Gehen Vitamine durch das Kochen verloren?

Von EAT SMARTER
Aktualisiert am 12. Nov. 2024
Gehen Vitamine durch das Kochen verloren?

Was ist besser: Rohkost oder eine gekochte Mahlzeit? Für manche ist das eine Glaubenssache, die Wissenschaft urteilt differenzierter. Einige Inhaltsstoffe gehen durch Kochen verloren - doch manche Mahlzeit wird auf dem Herd sogar gesünder.

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Unschlüssig steht die junge Mutter vor der Mikrowelle, in der Hand ein Gläschen Babybrei. Sie hat die Mahlzeit für ihr Kind selbst zubereitet und auf Vorrat eingefroren. Jetzt wäre es praktisch, das Ganze in der Mikrowelle zu erwärmen. Doch wird durch die Strahlung nicht zerstört, was an Gesundem im Gemüse steckt? 

Bei ihrer eigenen Mahlzeit steht sie vor einem ähnlichen Dilemma: So richtig lecker schmeckt die Bolognese-Sauce, wenn sie länger kocht. Doch sind dann nicht alle Vitamine aus Tomate, Sellerie und Möhren längst verloren?

Linsenbolognese

Dass gekochtes Essen „tot“ ist, glauben zumindest die Anhänger der Rohkost-Ernährung. Nach deren Credo stirbt alles Gesunde oberhalb einer Temperatur von 42 Grad: Vitamine und Enzyme, die Katalysatoren des Lebens, gingen beim Erhitzen unwiederbringlich verloren. Als wirklich wertvolle „lebendige“ Nahrung gilt nach dem Glauben der Rohköstler nur, was roh auf dem Teller landet.

Manchen Vitaminen tut Hitze gut

Wissenschaftler jedoch sind ganz anderer Meinung. „Manche Vitamine werden durch Hitze abgebaut, aber von anderen Vitaminen erhalten wir mehr, wenn Gemüse gekocht wurde“, erklärt der Lebensmittelchemiker Sascha Rohn. Zusammen mit seinem Team erforscht er an der Universität in Hamburg, wie sich Inhaltstoffe von Pflanzen durch die Zubereitung verändern und wie viel davon in unserem Körper ankommt.

Hitzeempfindliches Vitamin C in Paprika zum Beispiel geht durch Erhitzen teilweise verloren. Doch die Schoten enthalten auch wertvolles Vitamin A, und davon kann unser Körper mehr aufnehmen, wenn wir die Schoten kochen oder braten. „Vitamin A steckt so fest in den starren Pflanzenzellen mit ihrer Schutzschicht aus Wachs, dass es bei der Verdauung von rohem Gemüse nicht optimal herausgelöst wird“, erklärt Rohn.

Zudem bleiben auch hitzeempfindliche Vitamine je nach Kochtechnik zu einem guten Teil erhalten. Nach einer aktuellen chinesischen Studie verlieren Brokkoli-Röschen nach fünf Minuten ungefähr ein Drittel des Vitamin C-Gehalts. Bei fünf Minuten mit 1000 Watt in der Mikrowelle oder im heißen Wok bleiben immerhin 80 Prozent des Vitamin C erhalten. Ein sanftes Erwärmen von Babybrei bedeutet vermutlich mit keiner Technik einen messbaren Verlust.

Noch schonender als die Zubereitung im Kochtopf oder Wok ist es, Gemüse auf einem Siebeinsatz im heißen Dampf zu garen, denn die Vitamine würden nicht nur durch die Hitze im Wasser zerstört, sondern auch mit dem Kochwasser ausgeschwemmt werden. Dies wird beim Dampfen mit einem Siebeinsatz verhindert und die Vitamine gehen beim Kochen nicht verloren.

Besonders drastisch ist dieser Effekt bei den ebenfalls wasserlöslichen Glucosinolaten – den wertvollen antioxidativen Substanzen im Brokkoli. Schon nach fünf Minuten im Kochwasser oder der Mikrowelle waren sie in der chinesischen Studie noch zur Hälfte nachweisbar. Andererseits muss man bedenken, dass bei vielen Gerichten, zum Beispiel Eintöpfen, auch die Kochflüssigkeit mit verzehrt wird. Und selbst bei sehr langen Kochzeiten ist daher nicht immer alles "tot".

