Veganer-Bibel: Was steckt hinter der China Study?
„Die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Ernährungsweise“ – so lautet der Untertitel der China Study, einem gut 400 Seiten dickem Buch, das seine Leser vom Veganismus überzeugen will. Wissenschaftlich? Das klingt gut und macht mich neugierig. Doch die Lektüre dieses Wälzers ist zäh ...
Laut den Autoren, dem Vater-Sohn-Gespann Dr. T. Colin Campbell und Thomas M. Campbell, ist eine vegane Ernährung die Allzweckwaffe gegen viele Krankheiten, zum Beispiel Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu diesem Schluss kommen die beiden Amerikaner, nachdem sie die Ergebnisse der China Study, einer groß angelegten Beobachtungsstudie, die sich mit dem Ernährungsverhalten der Chinesen befasst, analysierten.
„Ich beabsichtige nichts Geringeres als eine Neudefinition dessen, was wir als gesunde Ernährung betrachten“, schreibt Campbell in der Einleitung. Ein nicht gerade bescheidenes Ziel. Weiter geht es mit: „Das amerikanische Volk muss die Wahrheit erfahren.“ Gleich im ersten Kapitel wird klar: Der Autor ist von sich überzeugt und lässt es im Laufe des Buchs immer wieder raushängen. Diese Selbstgefälligkeit ist für den Leser sehr anstrengend.
Das steckt hinter der China Study
Kommen wir aber nun zum Inhalt der China Study: In den frühen 70er-Jahren wurde genau festgehalten, in welchem chinesischen Landkreis (insgesamt 2.400) wie viele Menschen an welcher Krebsart (von 12) gestorben sind. Das Ergebnis: Manche Krebsarten kamen an bestimmten Orten gehäuft vor. Daraus schlossen T. Colin Campbell und sein Wissenschaftler-Team, dass Krebs nicht auf genetische Faktoren, sondern auf Umwelt- und Lebensstilbedingungen zurückzuführen ist, da 87 Prozent der chinesischen Bevölkerung der gleichen ethnischen Gruppe angehören. Besonders in den ländlichen Regionen waren die Krebs-Sterberaten viel niedriger als in den Städten.
Der Grund ist laut Campbell der Verzicht auf tierisches Eiweiß. Denn in den ländlichen Gebieten bestehen nur 0,8 Prozent der täglichen Nahrung aus tierischem Eiweiß (zum Vergleich: in den USA sind es zehn Prozent). Außerdem essen die Chinesen sehr viele pflanzliche Lebensmittel. Seine Schlussfolgerung: keine tierischen Nahrungsmittel, kein Krebs. Um den Zusammenhang von anderen Krankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Autoimmunerkrankungen wie zu Beispiel Multiple Sklerose) und tierischem Eiweiß zu verdeutlichen, beruft sich Campbell auf andere Studien. Das Problem dabei: Viele dieser Studien sind älter und beziehen nur wenige Probanden ein.
Kritik an der China Study
Während Veganer die China Study feiern, gibt es auch viele Kritiker. Diese bemängeln, dass man von Beobachtungsstudien, so wie es die China Study ist, keine Ernährungsempfehlungen ableiten kann. In der Januar-Ausgabe des Fachmagazins „Advances in Nutrition“ erschien ein Leitartikel zu dieser Problematik. In diesem wird erklärt, dass Beobachtungsstudien nur Zusammenhänge (Korrelationen) zeigen können, aber keine Kausalitäten (das Prinzip von Ursache und Wirkung) (1). Ein weiteres Problem: Die Daten von Beobachtungsstudien beruhen meist nur auf den Erinnerungen (was habe ich wann gegessen) der Probanden.
Die Studentin Denise Minger hat die China Study genau analysiert und Ungenauigkeiten in der Auswertung aufgedeckt. In ihrem Blog zeigt sie diese ausführlich.
Mein Fazit zur China Study
Viele von Campbells Erklärungen lassen sich gut nachvollziehen – auch wenn seine oft arrogante Art nervt. Jedoch gibt es ein paar Punkte, die unschlüssig bleiben. Zum Beispiel: Menschen essen schon seit hunderten Jahren tierisches Eiweiß – doch viele der von Campbell erwähnten Krankheiten gab es damals noch nicht. Außerdem gibt es andere Studien, die genau das Gegenteil der China Study belegen: Zum Beispiel, dass Pescetarier (Fischessende Vegetarier) am längsten leben (Adventist Health Study 2).
Es ist eigentlich immer das Gleiche: Man findet immer eine Studie, die genau das belegt, was man gerade möchte.
Doch in einer Sache sind wir – Campbell, Sie und ich – uns einig: Unsere Ernährung hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Und pflanzliche Lebensmittel enthalten viele Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe sowie Mineralstoffe und sollten daher ein fester Bestandteil unseres Speiseplans sein. Den Rest überlasse ich Ihnen. Ich persönlich werde nicht auf Butter, Käse & Co. verzichten, aber auch nicht anfangen, Fisch zu essen.
Übrigens: Campbell propagiert Veganismus aus rein gesundheitlichen Motiven. Die moralischen Gründe, die bei vielen Veganern die größere Rolle spielen, werden in dem Buch gar nicht erwähnt. Viel mehr noch: Der Autor unterstützt Tierversuche. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich mich heute nicht für eine Ernährung pflanzlichen Ursprungs einsetzen würde, wenn diese Tierversuche nicht gewesen wären“, schreibt Campbell.
Wer sich selber ein Bild über die China Study machen will, hat folgende Möglichkeiten:
Katharina Borgerding
Hier geht's zum Veggie Blog.
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