Drei Wochen ohne: mein Selbstversuch in Sachen Zucker
Seit Monaten lese ich im Internet und auf diversen Social-Media-Kanälen Aussagen von Menschen, die sich „wie neugeboren“ fühlen oder die „endlich wieder Mensch“ sind – seitdem sie nach der Zauberformel „I quit sugar“ leben.
Machen wir uns nichts vor: Komplett ohne Zucker zu leben, ist unrealistisch. Dafür müsste man eine strenge Atkins-Diät einhalten und das ist ganz sicher kein Spaß. Was die Menschen, die ich oben zitiert habe, tun, ist: auf weißen Haushaltszucker sowie Produkte mit Zuckerzusatz verzichten. Sie verwenden natürlich süße Produkte wie Obst, aber eben keine künstlich gezuckerten Lebensmittel. Und davon gibt es ja bekanntlich eine ganze Menge.
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine Frau der Mitte bin. Extreme sind nicht mein Ding. Aber ich bin auch Journalistin und sehr neugierig. Und nun war ich am vergangenen Montag bei einer Darmspiegelung. Dafür muss man bekanntermaßen seinen Darm einmal komplett entleeren (mithilfe diverser Mittelchen).
Und während ich nach der Untersuchung so auf der Aufwachliege lag und langsam wieder zu mir kam, kam mir eine Idee. Ich könnte diesen „Reset“ in der Nahrungsaufnahme doch dazu nutzen und einen kleinen Selbstversuch starten.
Fühlt man sich tatsächlich besser, wenn man keinen Haushaltszucker zu sich nimmt?
Tja, was soll ich sagen... Mein Selbstversuch scheiterte (vorläufig) bereits in Minute 5, nach dem ich ihn gefasst hatte. Die freundliche Arzthelferin hatte mir nämlich einen kleinen Keks neben meine Tasse Aufwachtee gelegt. Und noch bevor ich drüber nachdenken konnte, war der Keks schon in meinem Mund. Na, das fängt ja gut an...
Doch ich war gewillt und motiviert, ab sofort strenger mit mir selbst zu sein. Was auch überhaupt kein Problem war. Ich bin von Natur aus kein Süßigkeiten-Junkie. Am Nachmittag aß ich Pfirsiche und Blaubeeren anstelle eines Kekses. Einfach lecker.
Abends erwischte mich dann allerdings wieder eine Gewohnheit. Da ich den ganzen Tag über meist nur Tee und Wasser trinke, mag ich abends gerne eine Fassbrause. Die enthält weniger Zucker als normale Limo, aber es ist eben Zucker. Also schnell wieder weg mit der Flasche – auch wenn ich schon die ersten drei Schlucke getrunken hatte.
Meine erste Woche ohne Zucker
Tag 2 startete unproblematisch. Ich esse morgens immer Müsli mit Obst und es machte mir überhaupt nichts aus, auf Crunchy-Müsli zu verzichten und nur Haferflocken und Hanfsamen zu mischen. Gerade im Sommer ist das Obst so süß, das reicht vollkommen. Während der Arbeit musste ich dann allerdings erneut eine Lakritz-Fledermaus ausspucken, die auf dem Studiotresen in einer Schüssel angeboten wurde und fast von alleine in meinen Mund geflattert war...
Erste Erkenntnis nach zwei Tagen: krass, wie automatisch man manche Dinge tut... Tag 2 war übrigens ein sehr warmer Tag. Als ich abends Heim fuhr, kam ich an der (sehr, sehr guten!) Eisdiele unseres Ortes vorbei. Kurz habe ich überlegt, ob ich für meine Familie Eis mitbringen soll. Aber nein, das ging ja nun nicht. Das fand ich – ganz ehrlich – ziemlich doof.
An Tag 3 hatte ich das Gefühl im Experiment angekommen zu sein. Es war aber auch nicht schwierig für mich. Ich hatte weder Kopfschmerzen, noch Gelüste, noch schlechte Laune, noch sonst irgendein Symptom, mit dem Menschen auf Zuckerentzug ansonsten kämpfen.
Anstelle eines Stück Kuchens am Nachmittag habe ich mir einen Smoothie gemixt – auch wenn ich vorher beim Einkaufen durchaus gedacht hatte, dass der Mohnkuchen vom Bäcker ziemlich lecker aussah. Abends hatten wir Besuch und es wurde Schokolade genascht. Aber nur von den anderen. Ich habe Nüsse gegessen. Alles easy.