Der Hamburger Wissenschaftler Rohn hat gerade nachgewiesen, dass der Gehalt an komplexen antioxidativen Flavonolglycosiden im Grünkohl zwar durch das Kochen abnimmt, dafür aber kürzere Moleküle mit ähnlichen Eigenschaften entstehen. Das gesamte antioxidative Potential des Grünkohlteintopfs blieb in seinem Versuch selbst nach einer Stunde Kochzeit unverändert.

Möglichst abwechslungsreich zubereiten

Ob Rohkost oder Gekochtes – eine dogmatische Antwort kann es hier nicht geben. Am besten ist eine Vielfalt der Zubereitungsarten: Schonend gegartes Gemüse, knackige Salate (wie z.B. dieser leckere steirische Salat) oder auch traditionelle Eintöpfe – alles hat seine Berechtigung.

Für den Gehalt an Vitaminen und anderen bioaktiven Substanzen ist es zudem entscheidend, ob die Zutaten erntefrisch sind oder ob sie schon lange Lagerzeiten hinter sich haben. Die Aktivität von Enzymen wird durch Hitze allerdings durchgehend zerstört.

Doch wer sich darum sorgt, der übersieht: Das Gleiche geschieht auch im Magen. Die allermeisten Eiweißstoffe in unserer Nahrung werden durch die Magensäure inaktiviert und im Darm in kleine Bruchstücke zerlegt. Durch Kochen nehmen wir dem Körper einen Teil der notwendigen Verdauungsarbeit ab. Die Stärke aus Kartoffeln beispielsweise ist roh weitgehend unverdaulich.

Der amerikanische Evolutionsforscher Richard Wrangham sieht in den ersten Garküchen gar einen entscheidenden Faktor bei der Entstehung des Menschen in grauer Vorzeit. Nur mithilfe des Kochens, so glaubt er, konnten die Frühmenschen mit ihrem kleinen Gebiss und kurzem Verdauungstrakt genügend energiereiche Nahrung zu sich nehmen, um die großen Gehirne der heutigen Menschen zu entwickeln.

Bild des Benutzers Martin Korzer
Wenn man sich die Kochversuche von Elmadfa etc anguckt, stellt man fest, dass die Hitzempfindlichkeit von bspw. Vit C ganz entscheidend von der Gemüsesorte abhängt. So enthält z. B. Grünkohl nach dem Kochen noch reichlich Vit C während Pilze nahezu alles abgeben. Da die Ascorbinsäure während des Wachstumsprozesses in das Gemüse eingebaut wird, hängt es ganz entscheidend davon ab, wie lange dieser ist. Gemüse mit langer Vegetationsperiode sind da viel hitzebeständiger.
Bild des Benutzers Martin Korzer
Vitamin ist nicht gleich Vitamin. So einfach lässt sich Natur nicht verkürzen. Nach Kochversuchen, die bei Elmadfa etc. veröffentlicht wurden, hängt es ganz entscheidend vom Gemüse ab, wieviel bspw Vitamin C beim Kochen verloren geht. Bei Pilzen blieb kaum etwas drin, bei Grünkohl dagegen sehr viel. Denn Ascorbinsäure, um beim Bsp. zu bleiben, steckt nicht einfach so im Gemüse und wartet darauf totgekocht zu werden, sondern es wurde während der Wachstumsperiode komplex eingebaut. Um überhaupt realtitätsnahe Werte zu bekommen, muss also immer die Sorte, und der Anbau, Wachstumszeit, Freiland, Treibhaus beachtet werden, das sind die entscheidenden Faktoren.
 
Wenn auch die des Öfteren ihre Meinung geändert hat, sie klingt diese Begründung mir sehr schlüssig.
 
Kann ich irgendwo nachlesen welche Lebensmittel wie am besten zubereitet werden? Ich zieh in der Regel immer das 'Kursbuch gesunde Ernährung' zu rate. Tipps sind reichlich drin aber mir oft trotzdem zu oberflächlich.
 
Klingt logisch. Gibt's dazu wissenschaftliche Quellen?
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