übergewicht dadurch zu reduzieren, dass ein Neurotransmitter geblockt wird, ist bestechend. Es gibt bereits Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (DRIs), die allerdings bisher selten auf den Markt gekommen sind. Denn ein Mangel an Dopamin kann zu Depressionen und Antriebslosigkeit führen. Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen also. Andererseits sind Adipositas und Übergewicht Kostentreiber im Gesundheitssystem und es gibt ein großes Interesse, diese Pandemie zu stoppen – und sei es mit gehirnaktiven Substanzen. Hier muss gewissenhaft abgewogen werden.
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