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Toxic Positivity: Darum schadet radikaler Optimismus

Von Wenke Gürtler
Aktualisiert am 26. Okt. 2021
© Pexels/ juan mendez
© Pexels/ juan mendez

Good vibes only! Stay positive! Don’t worry, be happy! Solche Sprüche sollen uns aufbauen – doch Optimismus um jeden Preis kann mehr schaden als nützen. Die Rede ist von Toxic Positivity. Erfahren Sie, was hinter diesem Phänomen steckt und warum es problematisch ist.

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Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Toxic Positivity?
  2. Warum schadet Toxic Positivity?
    1. Gefährdet unsere Gesundheit
    2. Steht Veränderungen im Weg
    3. Blockiert Beziehungen
  3. Umgang mit Toxic Positivity
  4. Wissen zum Mitnehmen

Unter dem Hastag #positivity tummeln sich auf Instagram knapp 35 Millionen Beiträge. Beliebt sind Glaubenssätze, die uns dazu aufrufen, sich auf die guten Seiten des Lebens zu konzentrieren – stets bunt und fröhlich illustriert. Auch im realen Leben möchten unsere Mitmenschen uns in schwierigen Situationen mit lieb gemeinten Ratschlägen wie "Denk positiv, dann wird das schon" aufmuntern. 

Grundsätzlich tut uns ein positives Mindset gut, denn wer hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, kann besser mit Stress umgehen, lebt gesünder und länger. Außerdem ist Optimismus eine Schlüsselkompetenz für den Aufbau der psychischen Widerstandskraft, der sogenannten Resilienz. Wenn wir negative Gefühle allerdings überhaupt nicht zulassen oder uns Druck machen, ständig happy zu ein, kann uns das auf lange Sicht sogar schaden.

Was ist Toxic Positivity?

Für dieses Phänomen gibt es im englischsprachigen Raum schon länger die Bezeichnung Toxic Positivity, auf deutsch giftige beziehungsweise toxische Positivität. Dabei stehen angenehme Emotionen und Gedanken im Fokus, hingegen sind unangenehme Empfindungen wie Angst, Eifersucht, Trauer oder Wut unerwünscht. Ebenso heißen Probleme nicht Probleme, sondern Chancen oder Herausforderungen, für die man dankbar sein sollte. Und es ist eine reine Einstellungssache, um ein erfolgreiches und zufriedenes Leben zu führen, getreu dem Motto: "Du bist deines Glückes Schmied".

Doch die Motivationssprüche setzen viele von uns eher unter Druck. Zudem ist das Leben nicht immer schön – und wir können es nicht immer kontrollieren. So berichtet eine zweifache Mutter auf Zeit-Online: „Während im April 2020 viele meiner Freunde scheinbar voller Elan Bananenbrot auf Instagram posteten oder Dankbarkeitstagebücher führten, platzte mir der Kragen.“ Denn im ersten Lockdown kam bei ihr viel zusammen: Existenzängste, Sorgen um die vorerkrankte Mutter, fehlende Kinderbetreuung und die verschobene Hochzeitsfeier. Ihre Nöte wurden nicht Ernst genommen, stattdessen hörte sie: Mach das Beste draus (1)!

Merke!
Toxic Positivity beschreibt eine krankhaft positive Lebenseinstellung, bei der negative Gefühle oder Probleme verdrängt werden. Das kann aber sehr belastend sein, Druck erzeugen oder einen unverstanden zurücklassen.

Warum schadet Toxic Positivity?

Negative durch positive Gedanken zu ersetzen, ist ein Mechanismus, der uns hilft, auch schwierige Situationen zu meistern. Doch funktioniert diese Strategie lang­fris­tig? Eher nicht, denn fol­gende Pro­bleme können dabei auftauchen:

1. Gefährdet unsere Gesundheit

Schon von klein auf werden wir erzogen, uns zusammenzureißen. Allerdings sind die Gefühle keineswegs verschwunden, nur weil wir sie nicht offen zeigen. Und noch wichtiger: Emotionen zu unterdrücken, kostet uns jede Menge Energie. Etwa so, als würde man einen mit Luft gefüllten Ballon unter Wasser halten. Es ist möglich, erfordert aber stetige Aufmerksamkeit und Kraft – und das macht uns über kurz oder lang krank. Das behauptete bereits Sigmund Freud Ende des 19. Jahrhunderts.