Tag 4: Es lief. Und ich grübelte. Kann es wirklich sein, dass das Ganze so einfach ist? Zumindest für jemanden wie mich, der zwar ab und an nascht, aber keine Unmengen an Zucker isst? Ich wurschtelte mich durch den Tag, knabberte Nüsse und Obst und hatte das Gefühl mich tatsächlich noch ein bisschen besser zu ernähren als sonst.
An Tag 5 war ich verabredet. Zum Tennis. Mit einer Freundin, die deutlich besser spielt als ich. Ich wusste also schon, dass ich mich mit ihr würde anstrengen müssen. Aber ich mag Herausforderungen und die Stunde startete super. Ich traf den Ball wie schon lange nicht mehr und meine Freundin zog mich mit ihren schnellen Schlägen mit. Cool dachte ich, bevor wir nach 15 Minuten die erste Trinkpause machten.
Als wir danach weiter spielten, lief bei mir allerdings gar nichts mehr. Ich hatte große Konzentrationsschwierigkeiten und meine Kraft ließ deutlich nach. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, was los war und dass ich jetzt leider nicht einfach ein Sportgetränk trinken oder einen Energy-Riegel essen konnte. Beides enthält natürlich Zucker. Blöde Sache, die sich ad hoc aber nicht lösen ließ.
Insofern ging diese Tennisstunde für mich sehr unbefriedigend zu Ende. Zweite Erkenntnis: wer keinen Zucker isst und sportliche Leistungen vollbringen möchte, der muss gut vorplanen. Denn die schnell verfügbaren Reserven im Körper sind in so einer Situation sehr schnell verbraucht.
Tag 6 war ein Samstag und ich backte Kuchen und Muffins für eine Kochpräsentation. Dabei verwendete ich meine normalen Rezepte, in denen mit Rohrohrzucker gesüßt wird. Es sind keine großen Mengen, die da rein kommen, aber es ist halt Zucker. Irgendwie blöd, wenn man backt und noch nicht mal den Teiglöffel ablecken kann...
Tag 7 geht mit einem Konzert zu Ende. Hilfe, was kann ich hier trinken? Aperol Spritz? No. Gin Tonic? No. Mojito? Doppel-No. Trockenen Weißwein? Gab’s nicht. Bier? Mag ich nicht. Cola, Fanta etc.? Bloß nicht! Cola Zero? Ist auch nicht besser. Apfelschorle? Weiß nicht... Zählt der viele Zucker, der natürlicherweise in Apfelsaft drin ist, jetzt etwa nicht? Ich fand, jetzt wurde es langsam echt ein bisschen anstrengend – weil: spaßgebremst.
Fazit nach der ersten Woche
Wenn man, so wie ich, sowieso die meisten Mahlzeiten frisch kocht, bezieht sich Zuckerverzicht eigentlich nur auf Süßigkeiten und süße Getränke. Mit ein bisschen gutem Willen und Disziplin kann man das aushalten. Es gibt genug natürlich süße Alternativen.
Körperlich merke ich die Umstellung im Alltag bislang nicht – weder positiv noch negativ. Einzig beim Sport heißt es für mich: Besser vorsorgen und einen Haferflocken-Drink o.ä. im Gepäck haben. Mal sehen, was die nächsten zwei Wochen bringen.
Seit zwei Wochen esse ich keine künstlich gezuckerten Lebensmittel sowie keine Produkte, denen Zucker zugesetzt wurde. Ich mache diesen Selbstversuch, um mitreden zu können, wenn mir jemand von seinen „Zuckerverzichterfahrungen“ erzählt. Denn als Wissenschaftlerin ist es immer ein bisschen schwierig mit Menschen zu diskutieren, die ihr Wissen rein aus persönlichen Erfahrungen beziehen. Deshalb möchte ich mein theoretisches Ernährungswissen jetzt einmal um diese persönliche Erfahrung erweitern.
Seit zwei Wochen esse ich keine künstlich gezuckerten Lebensmittel sowie keine Produkte, denen Zucker zugesetzt wurde. Ich mache diesen Selbstversuch, um mitreden zu können, wenn mir jemand von seinen „Zuckerverzichterfahrungen“ erzählt. Denn als Wissenschaftlerin ist es immer ein bisschen schwierig mit Menschen zu diskutieren, die ihr Wissen rein aus persönlichen Erfahrungen beziehen. Deshalb möchte ich mein theoretisches Ernährungswissen jetzt einmal um diese persönliche Erfahrung erweitern.
