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Zuckerunverträglichkeit: Das sind die Ursachen

Von Wenke Gürtler mit Expertenrat von Dr. med. Matthias Riedl
Aktualisiert am 09. Jun. 2022
© Pexels/ Andres Ayrton
© Pexels/ Andres Ayrton

Blähungen, Durchfälle, Krämpfe oder auch depressive Verstimmungen: Häufig sind die Ursachen unklar. Aber in vielen dieser Fälle kann der Darm bestimmte Zucker nicht oder nur begrenzt verdauen – es handelt sich um eine Zuckerunverträglichkeit. Lesen Sie, was die Störung auslöst und wie sie behandelt werden kann.

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Inhaltsverzeichnis

  1. Laktoseintoleranz
  2. Fruktoseunverträglichkeit
  3. Hereditäre Fruktoseintoleranz
  4. Sorbitintoleranz
  5. Galaktoseintoleranz
  6. Saccharoseintoleranz
  7. Wissen zum Mitnehmen

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Ein kühles Glas Milch trinken, sich frisch gepflückte Kirschen schmecken lassen oder unbeschwert kalorienreduzierte Bonbons lutschen: Einige Menschen haben nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel mit Beschwerden zu kämpfen. Sie äußern sich im Bereich des Magen-Darm-Trakts, aber auch andere unspezifische Symptome sind möglich – meist ausgelöst von unterschiedlichen Zuckerarten. Doch welche sind das? Und was kann man dagegen unternehmen? Wir stellen Ihnen die sechs wichtigsten Zuckerunverträglichkeiten vor.

1. Laktoseintoleranz

Gesunde haben im Dünndarm ausreichend große Mengen des Enzyms Laktase, das Milchzucker in seine Bausteine Glukose und Galaktose zerlegt. Bei 15–20 Prozent der Deutschen besteht hier jedoch ein Mangel. Dadurch gelangt Laktose unverdaut in den Dickdarm, der von zahlreichen Bakterien besiedelt ist. Sie machen sich über das Kohlenhydrat her und hinterlassen Abbauprodukte, die für Blähungen, Darmgeräusche, Durchfall und Unterbauchschmerzen sorgen.

Natürlicherweise nimmt die Laktaseproduktion im Laufe des Lebens ab – und das Glas Milch schlägt im höheren Alter plötzlich auf den Bauch. Die Laktoseintoleranz kann aber auch angeboren sein oder entsteht infolge von Alkoholmissbrauch, Darmerkrankungen (zum Beispiel Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder Zöliakie), Magen-Darm-Infektionen oder Strahlenbehandlungen. Ist die ursprüngliche Erkrankung erfolgreich therapiert, wird der Milchzucker auch wieder besser vertragen. 

Wurde diese Zuckerunverträglichkeit diagnostiziert, ist die wichtigste Therapiemaßnahme eine Anpassung der Ernährung. Dafür ist es meistens gar nicht nötig, Käse, Joghurt und Konsorten komplett vom Speiseplan zu streichen, denn in der Regel bereiten kleine Mengen an Laktose keine Probleme. Mit einem Ernährungstagebuch lässt sich dann feststellen, welche Mengen das sind. Verzichten Betroffene stringent auf Milchprodukte, laufen sie unter Umständen Gefahr, ihrem Körper nicht genügend Calcium zuzuführen und das Risiko für Osteoporose steigt. Wer Milchprodukte also komplett vermeidet, sollte unbedingt auf die ausreichende Versorgung mit dem Mineral aus anderen Quellen achten.

Erfahren Sie mehr: Ernährung bei Laktoseintoleranz

Merke!
Laktoseintolerante haben Schwierigkeiten mit dem Milchzucker, da bei ihnen ein Laktasemangel vorliegt. Dadurch gelangt Laktose unverdaut in den Dickdarm und wird dann von Bakterien gespalten. Deren Abbauprodukte lösen die Verdauungsbeschwerden aus.