Um Freuds Theorie zu überprüfen, wurden für eine Studie sämtliche weltweit verfügbaren Informationen zusammengetragen. Dabei stellten die Forschenden fest, dass es einen Zusammenhang zwischen der Verdrängung und einem erhöhten Blutdruck gibt. Chronischer Bluthochdruck kann wiederum Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nieren- oder Augenschäden begünstigen (2).

In einer anderen Arbeit kam heraus, dass diejenigen, die sich selbst unter Druck setzen, wenn sie schlechte Laune haben, eher zu Problemen wie Ängsten oder Depressionen neigten (3). Es ist für unsere Gesundheit also wichtig, dass wir all unsere Empfindungen ausleben. Weinen Sie also, wenn Sie traurig sind, fürchten Sie sich, wenn Sie Angst haben, gestehen Sie sich ein, wenn Sie sich einsam fühlen und machen Sie Ihrem Ärger Luft, wenn Sie wütend sind.

Merke!
Alle Gefühle, auch die negativen, haben ihre Berechtigung. Wenn wir sie permanent verleugnen oder verdrängen, können wir depressiv werden oder zu einem erhöhten Blutdruck neigen – und das wiederum schadet unserer Gesundheit.

2. Steht Veränderungen im Weg

Unangenehme Empfindungen konsequent auszublenden, macht uns nicht nur langfristig krank, sondern wir nehmen uns ebenso die Möglichkeit, Entwicklungen und Prozesse in Gang zu bringen. Wenn wir beispielsweise vor dem Vorstellungsgespräch Angst haben, zeigt uns das, dass etwas auf dem Spiel steht – und erhöht kurzfristig unsere Leistungsfähigkeit. Zudem lässt uns die Furcht aufmerksamer und vorsichtiger handeln. 

Eine kurze Ablenkung von schlechten Gefühlen ist in Ordnung, etwa wenn eine Beziehung in die Brüche gegangen ist oder wir einen geliebten Menschen verloren haben. Es ist jedoch wichtig, Trauer auch zuzulassen, denn sie hilft uns, Abschied zu nehmen und wieder offen für Neues zu werden. Hingegen zeigt Ärger uns selbst und anderen, dass uns etwas stört und spornt uns an, für etwas zu kämpfen, das uns wichtig ist. 

Merke!
Angst, Trauer oder Wut zu verspüren, ist nicht immer angenehm. Aber wenn wir sie zulassen, unterstützen sie uns, Probleme zu lösen und offen für Neues zu werden.

3. Blockiert Beziehungen

Angenommen, Sie hatten einen schlechten Tag oder stecken in einer Krise und vertrauen sich einer Freundin oder einem Freund an. Womöglich bekommen Sie dann so etwas wie "Das wird schon wieder" oder "Alles halb so wild" zu hören. Klar, diese Ratschläge sind sicherlich nett gemeint, doch sie lassen Sie wohl eher hilflos zurück. Es kann auch dazu führen, dass Sie sich nicht ernst genommen fühlen und in Zukunft mit dieser Person nicht mehr über Ihre Probleme sprechen werden. 

Auch in Partnerschaften ist es wichtig, alle Empfindungen teilen zu können. Denn Gefühle spiegeln unsere Bedürfnisse wider – und der Austausch über eigene Hoffnungen, Pläne, Vorstellungen und Wünsche ist ein entscheidendes Fundament für eine gut funktionierende Beziehung. Wenn Sie das nicht tun, besteht die Gefahr, dass Sie Ihren Partner beziehungsweise Ihre Partnerin aus den Augen verlieren.