Meine zweite zuckerarme Woche startete also mit Tag 8. Es war ein sehr schöner, warmer Spätsommertag. Am Vormittag hatte ich einen Besprechungstermin und es standen tatsächlich KEINE Kekse auf dem Konferenztisch, die ich hätte ignorieren müssen. Gut, ich war in der Redaktion eines Gesundheitssenders, da weiß man, was gesund ist. Nachmittags ging ich einkaufen und hatte – nicht zuletzt wegen des Wetters – extrem viel Lust auf ein Eis...
Eis und Lakritz sind nämlich schon mein ganzes Leben lang meine Süßigkeiten-Favoriten. Ich beneidete all die Menschen, die mit Eisbechern und Eishörnchen in der Hand herumliefen. Zu Hause habe ich kurz überlegt, ob ich mir jetzt schnell ein „nice cream“ machen soll (sprich: gefrorene Früchte mit etwas Joghurt in den Mixer geben). Aber leider hatte ich keine passenden Früchte mehr im Tiefkühler und dann auch irgendwie keine Lust mehr, weil es am Ende doch nicht wirklich das Gleiche wäre wie ein richtiges italienisches Eis.
Meine zweite Woche ohne Zucker
Tag 9 war ein ganz normaler Tag Bürotag. Mein Büro befindet sich bei mir zu Hause, ein Homeoffice – was die ganze Angelegenheit einer speziellen Ernährung sehr vereinfacht. Ich bereite an diesen Tagen nämlich von morgens bis abends alle Mahlzeiten selbst zu. Auf diese Weise wird man weder in Versuchung geführt, noch muss man aufpassen oder nachfragen, wenn jemand anderes das Essen zubereitet hat (unterwegs, Kantine, Restaurant o.ä.).
Irgendwie war ich an diesem Tag aber ein wenig unleidlich. Meine Ernährung kann mir so laaaaaangweilig vor... Deshalb habe ich nachmittags ein Früchtebrot gebacken. Ohne extra Zuckerzusatz, nur mit der Süße aus den enthaltenen Früchten gesüßt. Das Rezept finden Sie hier. Ich fand das Brot oberlecker und war froh über die geschmackliche Abwechslung im Essen.
An Tag 10 bin ich nach Berlin gefahren. Ein großer Küchengerätehersteller hatte mich zur Präsentation seiner neusten Entwicklung in Sachen moderner Garverfahren eingeladen und mir eine 1.-Klasse-Zugfahrt spendiert. Und in der 1. Klasse bekommt man nicht nur Zeitungen umsonst. „Möchten Sie vielleicht etwas Süßes?“, fragte die freundliche Zugbegleiterin und hielt mir eine Schale mit kleinen Tütchen, gefüllt mit irgendwelchen Gummitieren, unter die Nase. „Nein, vielen Dank“, habe ich ebenso freundlich geantwortet und mein Früchtebrot ausgepackt. Gut, dass ich dieses dabei hatte, so eine Fahrt von Köln nach Berlin zieht sich nämlich ganz schön...
Am Abend dann großes Kino. Die Firma gab alles, um die Vorzüge seines neuen Gerätes zu präsentieren. Inklusive eines exquisiten Essens. Als Dessert wurden minikleine Schokoküchlein und Himbeer-Soufflé gereicht. Das Souffleé war mir (zu meinem Glück) etwas zu salzig, deshalb habe ich es stehen gelassen. Aber die kleinen Schokoküchlein habe ich gegessen. Und zwar nicht aus Versehen, sondern sehr bewusst. Ich möchte mich in solch einer Situation einfach nicht selbst ins gesellschaftliche Abseits stellen.
Tag 11 startete mit einem Frühstück im Hotel. Natürlich gab’s auf dem Buffet jede Menge gezuckertes Zeugs. Schokocroissants, kleine Kuchen, Marmelade, Fertigmüsli. Kann man sich sicher sein, dass der frische Obstsalat nicht auch mit Zuckerwasser übergossen wurde oder zumindest Zutaten aus der Dose enthält? Nein, kann man sich nicht. Ich habe selbst mal in einer Hotelküche gearbeitet. Also entschied ich mich für einzeln aufgeschnittene Orangen, Melonen und Grapefruit.
