Der Profi-Coach

Warum sich Paare trennen – oder zusammenbleiben

Von Uwe Pettenberg
Aktualisiert am 27. Dez. 2018
Paar

Meine Frau und ich werden oft gefragt, wie wir nach so vielen Jahren (14 um genau zu sein) immer noch so glücklich miteinander sein können. So genau weiß ich das auch nicht, antworte ich manchmal. Unfassbares Glück gehabt. Manchmal – je nachdem wer fragt – sage ich auch, wir sind natürlich auch nicht immer glücklich und hatten auch Phasen, in denen wir uns weniger nahe waren. Letztendlich aber ist es so, dass wir immer wieder einen Weg gefunden haben, miteinander zu sprechen, uns mitzuteilen, dem anderen verständlich zu machen, wie es in uns aussieht. Den anderen zu wertschätzen und ihn respektvoll behandeln.

share Teilen
print
bookmark_border URL kopieren

Es fing doch alles so gut an

Das erste halbe Jahr einer Beziehung ist meist der Himmel auf Erden. Mindestens fühlt es sich für die meisten von uns so an. Blumen, kleine Aufmerksamkeiten, Textnachrichten gefüllt mit Herzchen und Liebesbotschaften, die sofort beantwortet werden. Zwei, die sich gerade gefunden haben, verbringen den Abend miteinander um dann, sobald sie zuhause sind per Video weiter zu chatten. Sie teilen ihr Essen, küssen sich gegenseitig den Milchschaum von den Lippen und gehen zusammen die Straße entlang mit den Händen in der Jackentasche des jeweils anderen. Sie sind so glücklich und so verliebt, sie können gar nicht genug voneinander bekommen geschweige, sich vorzustellen, jemals wieder auseinander zu gehen.

Der Anfang ist nicht entscheidend

Ein Jahr später haben sie sich getrennt. Dabei hat doch alles so gut angefangen! Die Beziehung war perfekt! Alles war so wunderbar und sie haben sich doch so geliebt ... doch irgendwann ist die Liebe irgendwie verloren gegangen. So scheint es.

Es gibt Statistiken, die besagen, dass sich die meisten Beziehungen innerhalb von eineinhalb Jahren von heiß und leidenschaftlich zu lauwarm und langweilig entwickeln und die Paare dann anfangen, darüber nachzudenken, ob sie zusammenbleiben sollen. Nun können wir von Statistiken halten, was wir wollen, das Gerücht vom berühmten siebten Jahr wäre allerdings dann nicht mehr haltbar. Tatsächlich finden die meisten Trennungen nach zwei Jahren statt, sehr oft, wenn das erste Kind auf die Welt gekommen ist, da sich dann die Aufmerksamkeit der jungen Mutter verschiebt und der junge Vater sich als Mann vernachlässigt fühlt.

Unabhängig davon ob ein Paar Eltern wird, ist nach zwei Jahren einfach der Zeitpunkt, wenn man alles vom anderen mehr oder minder zu wissen und zu kennen scheint, die guten und weniger guten Seiten, die schlechten Angewohnheiten, die Ticks, die Schwächen, die Stärken, die Bedürfnisse. Die Leidenschaft und das Verspielte sind sehr wahrscheinlich verschwunden, da man sich an die Anwesenheit des anderen so gewöhnt hat, dass es nichts Besonderes mehr zu sein scheint. Ganz oft endet der gemeinsame Weg hier.

Auch das geht vorbei

Was viele Paare jetzt als endgültiges Aus interpretieren ist jedoch ganz einfach nur eine Phase. Es ist Teil eines Prozesses und jedes Paar kommt an diesen Punkt. Wenn die Verliebtheit aufhört, glauben viele irrtümlicherweise, die Liebe wäre vorbei. Tatsächlich ist jetzt der erste kritische Zeitpunkt, wenn die Chance besteht, dass sich wahre Liebe entwickelt und stabilisiert.

Was viele Paare nicht verstehen, wenn sie beginnen, sich desillusioniert zu fühlen, ist, dass eine Beziehung nicht von Gefühlen getragen wird. Das ist ein großes Missverständnis. Gefühle sind kein verlässlicher Faktor, sie verändern sich ständig und sind abhängig von unseren Stimmungen und äußeren Einflüssen. Denken Sie mal an eine Familie, die gerade ein Baby bekommen hat. Zuerst hat das Kleine alle Aufmerksamkeit und alles ist aufregend, neu und total süße. Nach ein paar Monaten mit schmutzigen Windeln, Erbrechen und schlaflosen Nächten für die Eltern hat sich die anfängliche Euphorie nicht nur gelegt, sie ist sehr wahrscheinlich einer großen Desillusionierung gewichen. Doch das heißt nicht, dass die Eltern ihr Kind nicht mehr lieben! Sie lieben es jeden Tag immer noch ein bisschen mehr und auch immer wieder anders. Nüchterner, klarer und dazwischen auch immer wieder voller Dankbarkeit und Glück. In einer Beziehung zwischen Erwachsenen ist es ganz ähnlich. 

Vertrauen Sie dem Prozess

Wenn die erste Phase der Romantik und Leidenschaft vorbei ist, wird es ernst. Das ist dann eine Zeit der Ausrichtung, wo wir als Paar eine gemeinsame Lebensvision suchen und uns einig werden sollten, dass wir dieses Vorhaben gemeinsam durchziehen wollen – wenn ich es so prosaische ausdrücken darf.

Gewöhnlich folgt dann eine sogenannte Plateauphase, in der nichts vorwärtszugehen scheint, wo wir das Gefühl haben alles stagniert, nichts macht wirklich Sinn, alles ist zäh, nichts fließt. Hier heißt es jetzt wirklich durchhalten und darauf vertrauen, dass bessere Zeiten kommen, denn in einer solchen Phase erfolgen die meisten Trennungen.

Wenn Sie bis hierhin durchgehalten haben, werden Sie dann eine Zeit erleben, in der Sie über die Verliebtheit endgültig hinauswachsen und eine ganz neue Qualität in Ihrer Beziehung erfahren. Tiefes Vertrauen, ein reiferer Umgang miteinander, Sie werden intuitiver und entspannter miteinander sein. Zu einem Team werden Wenn Ihr Partner schließlich (auch) zu Ihrem besten Freund geworden ist, können Sie sich sehr glücklich schätzen. Ein besseres Fundament für eine glückliche Beziehung gibt es nach meiner Erfahrung nicht. In der Beziehung zu meiner Frau spielt übrigens auch Humor eine große Rolle. Wir können über fast alles miteinander lachen. Nicht zuletzt deshalb sind wir nach wie vor sehr glücklich zusammen.

In diesem Sinne!

Herzlichst,

Ihr Uwe Pettenberg

Schreiben Sie einen Kommentar