Merke!
Toxic Positivity kann dazu führen, dass wir uns nicht ernst genommen fühlen und unsere Bedürfnisse in Beziehungen auf der Strecke bleiben.

Umgang mit Toxic Positivity

Um sich im Alltag von toxischer Positivität loszulösen, ist es ratsam, Empfindungen des Gegenübers nicht herunterzuspielen und auf Phrasen wie "Mach das Beste draus", "Das wird schon wieder" oder "Alles halb so wild" zu verzichten. Geht es einer Person schlecht, braucht sie viel eher jemanden, der ihr richtig zuhört, als gut gemeinte Rat­schläge. Seien Sie empathisch. Formulierungen wie „Ich verstehe, dass du dich schlecht fühlst“ oder „Das tut mir leid. Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.“ helfen. Und wenn es mal andersherum ist: Gehen auch Sie mit Ihren Gefühlen ehrlich und offen um.

Die andere Baustelle ist Social Media. Wenn Sie tagtäglich die idealisierten Bilder von Influencer:innen in ihrer heilen Welt konsumieren, erzeugen Sie damit bei sich selbst jede Menge Druck. Sie können sich davor schützen, indem sie Entsprechendes aussortieren, stummschalten, löschen oder entfolgen. 

Merke!
Zeigen Sie im Umgang mit Ihren Mitmenschen Empathie und gestehen Sie sich auch ein, wenn es mal nicht rund läuft. Sortieren Sie außerdem alles auf Social Media aus, was bei Ihnen Druck aufbaut.

Wissen zum Mitnehmen

Mit einer positiven Lebenseinstellung können wir besser mit Stress umgehen, leben gesünder und länger. Außerdem ist Optimismus eine Schlüsselkompetenz, um Resilienz zu entwickeln. Konzentrieren sich Menschen aber zwanghaft auf positive Dinge und lehnen alles ab, was negative Gefühle auslösen könnte, ist die Rede von Toxic Positivity. Übersetzt bedeutet das giftige beziehungsweise toxische Positivität.

Wer jedoch Angst, Trauer oder Wut permanent verleugnet oder unterdrückt, kann depressiv werden oder neigt zu einem erhöhten Blutdruck. Und Bluthochdruck ist wiederum ein Risikofaktor für Herzinfarkt, Schlaganfall, Nieren- oder Augenschäden. Außerdem sind unangenehme Gefühle wie Motoren, die uns antreiben, Probleme zu lösen und offen für Neues zu werden. In Beziehungen kann Toxic Positivity dazu führen, dass wir uns nicht ernst genommen fühlen und unsere Bedürfnisse auf der Strecke bleiben. 

Um dem Zwang zum Glücklichsein zu entkommen, sortieren Sie alles auf Social Media aus, was bei Ihnen Druck aufbaut. Seien Sie im realen Leben ehrlich und geben Sie offen zu, wenn es Ihnen mal nicht gut geht. Hat Ihr Gegenüber einen schlechten Tag oder eine schlechte Phase, seien Sie empathisch und verzichten Sie auf gut gemeinte Rat­schläge wie "Mach das Beste draus", "Das wird schon wieder" oder "Alles halb so wild". Oft reicht es, wenn Sie der Person einfach nur richtig zuhören.


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Wow, Super Beitrag. Endlich wird mal klargestellt, dass das Leben eben nicht einfach immer einfach ist und wenn dies def Fall ist, man das auch mal mit seinen Gefühlen zulassen darf und auch zeigen darf. Und dass dieser „only positive vibes“ einfach nur krankhaft ist und ehrlichst gesagt sehr nervend und anstrengend sein kann. Und gerade für einige Menschen, kann das sehr belastend werden und noch mehr runterziehen. Man sollte realistisch bleiben und natürlich auch positiv denken, aber nicht alles nur verdrängen und durch die rosa rote Brille sehen und andere damit dermaßen unter Druck setzen und die Probleme klein reden.
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