2. Fruktoseunverträglichkeit

Rebelliert Ihr Darm insbesondere nach dem Genuss von Obst, Fruchtsäften oder Smoothies? Dann könnte eine Fruktoseunverträglichkeit dahinter stecken. Normalerweise befördert das Transportprotein GLUT-5 den Einfachzucker aus dem Inneren des Dünndarms ins Blut. Sind sie aber überlastet oder defekt, bleibt Fruktose im Nahrungsbrei und gelangt in den Dickdarm. Ab welcher Fruktosemenge das passiert, ist von Mensch zu Mensch verschieden; liegt die Aufnahmekapazität aber unter 25 Gramm, wird von einer Unverträglichkeit gesprochen. 

Neben den typischen Magen-Darm-Beschwerden fühlen sich manche Betroffene gereizt und müde oder leiden an depressiven Verstimmungen. Der Grund ist: Wenn das Transportprotein GLUT-5 nicht richtig funktioniert, kann der Körper auch Tryptophan nicht vernünftig aufnehmen. Die essenzielle Aminosäure ist aber eine wichtige Vorstufe für das Glückshormon Serotonin.

Ist der Verdacht auf diese Zuckerunverträglichkeit bestätigt, hilft es, den Verzehr von Fruktose zu reduzieren und auf Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit zu verzichten, weil diese die Kapazität von GLUT-5 weiter einschränken. Das Ziel der Ernährungsumstellung ist, nach einiger Zeit wieder Obst essen zu können. Denn eine extrem fruktosearme oder gar fruktosefreie Dauerkost ist keinesfalls erforderlich – und sogar schädlich, da die Funktion des Transportproteins weiter nachlassen würde.

Hier mehr: Ernährung bei Fruktoseunverträglichkeit

Merke!
Bei einer Fruktoseunverträglichkeit funktioniert das Transportprotein GLUT-5 nicht richtig und der Körper kann nur eine begrenzte Menge an Fruchtzucker aufnehmen. Der Überschuss gelangt in den Dickdarm und wird dort von Bakterien verstoffwechselt.

3. Hereditäre Fruktoseintoleranz

Während schätzungsweise 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland von einer Fruktoseunverträglichkeit betroffen sind, leidet nur eine Person unter 20.000 an einer hereditären Fruktoseintoleranz, kurz HFI. Hierbei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Stoffwechselstörung, die auf einen angeborenen Enzymdefekt beruht: Die Personen können Fruktose zwar aufnehmen, aber nicht abbauen, da ihnen die dafür notwendige Aldolase B fehlt.

Solange Säuglinge gestillt werden, sind sie symptomfrei. Die ersten Anzeichen treten auf, wenn ihnen Beikost gefüttert wird: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwitzen, Zittern bis hin zu Gedeih- und Wachstumsstörungen. Außerdem entwickeln viele Kinder eine Abneigung gegen Süßes. Langfristig führt HFI zu schweren Schädigungen an Nieren und Leber – und erfordert daher eine lebenslange, möglichst fruktosefreie Diät. 

Dabei kommt der Übeltäter nicht nur frei in Obst sowie einigen Gemüsesorten vor, sondern auch gebunden im Haushaltszucker (Saccharose). Er besteht zu gleichen Teilen aus Glukose und Fruktose, daher sind sämtlichen Variationen des Süßmachers und Produkte, die ihn enthalten, tabu – dasselbe gilt für Honig und Invertzucker. Inulinhaltige Lebensmittel, zum Beispiel Artischocken, Topinambur oder präbiotische Joghurts und mit Sorbit angereicherte Nahrungsmittel müssen ebenfalls vermieden werden.

Merke!
Bei der hereditären Fruktoseintoleranz (HFI) wird Fruktose aufgenommen, aber nicht abgebaut. Ursache ist ein angeborener Enzymdefekt. Betroffene müssen lebenslang eine möglichst fruktosefreie Diät einhalten, da sonst Leber- und Nierenschäden drohen.