Dazu, wie immer, Naturjoghurt, Haferflocken, Nüsse. Das war für mich jetzt kein großes Ding, denn morgens bin ich ein echtes Gewohnheitstier und esse sowie immer das Gleiche. Egal, wo ich bin und egal, was ansonsten angeboten wird. Trotzdem hatte ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen wegen des Vorabends.
Tag 12 war einer dieser „Nix-besonders-passiert“-Tage.
Doch dann kam der Samstag, Tag 13... und ich erlebte etwas, das ich in dieser Form in meinem „normalen Leben“ überhaupt nicht kenne. Es fing damit an, dass ich am Nachmittag rastlos durch die Wohnung tigerte. Irgendwie war ich unbefriedigt. Ich hatte das Gefühl nicht satt zu sein, obwohl ich eigentlich ausreichend gegessen hatte. Kühlschrank auf, Kühlschrank zu. Was will ich eigentlich? Keine Ahnung. Keine Ahnung? Blödsinn! Ein Stück Käsekuchen wäre jetzt traumhaft. Ich aß Nüsse und einen Apfel. Das blöde Gefühl blieb. Nach einiger Zeit wurde mir klar: so fühlt sich Heißhunger an. Mein Blutzuckerspiegel war offenbar am Boden, weshalb mein Körper nach Süßem verlangte.
An dieser Stelle zog ich die ganze Sache hier wirklich und ernsthaft in Zweifel.
Ich fragte mich nämlich: Macht es wirklich Sinn komplett auf zugesetzten Zucker zu verzichten, wenn man sich damit am Ende Heißhungerattacken einhandelt? Oder ist es nicht doch besser bewusst kleine Mengen Zucker zuzulassen? Wie gesagt: Ich bin normalerweise kein Zuckerfreak. Ich esse regelmäßig etwas Süßes, aber nur in kleinen Mengen. Ich trinke mitunter auch mal ein süßes Spaßgetränk. Ich koche fast immer frisch, verwende keine Fertigprodukte, esse viel Vollkorn. Und hatte mit diesem Lifestyle wirklich noch NIE eine Heißhungerattacke auf Süßes.
Aber gut – wenn ich jetzt hier abgebrochen hätte, würde man mir (wahrscheinlich zu Recht) vorwerfen, dass genau dies die Situationen sind, die man am Anfang erstmal durchstehen muss. Also blieb ich standhaft und lenkte mich ab. Und nach einer Weile ging’s mir auch wieder gut.
Am letzten Tag der Woche, Tag 14, hatte ich einen Auftritt bei QVC. Ich präsentierte einen fettsparenden Elektrogrill. Der Kollege neben mir präsentierte eine Eismaschine. Zur Demonstration hatte er insgesamt neun Maschinen auf seiner Theke stehen, die alle in Betrieb waren und gerade neun verschiedene Eissorten produzierten. Das ganze Team stand Schlange, um zu probieren. Ich hörte nur „hmmm!“ und „lecker!“ und „köstlich!“ und... konzentrierte mich auf meinen Grill.
Mein Fazit nach der zweiten Woche
Wer den Haushaltszucker aus seiner Ernährung streichen möchte, muss ziemlich willensstark und diszipliniert sein. Denn wenn man seine Tage nicht nur alleine zu Hause verbringt, kommt man tagtäglich in Situationen, in denen man verzichten muss. Wenn man das wirklich WILL, ist es machbar. Ich glaube aber inzwischen, dass ich persönlich es nicht will. Ich esse sehr gerne, probiere zu gerne Neues aus und ich fühle mich durch den Zuckerverzicht in der Auswahl zu stark eingeschränkt.
Körperlich kann ich bislang auch noch immer keine Vorteile erkennen. Weder bin ich leistungsfähiger, noch ist meine Haut besser geworden oder sonst irgendetwas. Stattdessen geben mir die erlebte Heißhungerattacke sowie das häufige, unterschwellige Gefühl essensmäßig nicht wirklich befriedigt zu sein, sehr zu denken. Schauen wir mal, was die dritte Woche bringt...
Mehr zur Woche 3 und meinem Fazit erfahren Sie hier:
Herzlichst,
Dr. Alexa Iwan (Dipl. Ökotrophologin)