Die Getränkeprüferin

Frucht- und Gemüsesaft: Promille wider Willen?

Von Nicole Oschwald
Aktualisiert am 27. Dez. 2018
Frucht- und Gemüsesaft: Promille wider Willen?
Frucht- und Gemüsesaft: Promille wider Willen?

Ein Kilogramm reife Bananen enthält nach rund sieben Tagen Lagerung zwei bis drei Gramm Alkohol. Auch Fruchtsäfte, Kefir oder Gemüsesmoothies können geringe Mengen an Alkohol enthalten. Viele Verbraucher rechnen nicht damit. Aber werden sie deshalb davon betrunken und ist es sogar gesundheitsschädlich? Erfahren Sie, was sie über alkoholfreie Getränke mit Mini-Promille wissen sollten und in welchen Produkten sich Alkohol auf natürliche Weise verstecken kann.

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Natürlicher Alkoholgehalt

Fast alle Getränke, die als alkoholfrei gelten, können geringe Mengen Alkohol enthalten. Bei Säften liegt das zum Beispiel daran, dass Hefepilze, den in frischen Früchten enthaltenen Zucker im Laufe der Verarbeitung zu Alkohol vergären. Das kennen Sie vielleicht auch von dem fermentierten Milchprodukt Kefir. Dieses Erzeugnis lässt sich durch die Zugabe bestimmter Milchsäurebakterien selbst herstellen, die beim Gären als Nebenprodukt Alkohol entwickeln.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie das sein kann? Warum erfahren Sie nichts vom „versteckten“ Alkohol in Ihren alkoholfreien Getränken? Ist das ein neuer Lebensmittelskandal? Nein, es ist das Gegenteil. Fruchtsäfte, Smoothies oder Kefir haben naturgemäß einen sehr minimalen Alkoholgehalt. Dieser ist nicht nur unvermeidbar, sondern bei typischen Verzehrmengen auch gesundheitlich unproblematisch.

Kennzeichnungspflicht

Wir sprechen von Promillezahlen, die keinerlei physiologische Auswirkungen auf den menschlichen Körper erwarten lassen. Kennzeichnungspflichtig ist Alkohol auf dem Etikett von Getränken daher erst ab einem Gehalt von 1,2 Volumenprozent.

In Frucht- und Gemüsesäften gilt nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches – mit Ausnahme von Trauben- und Sauerkrautsaft – ein Alkoholgehalt von bis zu drei Gramm pro Liter als tolerabel. Das entspricht 0,38 Volumenprozenten Alkohol. Ist das viel oder wenig?

Sagen wir es so: Wenn Sie in einem Selbstversuch – von dem ich Ihnen ausdrücklich abrate – mit Fruchtsaft dieselbe Menge Alkohol aufnehmen wollen würden, wie durchschnittlich in einem halben Liter Bier steckt, dann müssten Sie ziemlich zackig mindestens sechs Liter davon trinken.

Lagerung

Getränke im Kühlschrank

Da Fruchtsäfte in aller Regel deutlich weniger Alkohol enthalten als Bier, müssten Sie in der Realität sogar wesentlich mehr als sechs Liter trinken. Ein kritischer Alkoholgehalt in alkoholfreien Getränken tritt übrigens in der Regel erst dann auf, wenn die Getränke wegen falscher oder zu langer Lagerung anfangen zu gären.

Daher sollten Sie zu Hause Fruchtsäfte immer nur gekühlt lagern und innerhalb weniger Tage verbrauchen. Einmal geöffnet können über die Luft Hefen in das Lebensmittel gelangen. Diese beginnen dann schnell, den vorhandenen Zucker zu Alkohol zu vergären. Dann aber schmeckt der Saft ohnehin verdorben und Sie sollten ihn nicht mehr konsumieren. Das gilt übrigens auch für faulige Bananen.


Über die Autorin dieses Beitrags

Nicole Oschwald ist staatlich geprüfte-Lebensmittelchemikerin und Leiterin der Kundenbetreuung am Freiburger Standort von SGS Institut Fresenius. Das dortige Labor ist Kompetenzzentrum für die Analyse von alkoholhaltigen und alkoholfreien Getränken, Fleisch- und Wurstwaren und Tierarzneimittelrückständen. Eine weitere Spezialität des Standorts ist die Aromaanalyse, die für die Getränke- und Lebensmittelindustrie eine große Rolle spielt. Mehr über die Dienstleistungen der SGS erfahren Sie auf www.sgsgroup.de und www.sgs-institut-fresenius.de.

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