4. Sorbitintoleranz

Bei Sorbit handelt es sich um Alkoholform des Fruchtzuckers, das natürlicherweise insbesondere in Steinobst, also beispielsweise in Aprikosen, Pflaumen und Pfirsichen, vorkommt. Wegen seiner guten chemischen und technologischen Eigenschaften setzen Hersteller den Zuckeralkohol gern als Feuchthaltemittel, Trägerstoff und Zuckeraustauschstoff ein, beispielsweise in abgepackten Backwaren, zuckerfreien oder -reduzierten Fertigprodukten, Kaugummis sowie Süßigkeiten. 

Bei einer Sorbitintoleranz kann der Dünndarm den Stoff nur teilweise oder gar nicht aufnehmen – die Ursache dafür ist bislang noch unklar. Gelangt der Zuckeralkohol in den Dickdarm, wird er dort von Bakterien verstoffwechselt und Bauchschmerzen oder Blähungen tauchen auf. Darüber hinaus zieht Sorbit Wasser an, was Durchfälle verursachten kann. Übrigens: Auch bei Gesunden bereiten größere Mengen Sorbit wegen seiner eingeschränkten Verdaulichkeit sowie wasserbindenden Eigenschaft Probleme. Aus diesem Grund weisen sorbithaltige Produkte den Hinweis „kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“ auf.

Nach der Diagnose sollten Patienten für etwa vier Wochen soweit wie möglich auf den Zuckeralkohol verzichten. Unter einer strikten Diät bessern sich die Beschwerden meist sehr schnell. Sind die Symptome komplett verschwunden, können Betroffene schrittweise sorbithaltige Lebensmittel wieder in den Speiseplan integrieren. Dabei sollten zunächst nur geringe Dosen probiert und diese gesteigert werden, um so die persönliche Toleranzschwelle auszutesten. 

Erfahren Sie mehr: Ernährung bei Sorbitintoleranz

Merke!
Sorbit steckt in einigen Obstsorten, aber auch zuckerfreie oder -reduzierte Lebensmittel werden damit gesüßt. Bei einer Sorbitintoleranz kann der Dünndarm den Stoff nicht richtig verdauen, was zu Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfällen führt.

5. Galaktoseintoleranz

Im Rahmen des Neuge­bo­re­nen-Scree­nings werden die Kleinsten auf einige angeborene Störungen untersucht, darunter auch die Galaktoseintoleranz (Galaktosämie). Hierbei handelt es sich um eine seltene Stoffwechselerkrankung: Nur etwa ein Kind unter 50.000 trägt diesen Gendefekt. Arbeitet das Enzym Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase (GALT) fehlerhaft, kann der Körper Galaktose, ein Bestandteil des Milchzuckers, nicht richtig umwandeln. Es sammeln sich dann Abbaustoffe an, die vor allem Gehirn, Leber und Nieren schädigen.

Die wichtigste Behandlung ist eine lebenslange laktose- und damit galaktosefreie Ernährung. Das bedeutet einen vollständigen Verzicht auf Milch und Milchprodukte, wie etwa Käse, Sahne, Quark und Joghurt. Auch laktosefreie Milch und deren Produkte gehören dazu, denn durch die Behandlung ist die Laktose lediglich künstlich gespalten und ihre beiden Bausteine Glukose und Galaktose liegen frei vor. Außerdem wird einigen Produkten Milchzucker als Füllstoff oder Farbstabilisator zugesetzt (Medikamente, Wurst, Süßigkeiten). Nicht zuletzt befindet sich Galaktose in freier Form in Sojasauce, fermentiertem Gemüse und Hülsenfrüchten. 

Merke!
Galaktosämie ist eine seltene Stoffwechselerkrankung. Durch einen Defekt des Enzyms GALT kann der Körper die Galaktose nicht verwerten und es entstehen Stoffwechselprodukte, die Gehirn, Leber und Nieren schädigen.

6. Saccharoseintoleranz

Manchen Menschen bereitet gewöhnlicher Haushaltszucker, also die Saccharose, arge Verdauungsprobleme – wenn sie an ­einer seltenen Stoffwechselstörung leiden, die mit einem Sucrase-Isomal­tase-Mangel einhergeht. In Europa sind davon allerdings nur 0,05 bis 0,2 Prozent der Bevölkerung betroffen, die Häufigkeit dieser Zuckerunverträglichkeit ist also recht gering. 

In diesen Fällen kann der Zweifachzucker nicht oder nur in geringem Umfang im Dünndarm gespalten werden. Er gelangt unverdaut in den Dickdarm und ruft Bauchkrämpfe, Erbrechen und Durchfall hervor. Neben der primären gibt es auch eine sekundäre Form, die auf einer Schädigung der Darmschleimhaut beruht. Das kann beispielsweise bei einer akuten Darmentzündung oder Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) passieren.

Eine Ernährungsumstellung ist meist die einzig sinnvolle Behandlung. Es gilt sämtliche Variationen des Haushaltszuckers wie beispielsweise Kandis, Rübenzucker, Rohrzucker sowie Vollrohrzucker strikt zu meiden. Stattdessen kann man zum Süßen auf Traubenzucker (Dextrose) ausweichen. Außerdem müssen Betroffene wissen, dass einige Früchte und Obsterzeugnisse nennenswerte Mengen Saccharose enthalten, darunter etwa Ananas, Banane, Dosen- sowie Trockenfrüchte.

Merke!
Bei der Saccharoseintoleranz handelt es sich um eine Enzym-Mangel-Erkrankung des Dünndarms, bei der die Verdauung von Saccharose nicht oder nicht richtig funktioniert.

Ganz wichtig: Bevor Sie bei einem Verdacht vermeintliche Auslöser vom Speiseplan streichen oder einen Test auf Nahrungsmittelintoleranzen in Eigenregie durchführen, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Es ist notwendig, über die Symptome zu sprechen, auch wenn diese Ihnen peinlich sind. Denn für die Beschwerden können ebenso andere Erkrankungen die Ursache sein. Führen Sie ein Ernährungstagebuch. Es liefert dem Arzt entscheidende Hinweise, um eine Diagnose zu stellen.

Wissen zum Mitnehmen

Wenn der Dünndarm bestimmte Zucker nur schlecht verwerten kann, gelangen sie unverdaut in den Dickdarm, wo Bakterien sie vergären. Dabei entstehen Gase und Säuren, welche die typischen Zuckerunverträglichkeit-Symptome hervorrufen: Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfälle und Übelkeit. Häufig steckt eine Laktoseintoleranz dahinter und Betroffene vertragen nur wenig Milchzucker, da sie einen Laktasemangel haben. Auch macht vielen Menschen Fruktose zu schaffen. Bei einer Unverträglichkeit funktioniert das Transportprotein GLUT-5 nicht richtig, der normalerweise den Einfachzucker aus dem Darminneren ins Blut befördert. 

Im Gegensatz dazu hat die hereditäre Fruktoseintoleranz (HFI) nichts mit dem Transportprotein GLUT-5 zu tun, denn Patienten können Fruchtzucker aufnehmen, aber nicht abbauen, weil ihnen das Enzym Aldolase B fehlt. Damit keine Leber- und Nierenschäden drohen, müssen sie lebenslang eine möglichst fruktosefreie Diät einhalten und Sorbit meiden, denn es ist eine Alkoholform der Fruktose. Zudem gibt es eine isolierte Sorbitintoleranz. Hier kann der Dünndarm den Stoff nur teilweise oder gar nicht aufnehmen. Warum das so ist, ist unklar.

In den ersten Lebenstagen werden Babys auf die seltene Stoffwechselerkrankung Galaktosämie getestet. Bei der Erkrankung arbeitet das Enzym GALT fehlerhaft, der Körper kann Galaktose nicht richtig umwandeln und die Abbauprodukte schädigen Gehirn, Leber und Nieren. Die Saccharoseintoleranz ist ebenfalls eine seltene Stoffwechselstörung, die mit einem Sucrase-Isomal­tase-Mangel einhergeht. Haushaltszucker (Saccharose) kann nicht gespalten werden und gelangt dadurch unverdaut in den Dickdarm.


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